# taz.de -- Frauenfußball am Rande der WM: Es ist auch ihr Sport | |
> Die Fußballweltmeisterschaft der Herren ist ein gigantisches Männerevent. | |
> Nicht ganz: Eine kleine Berliner Initiative kämpft in Rio de Janeiro für | |
> den Frauenfußall. | |
Bild: Brasilianische Fußballerinnen in Manaus. | |
RIO DE JANEIRO taz | Moya Dodd steht hier einsam am Rand, heute in lässigen | |
Klamotten, und sieht etwas verloren aus. Hier am Cinelândia, dem Platz im | |
Stadtzentrum von Rio de Janeiro, ist Sonntags einfach nichts los. | |
Eigentlich könnte ihr Chauffeur sie längst schon zu einem der fein | |
dekorierten Fifa-Empfänge kutschieren oder ins Hotelzimmer oder zu einem | |
der vielen Sponsoren-Meetings in Rio de Janeiro. Moya Dodd ist Mitglied des | |
Fifa-Exekutivkomitees, dem vielleicht mächtigsten Gremium des | |
internationalen Fußballs und sie ist eine Frau – eine von dreien, die in | |
diesem Männergremium überhaupt mit am Tisch sitzen dürfen. | |
Vor ihr, auf den schwarz-weißen Pflastersteinen spielen 14 Frauen in roten | |
Trikots eine improvisierte Version von Straßenfußball, ein paar | |
Plastiklatschen markieren die Torpfosten. Ihr Ball ist pink und wenn gleich | |
die zweite Halbzeit ihrer kleinen Protesteinlage beginnt, dann werden sich | |
die Frauen Klebeband vor die Münder kleben, nur durch die Nasen atmen und | |
ein stilles Spiel präsentieren. Sie wollen nichts mehr sagen, nein, anders: | |
Sie wollen zeigen, dass sie kaum zu hören sind. | |
Deswegen steht Moya Dodd, die langjährige Nationalspielerin Australiens und | |
vielfache Verbandsfunktionärin, ja heute hier am Spielfeldrand und schaut | |
den Mädels zu. Wenigstens sie ist gekommen: Während das weltgrößte | |
Männerspektakel in Brasilien vor dem krönenden Abschluss steht, sind | |
immerhin auch ein paar Frauen angerückt, die darauf hinweisen, dass Fußball | |
auch ihr Sport ist. Oder dass er es zumindest sein könnte. | |
Hier in der oft sehr konform wirkenden Öffentlichkeit der brasilianischen | |
Strandmetropole wirkt dieser Kreuzberger Chique, wirken die punkigen | |
Frisuren, die Nasenringe der hellhäutigen Frauen fast etwas | |
gewöhnungsbedürftig. Doch es sind vor allem Frauen aus Berlin, die diese | |
Einlage hier präsentieren. Gemeinsam mit einigen Frauen, die sie aus Kenia, | |
aus dem Iran und Brasilien dazugeladen haben, diskutieren sie hier einige | |
Tage über ihre Perspektiven im Hinblick auf den Ballsport: Es geht um | |
Geschlechterstereotype, Autonomie von Mädchen und Frauen, um Ungleichheit | |
und die Möglichkeit für alle, sich am Fußball zu beteiligen. | |
Discover Football lautet der Slogan – und der Name der Berliner | |
Organisation, die sich in den vergangenen Jahren nach und nach zu einer | |
lauter werdenden Lobbyorganisation für Menschenrechte und Frauenfußball | |
gemacht hat. Heute finanzieren das Auswärtige Amt und das deutsche | |
Bundesinnenministerium ihre Reisen ins vermeintliche Land des Fußballs, | |
Brasilien, mit. In den kommenden Tagen wollen die Frauen in verschiedenen | |
brasilianischen Comunidades mit Mädchen kicken gehen, ihnen sagen, dass | |
auch sie Platz haben: Auf dem Feld. | |
## Mit dem Fußball zum selbstbestimmten Leben | |
Beatriz Vaz e Silva ist eine der Frauen, die es in dieser Welt schon weit | |
gebracht haben. Die 28-Jährige läuft im rechten Mittelfeld beim | |
brasilianischen Erstligisten Fundesport Araraquara auf, einem Verein aus | |
dem Landesinneren des Bundesstaates São Paulo. Aber heute spielt sie auch | |
hier mit, in diesem etwas verlorenen Szenario, bei dem kaum Zuschauer | |
anwesend sind. | |
Zweimal wurde Vaz e Silva schon brasilianische Fußballmeisterin, neulich | |
durfte sie mit der Nationalmannschaft Brasiliens mit nach Neuseeland | |
fliegen. Sie kam zwar nicht zum Einsatz, aber eines hat sie inzwischen | |
geschafft: 2.000 Reais, das sind rund 670 Euro, erhält sie inzwischen pro | |
Monat dafür, für ihre Mannschaft aufzulaufen. | |
„Der Weg in den Profifußball kann für brasilianische Frauen nicht der Weg | |
in den Reichtum sein, so wie es für einige brasilianische Männer der Fall | |
war“, sagt sie. „Aber es kann der Weg in ein gutes Studium sein, der Weg in | |
ein selbstbestimmtes Leben.“ Sie selbst bekommt neben ihrem Gehalt, das in | |
Brasilien keine großen Sprünge zulässt, die Hochschule finanziert. Nach | |
ihrer Ausbildung zur Physiotherapeutin sattelt sie nun einen | |
Business-Studiengang drauf. | |
Aber natürlich kennt sie all das: Die dummen Macho-Sprüche vom | |
Spielfeldrand, die Vorbehalte, die ihre Nachbarjungs ihr damals | |
entgegengehalten haben, als sie mitspielen wollte. „Heute haben die meisten | |
dieser Jungs dicke Bäuche und freuen sich über meine Erfolge“, sagt sie. | |
Und das ist es auch, was sie den Mädchen auf den Straßen erzählen will. | |
Dass Fußball auch ihr Sport sein kann. | |
Moya Dodd, die mit dem australischen Nationalteam bei der Weltmeisterschaft | |
der Frauen 1998 Brasilien mit 1:0 bezwang, predigt das seit Jahrzehnten. | |
Sie selbst ist eine Gewinnerin, eine Seltenheit in einem Männerverband wie | |
der FIFA. Jetzt steht sie hier verlassen und freut sich, dass die | |
Berlinerinnen da sind und die anderen. Gleich ziehen sie weiter an die | |
Copacabana, Protestfußball spielen, vielleicht ist da mehr los. | |
13 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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