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# taz.de -- Gericht verurteilt Asylheimbeschäftigte: Kein Taxi, kein Anruf, ke…
> Ein Junge in einem Flüchtlingslager hat starkes Fieber, doch drei
> Mitarbeiter weigern sich, einen Arzt zu rufen. Dafür erhielten sie nun
> Geldstrafen.
Bild: Fürs Leben gezeichnet: Leonardo P. auf dem Arm seines Vaters im Amtsgeri…
FÜRTH taz | Die Ärzte versetzten Leonardo P. unverzüglich ins künstliche
Koma. Gegen die Schmerzen gaben sie dem Eineinhalbjährigen Morphium, und
als er halbwegs über dem Berg war, fehlten ihm ein Finger, ein Zeh und
Hautflächen am ganzen Körper.
Damit hatte der Junge sogar noch Glück: Wer sich mit Meningokokken
infiziert, kann ohne schnelle Hilfe innerhalb weniger Stunden sterben. Und
Leonardo P. bekam keine schnelle Hilfe. Genau genommen bekam er gar keine
Hilfe, zumindest nicht in der bayerischen Asylbewerberunterkunft, in der
seine Familie damals wohnte.
Drei Mitarbeiter des Aufnahmelagers Zirndorf mussten sich deshalb am
Dienstag vor dem Amtsgericht Fürth verantworten. Die Staatsanwaltschaft
warf ihnen vor, keinen Notarzt gerufen zu haben, als die Eltern des
lebensgefährlich erkrankten Kindes darum gebeten hatten.
An einem Dezembermorgen 2011 war der Junge mit starkem Fieber und blutigem
Ausschlag am Körper aufgewacht. Zu dem Zeitpunkt soll er vor Schmerzen
geweint haben. Die Eltern, erst seit wenigen Tagen in Zirndorf, fragten an
der Pforte der Unterkunft nach einem Arzt. Die Wachmänner reagierten nicht:
Es handle sich nicht um einen Notfall, die Familie solle sich bei der
Lagerverwaltung erst einen Krankenschein ausstellen lassen.
## „Das Kind war fast bewusstlos“
Die Verwaltung öffnete ihre Büros aber erst zwei Stunden später. Und als
der Krankenschein endlich vorlag, rief das Personal noch immer keine Hilfe,
keinen Krankenwagen, kein Taxi. An diesem Morgen sollte die Familie die
zwei Kilometer zur nächsten Arztpraxis zu Fuß gehen. „Das Kind war fast
bewusstlos“, sagt die Ärztin, die Leonardo P. dort behandelte und ins
Krankenhaus einliefern ließ.
Die Staatsanwaltschaft forderte, die Angeklagten wegen fahrlässiger
Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung zu verurteilen. „Der Junge
wird sein Leben lang an den Folgen leiden, weil in dieser Unterkunft keine
vernünftigen Strukturen herrschen“, sagte die Staatsanwältin in ihrem
Plädoyer.
Einblicke in die Verhältnisse vor Ort hatte zuvor der Leiter des Lagers
geliefert. Der Anwalt der Nebenkläger fragte den Zeugen nach den
Fieberthermometern im Krankenzimmer, die alle kaputt waren. Wer für die
Thermometer zuständig sei, wollte der Anwalt wissen. „Kann ich nicht
sagen“, bekannte der Lagerleiter. Eigentlich müssten andere auf der
Anklagebank sitzen, schimpfte der Anwalt daraufhin: die Beamten des Bezirks
Mittelfranken, die für die Zustände in Zirndorf zuständig seien.
Das Gericht verurteilte die Angeklagten zu Geldstrafen zwischen 40 und 60
Tagessätzen.
16 Apr 2014
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Prozess
Flüchtlingslager
Unterbringung von Geflüchteten
Flüchtlinge
Flüchtlinge
Abschiebung
Residenzpflicht
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