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# taz.de -- Hitzlspergers Coming-out: Warum er ein Held ist
> Thomas Hitzlsperger ist schwul. Neben staatstragenden Gratulationen
> wächst die Erkenntnis, dass seine Message erhört wurde. Bloß welche?
Bild: Im Falle von Hitzlsperger ist das Outing mehr als nur eine persönliche A…
Selbst gewöhnliche Menschen, die wir im Zweifelsfall alle sind, würden
unter der Last dieser Gratulationen schier ersticken: Die öffentlichen
Reaktionen auf Thomas Hitzlspergers [1][Coming-out in der Wochenzeitung Die
Zeit] fielen überwältigend positiv aus.
Selbst aus dem Kanzlerinnenamt, übermittelt durch Regierungssprecher
Steffen Seibert, kam [2][gewogenste Resonanz]. Man fragt sich als
gewöhnlicher Homosexueller: Hat man bei irgendeinem anderen schwulen Mann
je gehört, dass man ihm nach seinem Coming-out fast schulterklopfend
anmachte: „Mensch, Klasse, krass, prima, finde ich einfach super, dass du
nicht auf Frauen stehst, sondern in einem prinzipiellen Sinne lieber mit
einem Mann dein Liebesleben teilen möchtest.“ Nein, eine solche Reaktion
ist nicht überliefert, von beinah niemandem.
Dass die Kinder schwul werden könnten, gehört nach wie vor zu den größten
Ängsten von Eltern, die um ihre dynastischen Hoffnungen bangen: Er soll
doch mal Enkelkinder bringen, der Kleine. Homosexualität ist wie eh und je,
auch in diesen liberalen Zeiten, eine persönliche Eigenheit, die niemand
freiwillig in sich tragen möchte.
Auf einem anderen Blatt steht derweil, dass der Prozess des Coming-outs die
Selbstakzeptanz erheblich steigert - das ist überhaupt der ganze Kern
dessen, was als Coming-out (und: Going-public) verstanden wird. Aber die
Gewöhnlichkeit des Homosexuellen ist noch längst keine.
## Heterosexualität als Ziel
Jüngst erst gründete sich in Baden-Württemberg eine [3][Art konservative
Basisinitiative], die sich sehr entschieden dagegen verwendet, wie es ein
Vorschlag der grün-roten Landesregierung formuliert, dass es im
Schulunterricht des Bundeslandes bessere, stärkere und überhaupt nicht
diskriminierende Aufklärung über Schwule und Lesben, Trans und Inter gibt.
Nein, allen Hitzlspergers zum Trotz: Schwules oder lesbisches Leben,
jedenfalls eines, das dem Mutter-Vater-Kind(er)-Schema zuwiderläuft,
möchten die Mitglieder dieser Initiative nicht vermittelt wissen.
Heterosexualität als pädagogisch fundiertes Ziel - das wollen sie. Dieser
Fall muss als Indiz für eine gewichtige Atmosphäre jenseits der - ja, so
muss es gesagt sein - glamourösen Performance des „Hammers“ Thomas
Hitzlsperger genommen werden: Die eigenen Kinder sollen aber bitte
weiterhin schön normal werden.
Der Fußballer selbst, dieser nicht mehr ganz so junge Mann, hat eine
Heldentat vollbracht. Aber was zählt, ist nicht sein Gespräch mit der Zeit,
das war lediglich die Voraussetzung. In einer [4][Videobotschaft] teilte
Hitzlsperger Mittwochnacht mit, für ihn und seine Familie ändere sich gar
nichts. Hörte man seine Stimme, klang das auch nicht wie eine Ausrede,
sondern wie eine coole Beschreibung dessen, was ist. Er ist ein
selbstbewusster Typus von schwulem Mann, den es jenseits bohemistischer
Zirkel einst nicht gegeben hat: Kein Künstler, sondern, im Bild des
Mainstreams gesehen, ein Kerl, der mitten in der zentralen
Männlichkeitsdisziplin (Fußball) verankert ist.
Er sagte in diesem Statement nämlich: „Homophobe haben jetzt einen Gegner
mehr.“ Das ist der Satz, der zählt. Hitzlsperger hätte es mit dem
Zeitungsgespräch belassen können. Aber er setzte nach. Teilte mit, er wolle
dazu beitragen, dass das Klischee vom schwulen Weichei nicht mehr fraglos
verwendet werden kann. Ihm sei es recht, gerade vor den Olympischen
Winterspielen in Sotschi sich zu outen, da doch in Russland selbst das
Sprechen über Homosexuelles strafrechtlich verfolgt werden kann. Und er
wolle etwas gegen das Machotum im Fußball tun.
## Im gesellschaftlichen Duschraum ausgerutscht
Das ist ein ziemlich fettes Programm für einen 31jährigen Mann – aber er
hegt diese Ambitionen, und es ist gut so, dass da einer nicht verdruckst
einräumt, nichts bekennt, nichts zugibt: Das Schwulsein des Thomas
Hitzlsperger ist politisch symbolisierbarer als vieles sonst im
Liberalisierungsbereich der „sexual otherness".
Dass jetzt viele so tun, etwa der Kollege Frank Lübberding in seinem Blog
[5][„wiesaussieht“], als kämpfe da die halbe liberale Welt und mit ihr
Thomas Hitzelsberger – auch die [6][Spiegel Online-Sportredaktion], die
spekuliert, es könne sich womöglich nur um eine PR-Aktion handeln – das ist
naiv. So sehr naiv, dass man es kaum glauben kann: Wenn es tatsächlich eine
performative Oberfläche, um diesen halbakademischen Ausdruck zu benutzen,
gab (ja: der Imperfekt ist jetzt gerechtfertigt), in der es
heterosexualisiert-lüstern um Schwanzlängen, Weiberflachlegephantasien und
Männerkörperrivalitäten ging, dann doch die des Fußballs.
Jedes Wochenende sowie an vielen Wochentagen in den Mannschaftskabinen: Da
tobt das raue Leben, das nicht das des Sexuellen ist, sondern das der
erotisiert aufgeladenen Kameraderie. Mit Thomas Hitzlsperger ist der
exklusive Zirkel der Machowelt so über die eigene Seife im
gesellschaftlichen Duschraum ausgeglitscht, dass es nur so eine Freude ist.
Thomas Hitzlsperger mag einen strammen Schuss gehabt haben. Der echte
Hammer ist sein Outing, ist sein smarter Tonfall, die ganze Chose als mehr
als nur eine persönliche Angelegenheit zu nehmen. Und das war, das ist auch
gut so!
9 Jan 2014
## LINKS
[1] http://www.zeit.de/sport/2014-01/thomas-hitzlsperger-homosexualitaet-fussba…
[2] http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2014-01/hitzlsperger-reaktion…
[3] /Sexuelle-Vielfalt-im-Unterricht/!130274/
[4] http://www.zeit.de/sport/2014-01/hitzlsperger-video-botschaft
[5] http://www.wiesaussieht.de/2011/11/01/geschichte-wird-gemacht/
[6] http://www.spiegel.de/sport/fussball/hitzlsperger-und-sein-coming-out-homos…
## AUTOREN
Jan Feddersen
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