Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Diskriminierung im Frauenfußball: Schwule Mädchen
> Homophobie ist im Frauenfußball kein Problem, dafür aber Sexismus. Die
> Spielerinnen sind noch immer Eindringlinge in eine Männerdomäne.
Bild: Nadine Angerer (hier in grün) zeigte sich mit Partnerin, es registrierte…
Thomas Hitzlsperger wird in die Geschichte eingehen: Als erster ehemaliger
Bundesliga-Profi hat er seine Homosexualität öffentlich gemacht – als
erster männlicher Fußballspieler.
Steffi Jones, Ursula Holl und Tanja Walter-Ahrens schwitzten in
Nationalmannschaft und Bundesliga. Sie stehen offen zu ihrer
Homosexualität. Als Jones Anfang 2013 den Kameras ihre Freundin vorstellte,
lächelten diese freundlich zurück. Eine Fußballerin hatte ihr Glück
gefunden, mehr nicht.
Und als Weltfußballerin Nadine Angerer vor wenigen Wochen mitsamt Partnerin
den roten Teppich betrat, registrierten das nur ein paar Klatschspalten.
Dass ihre Coming-outs die (Fußball-)Welt aus den Angeln heben würde,
Zeitungsseiten füllen, aus Talkshows dröhnen und in den Nachrichten
wiedergekäut werden könnten – unvorstellbar.
Ein Coming-out im Frauenfußball überrascht nicht. Das Tabu Homosexualität
ist hier keins. Dumpfe Schmähgesänge, in denen Homosexualität mit Schwäche
gleichgesetzt wird, sind bei den Fußballfrauen fremd. „Diskriminierung
wegen der sexuellen Identität spielt bei diesen Fans keine Rolle“, sagt der
Fanforscher Jonas Gabler.
## Friedlich, freundlich, weltoffen
Über Jahre gewachsene Strukturen gibt es nicht. Gewalt und Xenophobie
schaffen es nicht in die Stadien von Turbine Potsdam und dem FFC Frankfurt.
Bei der Weltmeisterschaft der Frauen 2011 in Deutschland wirkten die
Fanfeste, die Wege zu den Stadien, wie eine Familienfeier: friedlich,
freundlich, weltoffen.
Dass zu den Frauen weniger Fans strömen, kann nicht die einzige Erklärung
sein: In den unteren Ligen bei den Männern sind die Fanzahlen klein,
Homophobie gibt es trotzdem. Die Tribüne zieht bei den Frauen ein anderes
Publikum an. Sie lassen sich auf Frauenfußball ein und suchen dort nicht
nach Geschlechteridentität, ist die Erklärung von Fanforscher Gabler.
Auch in den Teams werden homosexuelle Frauen nicht gepiesackt, verspottet
oder ausgeschlossen. „In der Kabine ist das keine Frage“, sagt Tanja
Walther-Ahrens. Die 44-Jährige war in den 1990ern Bundesligaspielerin bei
Tennis Borussia Berlin und Turbine Potsdam und ist selbst lesbisch. „Da
sind die Frauen sehr viel offener, als das vielleicht bei den Männern der
Fall ist.“
Trotzdem kommt Frauenfußball nicht ohne Diskriminierung aus. Denn
Coming-outs sind auch deshalb so einfach, weil an dem Sport das
Lesben-Image klebt. In der scheinbar liberalen Frauenfußball-Welt heißt das
Problem Sexismus, nicht Homophobie. Fußball gilt noch immer oft als
männlich. Oder wie es der DFB 1955 ausdrückte: „Im Kampf um den Ball
verschwindet die weibliche Anmut.“ Im selben Jahr verbot der Verband den
Frauenfußball – ein Bann, der bis 1970 hielt.
## Ein MANNschaftssport
Jahrzehnte später warb der damalige Präsident Theo Zwanziger für mehr
Akzeptanz von Homosexuellen im Fußball und proklamierte: „Wir sind offen
für Schwule und Lesben und möchten, dass sie Fußball spielen wie alle
anderen auch.“ Doch er übersah: Die Diskriminierung beginnt für die Frauen
beim Betreten des Rasens, nicht erst beim Coming-out. Spielerinnen sind
Eindringlinge in eine Männerdomäne.
„Fußball ist ein MANNschaftssport, der sich auch in Abgrenzung zu Frauen
entwickelt hat“, sagt die Soziologin Nina Degele. Sie hat sich unter
anderem in der Studie „Hetero, weiß, männlich? Fußball ist mehr!“ für d…
Friedrich-Ebert Stiftung mit dem Thema auseinandergesetzt. „Wenn Männer
unter sich sind, dann geht es darum, Männlichkeit zu kultivieren.“ Frauen
seien im Umkehrschluss die, „die nicht machen, was Männer machen“. Eine
Frau spielte nicht Fußball und habe Sex mit Männern. Homosexualität ist in
dieser Logik die Konsequenz.
