# taz.de -- Kolumne Erste Frauen: „Girlies“ Ritt durch die Männerwelt | |
> Zu Lebzeiten war es Wilhelmena Smith verboten, eine Jockeylizenz zu | |
> erwerben. So verkleidete sie sich als Mann und wurde zur Berühmtheit. | |
Bild: Ein Pferderennen in Hannover | |
Obwohl das Reiten schon zu Zeiten von Kaiserin Sisi als für Damen geeignete | |
Freizeitbeschäftigung galt, dauerte es bis 1979, bis Frauen eine | |
Jockeylizenz erwerben durften. | |
Da war Wilhelmena „Bill“ Smith (1886–1975) schon tot. Und ihre Geschichte | |
wäre nie bekannt geworden, wenn das damals in Australien geborene kleine | |
Mädchen nicht im Alter von 88 Jahren schwer krank in ein Hospital | |
eingeliefert worden wäre. Die Krankenschwestern stellten schnell fest, dass | |
der vermeintliche Patient in Wirklichkeit eine Patientin war – und von | |
einem ungewöhnlichen Leben erzählen konnte. | |
Die Familie Smith, die aus England nach Australien gekommen war, lebte auf | |
einer Farm, der Vater hatte dort eine Anstellung als Pferdepfleger | |
gefunden. Wilhelmena gefiel es dort sehr, aber nach einigen Jahren starb | |
ihre Mutter. Der Vater, erinnerte sie sich später, habe sich nicht allein | |
um sie kümmern können und sie deswegen in ein Waisenhaus gegeben. | |
Dort mussten die Kinder schwer arbeiten. Im Alter von 16 oder 17 Jahren, so | |
genau erinnerte sie sich als alte Frau nicht mehr, hatte Wilhelmena genug | |
und haute gemeinsam mit einer Freundin ab. Kaum in Freiheit, entschied sie, | |
dass sie fürs Leben genug Hausarbeit gemacht hatte. Kurz entschlossen | |
nannte sie sich Bill, verkleidete sich als Mann und bekam tatsächlich | |
schnell ihren ersten Job auf einem Linienschiff. Später arbeitete sie in | |
einer Brauerei und einer Mine – und entdeckte ihre Liebe zu Pferden wieder. | |
## Ihr Leben hing davon ab, ein Mann zu sein | |
Zunächst heuerte Wilhelmena-Bill in einem Rennstall als Pfleger an, später | |
erwarb sie die Jockey- und die Trainerlizenz. In den 40ern und 50ern war | |
Bill Smith auf den Rennstrecken von Queensland eine Berühmtheit – der | |
allerdings nicht alle abnahmen, dass sie wirklich ein Mann war: Die | |
Jockeykollegen verpassten ihr den Spitznamen „Girlie“, weil sie sich nach | |
den Rennen nie mit ihnen duschte und immer schon fertig umgezogen auf der | |
Bahn erschien. | |
Linde Allendorf, der Anfang der fünfziger Jahre mit Smith konkurrierte, | |
erinnerte sich kürzlich in einem Interview mit dem australischen | |
Fernsehsender ABC, dass das große Geheimnis nach einem Sturz fast gelüftet | |
worden war: „Als die Sanitäter ihr gerade den Blouson ausziehen wollten, | |
setzte sie sich plötzlich auf.“ Die Rennsportwelt von Queensland sei | |
ziemlich überrascht gewesen, als bekannt wurde, dass Bill in Wirklichkeit | |
Wilhelmena war, sagte Allendorf. „Ein Geheimnis so lange zu bewahren, und | |
das, während man so hautnah mit anderen Menschen zu tun hat, das ist schon | |
beachtlich.“ | |
Obwohl Wilhelmena nach Schilderungen von Menschen, die sie zeitlebens | |
kannten, zurückgezogen lebte, hatte sie doch auch Freunde. Bill Jessop, | |
heute 87 Jahre alt, war ein kleiner Junge, als der Jockey Bill in seinem | |
Elternhaus ein und aus ging. Ein stiller Mensch sei das gewesen, erinnerte | |
er sich gegenüber CNN, der sehr gut mit Pferden umgehen konnte, „er hatte | |
einen Hengst, der dauernd buckelte“. Nein, geahnt, dass Bill eine Frau war, | |
habe er nie, „sie war ziemlich überzeugend, sie trug immer einen kleinen | |
grauen Hut und einen Anzug, wenn sie uns besuchte. Und darunter eine ganz | |
enge Weste.“ | |
Der Autor Ivan Searson hat Smiths Biografie erforscht und fasst sie so | |
zusammen: „Sie entwarf ihr eigenes Leben, und dieses Leben hing davon ab, | |
dass sie ein Mann war.“ | |
28 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Elke Wittich | |
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