# taz.de -- Politikerin über Flüchtlinge in Berlin: „Wir haben das Optimale… | |
> Das Einigungspapier zum Flüchtlingscamp am Oranienplatz steht in der | |
> Kritik. Monika Herrmann, Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, | |
> hält es für einen Erfolg. | |
Bild: „Erst mal müssen alle alternativen Wohnplätze da sein.“ – das Ca… | |
taz: Frau Herrmann, Sie haben am Dienstag zum Senatsangebot an die | |
Flüchtlinge gesagt: „Nicht nur individuell ist viel erreicht worden, auch | |
allgemein in der Flüchtlingspolitik.“ Sehen Sie das heute auch noch so? | |
Monika Herrmann: Ja. Für Berlin ist relativ viel erreicht worden, weil sich | |
der Senat tatsächlich des Flüchlingsthemas angenommen hat. Der Regierende | |
Bürgermeister hat sogar von einer humanitären Verpflichtung des Landes | |
gesprochen. Das war vor ein paar Monaten noch überhaupt nicht absehbar. Da | |
ging der gesamte Senat bei dem Thema in Deckung. | |
Nur ein Thema zu erkennen hilft aber noch nicht weiter. Das Angebot selbst | |
ist für die meisten Flüchtlinge schwierig. | |
Wir müssen ein bisschen aufpassen, was die meisten sind. | |
Im Senatsangebot wurden den Flüchtlingen lediglich Einzelfallprüfungen | |
zugestanden. Für all diejenigen, die in anderen Bundesländern oder in | |
Italien ein Verfahren am Laufen haben oder hatten, bringt das nichts. | |
Nein, das stimmt so nicht. Wir haben 467 Menschen auf der Liste. Bei | |
einigen wird es sehr schwierig. Tatsächlich aber hat die Senatorin das | |
Optimum herausgeholt. Wenn es nach dem Innensenator gegangen wäre, wäre gar | |
nichts möglich gewesen. Da hat sich wahnsinnig viel bewegt. | |
Dennoch haben Sie am Mittwoch gesagt, es müsse nachverhandelt werden. | |
Wörtlich: „Das Paket ist noch nicht fertig.“ | |
Das ist ja kein Widerspruch. | |
Doch, natürlich: Wenn Senatorin Kolat wirklich das Optimale herausgeholt | |
hätte … | |
Es wurde das Optimale rausgeholt für jene Gruppen, die tatsächlich in die | |
Situation kommen, das annehmen zu können. Und dann haben wir diejenigen – | |
die Senatorin sprach von 27 –, deren Verfahren in anderen Bundesländern | |
negativ abgeschlossen worden sind. Da hätte die Senatorin nicht mehr | |
rausholen können. Das ist eine rechtliche Frage, dafür gibt es auch keine | |
Gruppenlösung. Ich möchte aber trotzdem nicht, dass man jetzt sagt, die | |
haben einfach Pech gehabt. Denn dadurch hat sich eine schwierige Situation | |
auf dem Oranienplatz ergeben, in der zwei Gruppen gegeneinandergestellt | |
worden sind. | |
Welche Gruppen sind das denn? | |
Die eine, die großes Interesse daran hat, überhaupt in ein Verfahren | |
hineinzukommen. Die andere, die schon alle ablehnenden Bescheide hat, will | |
natürlich öffentlich sichtbar bleiben. Und die können sich nicht einigen – | |
das geht per se nicht. Man kann auch nicht erwarten, dass sie sich selber | |
einigen. Deswegen muss mit dieser Gruppe weiter gesprochen werden. Das | |
erwarte ich schon. | |
Das Senatsangebot hat eine Welle von Kritik ausgelöst – der Flüchtlingsrat | |
sprach gar von einer Scheinlösung, viele Flüchtlinge lehnen es ab. Hätten | |
Sie diese weitgehend negativen Reaktionen erwartet? | |
Nein. Ich bin schon irritiert über die vielen, die sich jetzt negativ | |
äußern, die sagen, mit ihnen sei nicht gesprochen worden oder sie seien | |
nicht informiert worden. Ich bin da auch ein bisschen skeptisch, ob alles, | |
was gerade in den Medien geschrieben wird, so stimmt. | |
Können Sie einschätzen, wie viele Flüchtlinge das Angebot annehmen werden? | |
Senatorin Kolat hat ja von 80 Prozent gesprochen. | |
Ich kann es nicht einschätzen. Von außen geht das auch gar nicht. | |
Reicht das für Sie aus, dieses Angebot zu unterstützen? | |
Es gibt ja viele, für die es infrage kommt. | |
Wie viele sind das denn? | |
Das weiß ja keiner. | |
Aber das Angebot funktioniert doch nur, wenn eine wirklich große Gruppe der | |
Flüchtlinge mitzieht und den Platz und die Schule räumt. Die Euphorie über | |
diese Angebot beruhte auch darauf, dass Sie das Angebot von Henkel und | |
Kolat unterstützen, sichtbar durch ihre Anwesenheit auf der | |
Pressekonferenz. Und darauf, dass angeblich 80 Prozent der Flüchtlinge | |
mitziehen. Beides steht inzwischen infrage. Sie sagen, es muss | |
nachverhandelt werden, und keiner weiß, woher die 80 Prozent kamen. | |
Stellen Sie sich mal vor, die 80 Prozent stimmen. | |
Das wäre toll. | |
Genau. Mir ist berichtet worden, dass es drei Gruppen mit unterschiedlichem | |
Status gibt. Das sind ungefähr 500 Menschen. Für sie passt das Angebot. Das | |
sind die Informationen und Zahlen, die ich hatte. Und da sage ich: Für sie | |
wird es kein besseres Angebot geben. | |
Sie gehen also davon aus, dass die Flüchtlinge das Angebot trotz der Kritik | |
annehmen werden? | |
Ich würde es empfehlen. Aber das muss jeder Flüchtling für sich selbst | |
entscheiden. Alle anderen sollten sich in dieser Frage raushalten. Die 27, | |
die erstmalig am Dienstag auf der Pressekonferenz genannt wurden, die sind | |
in einer anderen Situation. Und für sie muss das Land noch eine Lösung | |
finden. | |
Glauben Sie, dass der Senat da nachverhandelt? | |
Ich weiß es nicht, ich habe mit Frau Kolat noch nicht gesprochen. | |
Haben Sie einen groben Zeitplan? | |
Erst mal müssen alle alternativen Wohnplätze da sein, das hat ja Klaus | |
Wowereit auch gesagt. Wie lange das dauert, hängt vom Landesamt für | |
Gesundheit und Soziales ab. | |
Ist denn das Brückenhaus am einstigen Sport- und Erholungszentrum (SEZ) in | |
Friedrichshain ein Gebäude, das dafür infrage kommt? | |
Da sind wohl Prüfungen im Gange, die Umbaumaßnahmen würden aber eine ganze | |
Weile dauern. | |
Die ganze Situation wird sich also auf keinen Fall vor dem 1. Mai klären? | |
Ich hoffe, dass alles so geklärt wird, dass es egal ist, ob der 1. Mai vor | |
der Tür steht oder nicht. | |
21 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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