Die Ableger dieses Frauenbildes treiben im Fußball noch heute:
„Hetero-Frauen müssen aufpassen, dass sie nicht als Lesben abgestempelt
werden, weil sie Fußball spielen“, sagt Bettina Dietmann-Winter vom
schwul-lesbischen Verein Team München.
„Überall, wo ich hinkomme, werde ich gefragt, wie viele Lesben wir im Team
haben. Das nervt unglaublich“, sagt die 24-jährige Louise, Hobby-Kickerin
vom Bodensee. „Das ist Sexismus, getarnt als Toleranz.“ Wo der
Frauenfußball, verglichen mit seinen männlichen Kollegen, aufgeklärt
daherkommt, verbergen sich also doch nur Geschlechterklischees.
## Nackt im „Playboy“
Auch Werbung verlangt nach klassisch weiblicher Schönheit nach Hetero-Norm.
Seit der Sport es in die großen Stadien geschafft hat, prangen
Sponsorennamen auf Trikots, und Nationalspielerinnen werden zu Werbeikonen
auf Hochglanzpapier. Professionalisierung führt zu Kommerzialisierung.
„20elf von seiner schönsten Seite“ lautete das Motto der WM 2011, und ganz
Fußball-Deutschland bekam „seine Mädchen“ halb nackt im Playboy zu sehen.
„Der Frauenfußball hat in den vergangenen Jahren eine gesellschaftliche
Aufwertung erfahren. Diese Popularisierung ist aber mit der Verschärfung
von Weiblichkeitszwängen verbunden“, sagt die Soziologin Degele.
Werbeverträge im Tausch gegen knappe Höschen. „Es ist eine doppeldeutige
Anerkennung, um nicht zu sagen, es ist eine Verarsche“, stellt Degele fest.
Nicht jede Spielerin muss damit ein Problem haben. Vermarktung ist Teil des
Geschäfts. Doch Coming-outs im Profibereich können dadurch schwerer werden
und Sponsoren vergraulen. Die Branche will Frauen, die sich verhalten und
aussehen wie „echte Frauen“. So, wie Männer sie sich vorstellen. Die
Männer, die glauben, Fußball sei nichts für Frauen.
## Doppelt unerwünscht
„Frauenfußball ist so viel mehr: Leidenschaft, die Liebe zur Bewegung, Spaß
– und Emanzipation“, sagt Tanja Walther Ahrens. „Bei der WM 2011 waren al…
darauf fokussiert, aus dem Frauenfußball einen heterosexuellen Sport zu
machen. Das war ihnen so wichtig – das war schon fast peinlich.“ Damals
arbeitete die Exspielerin von Turbine Potsdam für die DFB-Kommission
„Nachhaltigkeit“. Ihre Aufgabe: der Kampf gegen Homophobie und Sexismus.
Diese endete im Oktober, die Kommission wurde auf dem DFB-Bundestag
aufgelöst.
Rückblickend sagt Walther-Ahrens, dass ihr dort die Lobby fehlte. Das Thema
Homosexualität sei im Verband unpopulär: „Wenn man dann auch noch aus der
Randsportart Frauenfußball kommt, ist man doppelt unerwünscht.“ Frauen
bleiben der Tabubruch im Fußball. Egal, ob sie Männer oder Frauen lieben.
27 Jan 2014
## AUTOREN
Lan-Na Grosse
Ferdinand Otto
## TAGS
Homophobie
Sexismus
Frauenfußball
Coming-Out
Thomas Hitzlsperger
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Fußball
Serena Williams
Frauen-Bundesliga
Fußball
WM 2014
DFB-Pokal
DFB-Pokal
Ultras
Frauenfußball
Thomas Hitzlsperger
Homosexualität im Profisport
Fußball
Fußball
FC Bayern München
Thomas Hitzlsperger
Thomas Hitzlsperger
Schwul
Thomas Hitzlsperger
Baden-Württemberg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kleiderordnung beim Frauen-Tennis: Sport-BHs und Cat Suits verboten
Bei den US-Open wurde eine Spielerin verwarnt, weil sie sich auf dem Platz
umzog. Und auch Serena Williams werden Vorschriften gemacht.
Ex-Profi über Homophobie im Fußball: „Das kann krank machen“
Die Ex-Bundesligaspielerin Friederike Wenner hatte ihr Coming-Out mit 20.
