| # taz.de -- Thomas Hitzlspergers Medienstrategie: Alles unter Kontrolle | |
| > Hitzlsperger hat sein Coming-out generalstabsmäßig durchgeplant. Das | |
| > zeigt: Sportler und Klubs sind Berichterstatter in eigener Sache. | |
| Bild: Hat PR-Experten rekrutiert: Fußballprofi Hitzlsperger. | |
| „Er ist ein Pionier. Das wird er in den kommenden Wochen zu spüren | |
| bekommen. Er wird in vielen Talkshows herumgereicht und für viele | |
| Titelseiten abgelichtet werden.“ So hat Corny Littmann, der schwule | |
| Expräsident des FC St. Pauli, Thomas Hitzlspergers Coming-out kommentiert. | |
| Den Theaterunternehmer ziehen die Medien beim Thema Homosexualität und | |
| Fußball gern zu Rate. | |
| Vor wenigen Jahren noch wäre Littmanns Einschätzung nicht falsch gewesen, | |
| aber die Medienstrategie, für die sich Hitzlsperger entschieden hat, deutet | |
| nicht darauf hin, dass der Exnationalspieler für Talkshows und | |
| Fotoshootings zur Verfügung stehen wird. | |
| Bisher hat er sein Coming-out, so gut es geht, selbst gesteuert. Eine | |
| entscheidende Rolle spielt dabei die Kölner Medienberatungsfirma Dictum Law | |
| Communications. Das Unternehmen produzierte das viel verbreitete | |
| Videointerview mit Hitzlsperger, das auf seiner eigener Website zu finden | |
| ist. Die Medien konnten es unter Verweis auf den Urheber Dictum Law auf | |
| ihren Websites und in ihren YouTube-Kanälen einbinden. | |
| Die Agentur ist auf Dienstleistungen für Anwaltskanzleien spezialisiert, | |
| also auf „mandatsbegleitende Öffentlichkeitsarbeit“, aber auch auf | |
| „Pressearbeit bei Insolvenzverfahren“. Hitzlsperger hat also Experten | |
| rekrutiert, die es gewohnt sind, kommunikationsstrategisch am großen Rad zu | |
| drehen. | |
| ## Fünf ausgewählte Medien | |
| Über sein großes Interview mit der Zeit und seine Videobotschaft hinaus | |
| äußerte sich Hitzlsperger bisher nur gegenüber fünf Medien. Bei den | |
| britischen – der 31-Jährige hat für Aston Villa, West Ham und Everton | |
| gespielt – entschied er sich für den Guardian und die BBC. In Deutschland | |
| bediente er Bild („Hier verrät Hitzlsperger seinen Beziehungsstatus“), | |
| 11Freunde („Es ist kein neues Leben“) und am Samstag schließlich das ZDF, | |
| das das elfminütige Interview im „heute journal“ zeigte. Darauf sei der | |
| Sender „ein bisschen stolz“, flötete Claus Kleber bei der Anmoderation. Am | |
| Donnerstag, bei der Einstimmung auf einen belanglosen Talk bei Maybrit | |
| Illner, musste das ZDF noch auf das Material von Dictum Law Communications | |
| zurückgreifen. | |
| Im ZDF-Interview mit Jochen Breyer sagte Hitzlsperger, er habe „das Ausmaß“ | |
| der Reaktionen „nicht abschätzen“ können. Was sollte er sonst sagen? Hät… | |
| er das Gegenteil behauptet, hätte man ihm das als Selbstüberschätzung | |
| ausgelegt. Die generalstabsmäßige Planung seines öffentlichen Bekenntnisses | |
| spricht aber dafür, dass er sehr wohl eine Ahnung von dem Ausmaß hatte. | |
| Corny Littmanns These basiert darauf, dass Fußballer Objekte der | |
| Berichterstattung sind. Infolge des digitalen Medienwandels sind Spieler | |
| und erst recht Vereine und Verbände aber nicht mehr nur Gegenstand der | |
| Berichterstattung, sie sind auch deren Akteure. | |
| Klubs werden mithilfe ihrer Web-TV-Angebote zu Berichterstattern in eigener | |
| Sache, Facebook und Twitter tragen ebenfalls zu der Entwicklung bei. | |
