# taz.de -- Homophobie in Russland: „Sport ist immer politisch“ | |
> Die Frauenfußball-Initiative Discover Football wollte bei den Open Games | |
> in Moskau Sport treiben. Stattdessen wurde sie schikaniert, sagt | |
> Mitarbeiterin Pia Mann. | |
Bild: Russische Soldaten auf der Krim: Wenn das Putins Sittenwächter sehen. | |
taz: Frau Mann, wie sind Ihre Eindrücke von den ersten Open Games in | |
Moskau? | |
Pia Mann: Wir sind froh, an der Veranstaltung teilgenommen zu haben. | |
Trotzdem gab es einige Dinge, die sehr verunsichernd und erschreckend | |
waren. Es ist komisch, die Repression am eigenen Leib zu spüren. Natürlich | |
weiß man von den Propagandagesetzen in Russland – aber jetzt haben wir | |
gemerkt, was sie bedeuten. | |
Was genau ist passiert? | |
Als wir ankamen, bekamen wir als Erstes die Information, dass alle | |
Sportstätten und Hotels gecancelt wurden. Da scheint es Druck von | |
offizieller Seite gegeben zu haben. Die Organisator_innen haben dann neue | |
Hostels und neue Sportanlagen aufgetrieben. Und so ging es eigentlich die | |
ganze Zeit: Wenn sich ein neuer Ort gefunden hatte, behauptete die Polizei, | |
es gebe technische Probleme oder eine Bombendrohung, daher könne an dem Ort | |
nichts stattfinden. Es war irgendwann klar, das sind nur Vorwände. Vor | |
diesem Hintergrund ist es umso bemerkenswerter, als die Organisator_innen | |
es geschafft haben, die Spiele trotz allem stattfinden zu lassen. | |
In einer Sporthalle gab es aber wirklich eine Rauchbombe, wie man anhand | |
Ihrer Facebook-Postings sah. | |
Kurz nachdem unser Team die Sportstätte verlassen hatte, wurde die | |
Rauchbombe aus dem Zuschauer_innenraum geworfen. Unmittelbar danach war die | |
Polizei vor Ort, um die Personalien aller Anwesenden aufzunehmen. An einem | |
anderen Tag gab es eine weitere Bombendrohung und Räumung der Sporthalle, | |
direkt nachdem die niederländische Sportministerin Edith Schippers und der | |
ehemalige niederländische Fußballnationalspieler Aaron Winters abgereist | |
waren. Sobald es internationale Aufmerksamkeit von offizieller Seite gab, | |
hielt die Polizei sich immer zurück und wartete, bis die weg waren. | |
Erstaunlich fand ich, dass die Organisatoren und Organisatorinnen immer | |
wieder neue Ersatz-Locations aufgetan haben. | |
Haben Sie denn überhaupt noch Sport getrieben in Moskau? | |
Ja, es gab schon jeden Tag noch Wettkämpfe und Workshops, die nur oft nicht | |
in voller Länge stattfinden konnten. Bei einer Konferenz in einem Saal | |
eines Hotels ging zum Beispiel einfach das Licht aus. Wir haben erst | |
weitergemacht und uns mit Smartphones geleuchtet. Eine Viertelstunde später | |
kam aber die Ansage, dass wir das Hotel verlassen sollen. | |
Gehen Sie davon aus, dass alle Störungen von Regierungsseite initiiert | |
wurden? | |
Von wem genau, ist schwierig zu beurteilen. Fakt ist, dass jeden Tag | |
irgendwann Polizisten kamen und Veranstaltungen beendet haben. Es gab dann | |
aber auch schöne Momente der Solidarität. Als die Polizisten eine Halle zum | |
Schlittschuhlaufen geräumt haben, sind wir alle als Zeichen des zivilen | |
Ungehorsams noch eine Runde zusammengelaufen. | |
Haben Sie von außen auch Solidarität erlebt? | |
Keine offensichtliche. Aber ich spreche auch kein Russisch, ich konnte | |
nicht verstehen, was die Leute sagen. Einmal haben die Polizisten beim | |
Räumen einer Halle gesagt, sie hätten einen Anruf von Leuten gekriegt, die | |
„strange-looking people“ gesichtet hätten. Aber auch das kann natürlich | |
eine erfundene Begründung gewesen sein. | |
Glauben Sie, die Veranstalter_innen vor Ort müssen sich jetzt fürchten? | |
Die sind im Vorfeld ja schon kriminalisiert und schikaniert worden. Es | |
wurde ihnen oft signalisiert, dass man sie unter Beobachtung hat. Mir wurde | |
nun erst klar, was das auch psychisch mit denen macht, unter welchem Druck | |
die stehen und warum manche Menschen unter solchen Umständen anfangen sich | |
selbst zu zensieren. Man hat schon gesehen, wie sehr es den Organisator, | |
den Eiskunstläufer Konstantin Yablotskiy, mitgenommen hat, wenn wieder eine | |
Sportstätte geräumt werden musste und er seinen Ausweis zeigen musste. | |
Warum war von deutscher Seite kein Funktionär von den Sportverbänden in | |
Moskau? | |
Das weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, ob jemand gefragt wurde. Aber es | |
gab keine Unterstützung von deren Seite. Ich denke, es würde Deutschland | |
gut zu Gesicht stehen, sich in solchen Angelegenheiten stärker zu | |
positionieren. | |
Welches sind nun unmittelbar nach der Reise Ihre Gefühle und Ihre | |
Schlussfolgerungen? | |
Es war auf jeden Fall eine sehr bewegende Reise. Ich verarbeite das gerade | |
erst. Ich glaube, dass es wichtig war, dorthin zu fahren. Es war in Teilen | |
beunruhigend und beängstigend. Es gab aber auch viele schöne und | |
verbindende Momente. | |
Können Sie sich vorstellen, dass es noch mal Open Games in Moskau geben | |
wird? | |
Das hoffe ich. Und da es ja nun trotz aller Widerstände diese Spiele gab, | |
wünsche ich mir, dass es weiterhin mutige Leute gibt, die so etwas auf die | |
Beine stellen. | |
Welches waren die schönen Momente in Moskau? | |
Ich hab zum ersten Mal Curling gespielt, das war lustig. Und für uns war | |
natürlich das Fußballturnier das Highlight, da haben einige von uns in | |
Mixed-Teams gespielt, das hat Spaß gemacht. | |
Was wollen Sie heute Abend im taz-Café diskutieren? | |
Die Open Games haben wieder gezeigt, wie politisch sportliche | |
Veranstaltungen sein können. Sport ist mehr als nur Wettkampf, Sport ist | |
immer auch politisch. Was vom Deutschen Olympischen Sportbund und vom | |
Deutschen Fußball-Bund gern behauptet wird – Sport und Politik hätten | |
nichts miteinander zu tun –, ist Quatsch. Das haben wir deutlich genug | |
gesehen. Diese Zusammenhänge werden wir diskutieren. | |
## ■ „Nach Sotschi ist vor Rio“: Am heutigen Mittwoch findet im taz-Café… | |
19 Uhr eine Diskussion über das politische Potenzial sportlicher | |
Großereignisse statt. Neben Pia Mann diskutieren unter anderen Christian | |
Ströbele und Gudrun Fertig Moderation: taz-Chefredakteurin Ines Pohl | |
5 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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