Später hörte sie mit dem Fußball auf – das Umfeld war zu lesbenfeindlich.
Silvia Neids WM-Analyse: Die Rumpelfußballerinnen
Bundestrainerin Neid stellt ihren Spielerinnen kein gutes Zeugnis aus. Auch
in der Bundesliga klagt man über die mangelnde Qualität.
Frauenfußball am Rande der WM: Es ist auch ihr Sport
Die Fußballweltmeisterschaft der Herren ist ein gigantisches Männerevent.
Nicht ganz: Eine kleine Berliner Initiative kämpft in Rio de Janeiro für
den Frauenfußall.
DFB-Pokal der Frauen: Frankfurt kann's noch
Nach drei Jahren ohne Titel haben die Frankfurter Fußballerinnen den
DFB-Pokal gewonnen. Beim Sieg gegen Essen wurde der Rekordsieger nicht
wirklich gefordert.
DFB-Pokalfinale der Frauen: „Wir können die Leute nicht zwingen“
Noch findet das Endspiel um den DFB-Pokal der Frauen in Köln statt. Zur
festen Größe im Sportkalender ist das Finale der Fußballerinnen nicht
geworden.
Gewalt gegen Fußballfan in Schweden: Ultra von Rechten ins Koma geprügelt
Rechtsextreme Schläger verletzen einen Fan des Fußballclubs Malmö FF
schwer. Die Tat ist politisch motiviert, das Opfer ist linker Aktivist.
Frauenfußball in Schweden: Tyresö auf Talfahrt
Die einstmals beste Liga der Welt kämpt gegen Zuschauerschwund und
Finanzlöcher. Besonders betroffen ist der der Klub der Weltfußballerin
Marta.
Homophobie im Sport: Rugby unterm Regenbogen
Die Männer der Berlin Bruisers lieben Dreck, Schweiß und Tacklings – und
kämpfen als erstes schwules Rugbyteam Deutschlands gegen Homophobie und
Vorurteile.
Carolin Emcke über Homophobie: „Wieso bin ich nicht heterosexuell?“
Eltern sollten sich für ihre Kinder nur wünschen, dass sie glücklich
werden, sagt die Journalistin Carolin Emcke. Ein Gespräch über sexuelle
Identität und Menschenrechte.
Homosexualität im Frauenfußball: „Ich war doppelt unerwünscht“
Ex-Bundesligaspielerin Tanja Walther-Ahrens engagiert sich seit Jahren
gegen Homophobie und Sexismus im Fußball. Genauso lange wartet sie schon
auf Besserung.
Sonntagsspiele Fußball-Bundesliga: Nur Schalke jubelt
Werder Bremen und Braunschweig trennen sich torlos. Hamburg ist nach der
Niederlage gegen Schalke auf den Relegationsplatz gerutscht.
Wolfsburg unterliegt Hannover: Ganz nett reicht nicht
Hannover 96 hat das schnelle Konterspiel wiederentdeckt und feiert den
ersten Auswärtssieg der Saison. Und das beim Champions-League-Aspiranten
Wolfsburg.
Fußball-Bundesliga: Müder Bayern-Sieg
Die Gladbacher verloren das Auftaktspiel der Bundesliga-Rückrunde gegen den
FC Bayern München. Ein Fußballfest war die Partie aber nicht.
Anleitung Reden über schwule Fußballer: Der Yeti auf dem Platz
Nun wissen wir nicht nur, sondern können auch beweisen: Es gibt schwule
Profi-Fußballer. Aber wie reden wir am besten über sie? Das taz-Abc hilft.
Thomas Hitzlspergers Medienstrategie: Alles unter Kontrolle
Hitzlsperger hat sein Coming-out generalstabsmäßig durchgeplant. Das zeigt:
Sportler und Klubs sind Berichterstatter in eigener Sache.
Homophobie im Fußball: „Nicht wirklich willkommen“
Schwule Fußballamateure fühlen sich oft unwohl im heterodominierten
Klubumfeld. Und so gründen sie ihre eigenen Vereine.
Schwuler Fußballprofi Robbie Rogers: Der kalifornische Traum
Robbie Rogers ist Mittelfeldspieler bei LA Galaxy. Er hat sich geoutet. Der
smarte US-Amerikaner hat das Zeug zum glamourösen Vorbild.
Homosexualität an Schulen in BaWü: Die Angst vor der Klasse
Lehrer Peter F. ist beliebt. Doch keiner weiß, dass er schwul ist. Es ist
weniger die Reaktion der Kinder, die er fürchtet - es sind ihre
evangelikalen Eltern.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.