# taz.de -- Iranisches Frauen-Rugby-Team in Berlin: Spielen für die Freiheit | |
> 15 iranische Rugbyspielerinnen zu Besuch in Berlin: Beim Turnier mit | |
> örtlichen Rugbyclubs sollen die Frauen voneinander lernen. | |
Bild: Iranische Rugby-Spielerinnen beim Training in Berlin | |
Parissa Grawandi redet schnell, das Gesicht nass vom Regen, die kalten | |
Hände dicht am Feuer. „Rugby ist ein aufregendes Spiel“, sagt die iranische | |
Spielerin, „wir lieben den Sport, er gibt uns so viel Adrenalin.“ Der | |
Dolmetscher kommt kaum nach mit der Übersetzung; dann gibt es Aufregung, | |
eine iranische Teamkollegin hat sich die Nase gebrochen, Berufsrisiko. Eis, | |
bitte. | |
Starke Böen und Nieselregen gehen auf den Platz am Stadion Buschallee in | |
Berlin-Hohenschönhausen runter. Einige Leute drängen sich um das Feuer nahe | |
der Glühweinbude. Es ist schweinekalt. Auf dem Platz nebenan rennen, | |
fallen, krabbeln abwechselnd und unermüdlich vier Rugby-Teams über den | |
Rasen. Zwei Berliner Teams, eines aus Potsdam, und die U22-Frauenauswahl | |
des Iran. | |
## Sportliche Begegnung | |
Sie haben ein bisschen Presse angezogen, wenn auch deutlich weniger als | |
beim Gastspiel eines iranischen Frauenfußballteams im Sommer. „Wenn wir | |
erzählen, dass wir gerade eine iranische Frauen-Rugbymannschaft hier haben, | |
sagen die meisten Leute nur: Ihr habt gerade was?“, erzählt Alina Waltke | |
vom Verein Bürger Europas, der das Gastspiel organisiert. „Dass es im Iran | |
Frauen-Rugby gibt, haben die meisten noch nie gehört.“ | |
Waltke und ihre Kollegin Lisa Gehlhaar allerdings auch nicht: Ihr Verein | |
sei erst durch eine ZDF-Doku auf iranisches Frauenrugby gestoßen. Sport sei | |
gar nicht ihr Ding, sagt Gehlhaar, und Waltkes Ding ist es auch nicht. | |
Normalerweise organisiert Bürger Europas vor allem kulturellen Austausch | |
zwischen Jugendlichen verschiedener Länder. Die Sportbegegnung mit den | |
Iranerinnen ist ein Novum. | |
Eine Woche verbringen die Iranerinnen in Berlin, natürlich nicht ohne | |
politischen Hintergedanken. Frauensport, bis 1990 im Iran völlig verboten, | |
ist immer noch ein Minenfeld: Die Frauen dürfen nur in geschlossenen Räumen | |
oder verhüllt trainieren; auch jetzt tragen die Iranerinnen erwartungsgemäß | |
lange Ärmel, hochgezogene Stutzen und Kopftücher. | |
Männliche Zuschauer aber scheinen, anders als bei den Fußballerinnen, kein | |
Problem. „Sie sagen, dass sie auch im Iran vor gemischtem Publikum spielen | |
würden“, so Waltke. „Die Mädels sind alle total aufgeschlossen, auf keinen | |
Fall schüchtern.“ In Sachen Sportpolitik werden die Gespräche trotzdem | |
undurchsichtig. „Es war bislang schwierig, politische Themen | |
unterzubringen“, so Gehlhaar. „Das wird sehr nichtssagend beantwortet. Die | |
haben schon ihre Vorgaben von zu Hause.“ | |
Und auch ihre Begleitung. Am Feuer steht den ganzen Abend ruhig eine in | |
Schwarz gehüllte Frau, eine Sittenwächterin. Zwei weitere | |
Sittenwächterinnen folgen den jungen Frauen überall hin. Der Dolmetscher | |
berichtet, es sei auch für ihn sehr schwierig, sich mit den Spielerinnen | |
tiefgehend zu unterhalten – das Eis sei dünn, die Sittenwächterinnen | |
aufmerksam und selbst unter Druck. Wie viel also kann bei der Begegnung | |
rumkommen? | |
„Was die Spielerinnen hier sehen, ist schon sehr anders“, sagt Gehlhaar, | |
„Ich glaube, sie nehmen auch ohne große politische Gespräche viel mit.“ | |
Eine Woche lang besuchen die Iranerinnen Sportveranstaltungen und | |
Sehenswürdigkeiten. „Wir fanden es fantastisch, wie die Berliner uns | |
aufgenommen haben“, erzählt die Spielerin Grawandi am Lagerfeuer, und sie | |
klingt ehrlich enthusiastisch. Schloss Sanssouci habe die Mädels umgehauen. | |
Grawandi kam mit 16 Jahren zum Rugby. „Ich hab den Sport im Fernsehen | |
gesehen. Dann haben Freundinnen mich zum Training mitgenommen. Frauen-Rugby | |
im Iran ist groß, es wächst ständig.“ 2004 gab es die ersten Spielerinnen. | |
Sie kämpften mit massiven Hürden, wie die neuseeländische Dokumentation | |
„Salam Rugby“ zeigt: Der erste männliche Trainer der Frauenauswahl wurde | |
aus dem Job geklagt, zwischenzeitlich schien es, als wolle die Regierung | |
den Sport ganz einfrieren. | |
Derzeit ist die Lage besser: Die Frauen bestreiten offizielle Länderspiele | |
in Asien; laut Hassan Mirzadehbeyk, Präsident des iranischen | |
Rugbyverbandes, spielen rund 2.000 Frauen Rugby. „Im Iran ist Sport zurzeit | |
angesagt, vor allem bei den Frauen. Sie versuchen, aus ihren Möglichkeiten | |
das Beste zu machen.“ In einem repressiven System scheint Sport für viele | |
eine Form, sich auszuleben. | |
## „Feuer unterm Hintern“ | |
Mirzadehbeyk berichtet, im Iran werde schon in den Kindergärten und Schulen | |
Tag Rugby gespielt, eine Variante ohne Körperkontakt. „Damit wollen wir den | |
Eltern die Angst nehmen.“ Er erwähnt nur Angst vor Verletzungen, keine | |
moralischen Sorgen. Wie frei die Frauen wirklich spielen können, lässt sich | |
auch nach dem Abend schwer beantworten. Der Präsident jedenfalls sieht sein | |
Land in der Vorreiterrolle. „Viele muslimische Länder haben jetzt | |
Interesse, Frauen zu Turnieren zu schicken. Weil sie gesehen haben, dass | |
Iranerinnen auf internationaler Ebene spielen, ist das ein Anreiz.“ | |
Die Iranerinnen haben schnell aufgeschlossen; beim Turnier beeindrucken sie | |
mit nur einer Niederlage, gegen Gastgeber und Turniersieger RK 03 Berlin. | |
Und mit Coolness. „Alle Leute, die der Mannschaft hier begegnen, sind | |
überrascht“, sagt Lisa Gehlhaar. „Die Mädels haben schon Feuer unterm | |
Hintern.“ | |
Das sei auch für die Deutschen eine Möglichkeit, ihren Horizont zu | |
erweitern. „Die Leute sollen die muslimische Frau nicht als homogene Masse | |
in der Opferrolle sehen. Sondern merken, dass es Menschen mit Ideen und | |
Träumen sind. Einfach Mädels, die Rugby spielen und Spaß haben.“ Wenn die | |
Finanzierung klappt, ist im kommenden Jahr ein Rückspiel im Iran geplant. | |
6 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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