| # taz.de -- Kommentar Flüchtlingspolitik: Meister der Ablehnung | |
| > Die Regierung hat Verbesserungen für Flüchtlinge im Koalitionsvertrag | |
| > vereinbart. Interesse hat sie aber daran, Abschiebungen zu erleichtern. | |
| Bild: Flüchtlinge vom Balkan sollen abgeschoben werden, z.B. nach Sarajewo. | |
| Wenn es sein muss, kann es ganz schnell gehen: Nur neun Wochen hat | |
| Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) für den Gesetzentwurf | |
| gebraucht, der endlich die ungeliebten Balkanroma aus Deutschland | |
| fernhalten soll: Er will die Liste der sogenannten sicheren Herkunftsländer | |
| erweitern – um Serbien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und | |
| Albanien. Per Gesetz ist dann festgestellt, dass dort keinerlei Verfolgung | |
| stattfindet. Entsprechende Asylbewerber können künftig schnell abgeschoben | |
| werden. Die Details wurden in dieser Woche bekannt. | |
| Das Innenministerium freut sich auf Ersparnisse für die öffentliche Hand | |
| und empfiehlt den Ausländerbehörden, sich schon mal auf „Belastungsspitzen�… | |
| bei Abschiebungen einzustellen. Schließlich kommt derzeit etwa jeder vierte | |
| Asylantrag aus diesen Ländern. | |
| Dass de Maizière, da er schon mal dabei war, in den Gesetzentwurf gleich | |
| noch zwei zusätzliche Länder hineingeschrieben hat – Albanien und | |
| Montenegro –, die im Koalitionsvertrag nicht drinstehen, erboste die SPD | |
| zwar kurzzeitig. Gleichwohl dürfte die Sache legislativ schnell durch sein. | |
| Bei anderen Themen lässt sich die Regierung hingegen mehr Zeit. In der | |
| Koalitionsvereinbarung sind eine ganze Reihe von Reformen angekündigt, die | |
| Flüchtlingen zugute kommen würden: eine Lockerung der Residenzpflicht, | |
| Verkürzung des Arbeitsverbots, die überfällige Neufassung des | |
| Asylbewerberleistungsgesetzes, eine Bleiberechtsregelung und ein Ausbau der | |
| humanitären Aufnahme. Nichts davon wurde bisher umgesetzt. | |
| ## Weltmeister der Asylanträge – und der Abschiebungen | |
| Am Freitag präsentierte das UN-Flüchtlingswerk (UNHCR) seinen neuesten | |
| Welt-Asylbericht. Deutschland nahm darin eine besondere Rolle ein: Es wurde | |
| als das Land mit den weltweit meisten Asylanträgen genannt. Der Superlativ | |
| machte erwartbar schnell die Runde. Doch wie meist bei solchen Statistiken | |
| ging es nur um die gestellten Anträge – und die haben mit der Zahl der | |
| Menschen, die am Ende tatsächlich hier bleiben dürfen, wenig zu tun: | |
| 109.000 Flüchtlinge stellten 2013 einen Antrag, Schutz bekamen 20.128. Der | |
| Rest wurde abgelehnt, in einen anderen EU-Staat oder anderswohin | |
| abgeschoben. | |
| Daher protestieren Flüchtlinge noch immer heftig – auch wenn die | |
| Öffentlichkeit dies nicht mehr so interessiert wie noch im vergangenen | |
| Jahr. | |
| Die heftigsten gibt es, nicht von ungefähr, in Bayern: In der vergangenen | |
| Woche traten in Dingolfing und Amberg Flüchtlinge in Streik – in Amberg | |
| verweigerten sie das Essen, in Dingolfing auch das Trinken, fünf Tage lang. | |
| Zugeständnisse gab es keine: Die Polizei beendete ihre Aktionen. | |
| Und in Berlin verhandelte die SPD-Integrationssenatorin Dilek Kolat sieben | |
| Wochen lang mit den Flüchtlingen vom Protestcamp auf dem Kreuzberger | |
| Oranienplatz, bis ihr am Ende der CDU-Innensenator Frank Henkel den | |
| Kompromiss derart zerrupfte, dass die meisten Flüchtlinge ihre Zustimmung | |
| zurückzogen. Am 21. März immerhin starteten neue Verhandlungen. | |
| Kommunen und Länder verweisen in solchen Fragen gern auf den Bund oder die | |
| EU und erklären sich für nicht zuständig. Gleichwohl sind die Proteste | |
| nicht an der falschen Adresse: Was Aufenthaltserteilungen angeht, hätte | |
