| # taz.de -- Streik im deutschen Rugby: Streit ums Ei | |
| > Deutschlands Rugby-Auswahl verliert gegen Chile. Kein Wunder. Weil der | |
| > Verband mit seinem Mäzen zerstritten ist, hatten alle Stammspieler | |
| > abgesagt. | |
| Bild: Die Kapitäne Michael Poppmeier (li.) und Sean Armstrong bei einer Presse… | |
| Offenbach taz | Als Rafael Pyrasch letzte Woche per Telefon die Einladung | |
| zum Länderspiel der 15er-Auswahl des Deutschen Rugby-Verbandes (DRV) gegen | |
| Chile erhielt, sei er schon verwundert gewesen, erzählte der 31 Jahre alte | |
| Routinier nach der 10:32-Niederlage gegen die Südamerikaner am Samstag in | |
| Offenbach. Pyraschs letzte Nominierung liegt lange zurück, im Sommer führte | |
| er als Spielertrainer die SG Odin/Döhren in die Erste Bundesliga. Am | |
| Samstag aber fungierte der Gedrängehalb noch einmal als Kapitän der | |
| Deutschen 15. Er sei froh über den glimplichen Ausgang, sagte Pyrasch: | |
| „Aber es ist eine Ehre, das deutsche Trikot zu tragen.“ | |
| Das musste betont werden an diesem denkwürdigen Tag für das Deutsche Rugby | |
| auf dem Bieberer Berg in Offenbach. Das 15er-Rugby erlebte in den letzten | |
| Jahren einen Aufschwung, das große Ziel, die erstmalige Teilnahme an einer | |
| WM, schien keine Utopie mehr. Aber seit letzter Woche ist wieder alles ganz | |
| anders. | |
| Gegen Chile trat die 15 des DRV mit einer Notauswahl an, bestehend aus dem | |
| aktuellen Kader der 7er-Nationalmannschaft und einigen Bundesligaspielern, | |
| trainiert von den Coaches des 7er-Nationalteams. Die besten Spieler des | |
| Landes, die die vorangegangenen Novembertests gegen Brasilien und die USA | |
| noch bestritten hatten, boykottierten die Partie in Offenbach. | |
| Nach dem Kampf am vorvergangenen Samstag in Wiesbaden gegen die USA hatten | |
| die Kapitäne Michael Poppmeier und Sean Armstrong ihre Unzufriedenheit mit | |
| der Verbandsführung zum Ausdruck gebracht und dann im Verlauf der Woche den | |
| Streik angekündigt, den sie schließlich durchzogen. „Ein einmaliger Vorgang | |
| in der Geschichte des deutschen Rugbys“, klagt DRV-Präsident Klaus Blank | |
| über diesen Eklat. | |
| ## Ungeklärte Vermarktungsrechte | |
| Hintergrund der bizarren Entwicklung ist ein seit rund anderthalb Jahren | |
| schwelender Streit zwischen dem DRV und der Wild Rugby Academy (WRA) sowie | |
| der Gesellschaft zur Förderung des Deutschen Rugby Sports (GFR) des | |
| Heidelberger Unternehmers und Mäzens Hans-Peter Wild (Capri-Sun), der nun | |
| eskalierte. Alle etatmäßigen 22 Nationalspieler sowie die sechs Trainer der | |
| 15er Auswahl des DRV sind bei der WRA angestellt. Am Samstag stand kein | |
| einziger von ihnen auf dem Platz. | |
| Wild ist der größte Förderer des Rugbysports im Land, mindestens 10 | |
| Millionen Euro investierte der 76-jährige Milliardär in die WRA in | |
| Heidelberg. Einen Kooperationsvertrag mit dem DRV verlängerte der | |
| Unternehmer im Sommer aber nicht, für die drei Spiele in diesem November | |
| schien die Abstellung der Spieler und des Trainerteams aber geklärt. Doch | |
| letzte Woche kündigte die Wild-Seite auch diese Vereinbarung. Es geht um | |
| Vermarktungsrechte. | |
| Wilds Fördergesellschaft GFR wurde mit der Absicht gegründet, das | |
| 15er-Nationalteam zu vermarkten. Doch dies will der Verband durch seine | |
| (bislang wenig erfolgreiche) Marketing GmbH selbst machen. Eine erneute | |
| Kooperation mit dem DRV ließ Wild im Sommer platzen, auch weil der Verband | |
| einen unterschriebenen Vertrag nach der vereinbarten Frist zurückgeschickt | |
| hatte. | |
| Fördergelder des Bundes fließen nur in die 7er-Variante des Sports, weil | |
| diese olympisch ist. Wild aber wollte, dass sich der Verband voll auf die | |
| 15er-Förderung konzentriert. Der frankophile Rugbymäzen ist Besitzer des | |
| Top-14-Klubs Stade Français in Paris. Als Sportdirektor in Paris und auch | |
| als Sportlicher Leiter der WRA in Heidelberg fungiert die deutsche | |
| Rugbylegende Robert Mohr. Der hatte am letzten Dienstag erklärt, „dass sich | |
| die Spieler alleingelassen fühlen, da der Vorstand den Hauptsponsor | |
| Hans-Peter Wild verprellt“ habe. Von unprofessionellen Strukturen in | |
| Ausstattung und Betreuung der 15er-Nationalmannschaft war die Rede. Der | |
| Streikskandal machte weltweit Schlagzeilen. | |
| ## Ratlosigkeit beim Verband | |
| Am Samstag in Offenbach äußerten sich DRV-Präsident Blank und | |
| Geschäftsführer Volker Himmer. Der nannte den Streik einen | |
| „wirtschaftlichen Frontalangriff“ auf den DRV. Wie etwaige Sponsoren auf | |
| diese Entwicklung reagieren, bleibt abzuwarten. DRV-Präsident Blank | |
| kündigte harte Sanktionen gegen „einige, aber nicht alle streikenden | |
| Spieler“ an. Sperren fordern offenbar auch die internationalen Verbände. | |
| Von denen habe der DRV, so Blank, wegen der Einflussmöglichkeiten eines | |
| einzelnen Sponsors auf die Nationalmannschaft „die Gelbe Karte gesehen“. | |
| In der Tat versuchte die Wild-Seite zuletzt Einfluss auf Verbandsbelange zu | |
| nehmen, bei der Sponsorensuche etwa. Der Eindruck ist sicher nicht falsch, | |
| dass die Wild-Seite mit dem Boykott einen Wechsel in der Verbandsführung | |
| forcieren wollte. Dort herrscht Ratlosigkeit über das weitere Vorgehen. | |
| Noch will sich DRV-Präsident Blank die Möglichkeit einer Einigung mit Wild | |
| offenhalten, vielleicht aber ist der „Punkt ohne Rückkehr“ (Geschäftsfüh… | |
| Himmer) bereits erreicht. | |
| Der DRV steckt in einem Dilemma, in das er sich durch die Abhängigkeit von | |
| Wild selbst hineinmanövriert hat. Das von beiden Seiten erklärte Ziel einer | |
| WM-Teilnahme scheint nun wieder so utopisch wie ein Weltmeistertitel im | |
| Fußball für die Auswahl Litauens. | |
| 26 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Schächter | |
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