| Sportler nutzen soziale Netzwerke, um die traditionellen Medien zu umgehen. | |
| In diesem Kontext muss man Hitzlspergers Strategie sehen. | |
| ## Nachfragen unmöglich | |
| In der Regel sind solche Entwicklungen für die etablierten Medien eher | |
| unerfreulich. Als Mario Götze im November 2013 das entscheidende 1:0 für | |
| den FC Bayern gegen seinen Exklub Borussia Dortmund schoss, sagte er nach | |
| dem Spiel dazu – nichts. Wegen des „Respekts“. Am nächsten Tag gab er – | |
| Respekt hin, Respekt her – dem vereinseigenen fcb.tv ein Interview. | |
| Der langjährige „Sportstudio“-Moderator Michael Steinbrecher sagte vor | |
| einigen Monaten, es drohe „die große Gefahr“, dass Vereine und Verbände | |
| „auch Interviews in Konfliktsituationen drehen und dann allen Sendern zur | |
| Verfügung stellen. Nachfragen sind dann nicht mehr möglich.“ | |
| In der Causa Hitzlsperger hat sich konkret Spiegel Online über die | |
| Unmöglichkeit des Nachfragens beklagt: „Warum sind weder Thomas | |
| Hitzlsperger noch sein Management in den Stunden nach der offiziellen | |
| Veröffentlichung des kompletten Interviews erreichbar?“ Der Frust ist | |
| verständlich. | |
| Es ist angesichts der medialen Obsession für das Thema schwule Fußballer | |
| aber auch verständlich, dass Hitzlsperger alles so gemacht hat, wie er es | |
| gemacht hat. | |
| 12 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| René Martens | |
| ## TAGS | |
| Thomas Hitzlsperger | |
| Fußball | |
| Homosexualität | |
| Homophobie | |
| Homosexualität im Profisport | |
| Homophobie | |
| Thomas Hitzlsperger | |
| Schwul | |
| Thomas Hitzlsperger | |
| Homosexualität | |
| Homophobie | |
| Schwerpunkt Volker Beck | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Homosexualität im Frauenfußball: „Ich war doppelt unerwünscht“ | |
| Ex-Bundesligaspielerin Tanja Walther-Ahrens engagiert sich seit Jahren | |
| gegen Homophobie und Sexismus im Fußball. Genauso lange wartet sie schon | |
| auf Besserung. | |
| Diskriminierung im Frauenfußball: Schwule Mädchen | |
| Homophobie ist im Frauenfußball kein Problem, dafür aber Sexismus. Die | |
| Spielerinnen sind noch immer Eindringlinge in eine Männerdomäne. | |
| Anleitung Reden über schwule Fußballer: Der Yeti auf dem Platz | |
| Nun wissen wir nicht nur, sondern können auch beweisen: Es gibt schwule | |
| Profi-Fußballer. Aber wie reden wir am besten über sie? Das taz-Abc hilft. | |
| Homophobie im Fußball: „Nicht wirklich willkommen“ | |
| Schwule Fußballamateure fühlen sich oft unwohl im heterodominierten | |
| Klubumfeld. Und so gründen sie ihre eigenen Vereine. | |
| Schwuler Fußballprofi Robbie Rogers: Der kalifornische Traum | |
| Robbie Rogers ist Mittelfeldspieler bei LA Galaxy. Er hat sich geoutet. Der | |
| smarte US-Amerikaner hat das Zeug zum glamourösen Vorbild. | |
| Reaktion auf Hitzlsperger-Kritik: Wut, Trotz und Solidarität | |
| Ein Sprecher von Antenne Bayern ist genervt von der Kritik an Hitzlspergers | |
| spätem Coming-Out – und outet sich mitten in den Radio-News. | |
| Fußball und Homophobie: Die Furcht vor dem Fan | |
| Funktionäre finden das Coming-out von Thomas Hitzlsperger toll. Doch was | |
| geschähe, wenn ein aktiver Profi sich als schwul outen würde? | |
| Volker Beck über Hitzlsperger: „Kein Glaubensbekenntnis“ | |
| Der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck über Homophobie im Fußball und | |
| die Bedeutung des Bekenntnisses zum Schwulsein. |