| Berlin freie Hand, den Oranienplatz-Campern entgegenzukommen. Das hat ein | |
| Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vor wenigen Tagen | |
| erneut klargestellt. Doch die CDU sperrt sich gegen Zugeständnisse – und | |
| schafft so den Grund dafür, dass die Proteste, die längst beendet sein | |
| könnten, immer weitergehen. | |
| Bayerns selbst ernannte „Zukunftsministerin“ Emilia Müller hat – nach | |
| mehrjährigen Protesten – im November ein Ende der schikanösen Essenspakete | |
| angekündigt. Doch viele bayerische Landkreise machen bis heute einfach | |
| damit weiter. | |
| So gibt es für Flüchtlinge eine Politik der zwei Geschwindigkeiten: Was sie | |
| fernhält, geht schnell – was ihnen nützt, dauert oder kommt gar nicht. | |
| 22 Mar 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
| ## TAGS | |
| Flüchtlinge | |
| Balkan | |
| Abschiebung | |
| Zuwanderung | |
| Asyl | |
| Asylrecht | |
| Prozess | |
| Flüchtlinge | |
| Flüchtlingspolitik | |
| Flüchtlinge | |
| Flüchtlinge | |
| Lampedusa | |
| Residenzpflicht | |
| Oranienplatz | |
| Melilla | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Asylverfahren beschleunigt: Zehn Minuten Zeit sparen | |
| Innenminister Thomas de Maizière (CDU) will Serbien, Mazedonien sowie | |
| Bosnien zu sicheren Herkunftsländern für Flüchtlinge erklären. Pro Asyl | |
| kritisiert das Vorhaben. | |
| Gericht verurteilt Asylheimbeschäftigte: Kein Taxi, kein Anruf, keine Hilfe | |
| Ein Junge in einem Flüchtlingslager hat starkes Fieber, doch drei | |
| Mitarbeiter weigern sich, einen Arzt zu rufen. Dafür erhielten sie nun | |
| Geldstrafen. | |
| Bericht der Anti-Folter-Stelle: „Löcher in Türen und Wänden“ | |
| Die Anti-Folter-Stelle bemängelt die Zustände in „staatlichem Gewahrsam“ | |
| für Flüchtlinge. Ihr Bericht wird am Freitag übergeben. | |
| Flüchtlinge vom Oranienplatz: Ein Angebot, das keines ist | |
| Flüchtlingsrat widerspricht Aussagen von Integrationssenatorin Dilek Kolat | |
| (SPD) zur Einigung mit Flüchtlingen und fordert Nachverhandlungen. | |
| Europas Flüchtlingspolitik: Amnesty verurteilt Bundesregierung | |
| Der Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty erklärt Europas Flüchtlingspolitik | |
| für gescheitert. Daran sei besonders Kanzlerin Merkel schuld. | |
| Syrische Flüchtlinge in Deutschland: Ein Antrag unter Tausenden | |
| 50.000 Syrer leben in Deutschland. Die wenigsten von ihnen verdienen genug, | |
| um Angehörige auf eigene Kosten in Sicherheit bringen zu können. | |
| Politikerin über Flüchtlinge in Berlin: „Wir haben das Optimale rausgeholt�… | |
| Das Einigungspapier zum Flüchtlingscamp am Oranienplatz steht in der | |
| Kritik. Monika Herrmann, Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, hält | |
| es für einen Erfolg. | |
| Autor Riccò über Flüchtlingselend: "Die Leute haben wunderbar reagiert" | |
| Eine Gruppe Deutscher und Italiener hat sich in Hannover zusammengetan, um | |
| etwas gegen die Not der vielen Flüchtlinge vor Lampedusa zu tun - auf der | |
| Bühne. | |
| Ausländerbehörden kämpfen mit Kurswechsel: Schikane nach Ermessen | |
| Rot-Grün in Niedersachsen hat eine humanere Flüchtlingspolitik angekündigt. | |
| Trotzdem verschärfen viele Kommunen die Residenzpflicht für Geduldete per | |
| Ermessensentscheidung. | |
| Flüchtlinge am Oranienplatz in Berlin: Die Hüttenbauer aus Lampedusa | |
| Die Flüchtlinge in Kreuzberg bauen sich Holzverschläge. Die CDU tobt. Sie | |
| wollte das Camp längst räumen. Doch die Lösung liegt bei Innensenator | |
| Henkel. | |
| Europäische Flüchtlingspolitik: 214 kommen durch | |
| Da helfen auch Stacheldraht und Kameras nicht: Mehr als 200 Afrikaner sind | |
| in die spanische Nordafrika-Exklave Melilla gelangt. |