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# taz.de -- Flüchtlingscamp auf Berliner Oranienplatz: Die Hütten wackeln
> Unter den Flüchtlingen auf dem Oranienplatz kippt die Stimmung. Viele
> wollen das Senatsangebot jetzt doch annehmen. Auch, weil Spenden knapp
> werden.
Bild: Hütte im Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz
Auf einem langen Holztisch wird aufgetischt. Es ist Samstag, 13 Uhr, und
ein türkischer Verein bringt Essen für die Flüchtlinge vom Oranienplatz. Es
gibt Fladenbrot, Salat, heißen Tee. Die Afrikaner sitzen dicht gedrängt am
Tisch und lassen es sich schmecken.
„Jeden Samstag und Sonntag bekommen wir Essen“, berichtet ein Mann aus
Mali, der seinen Namen nicht nennen will. An den anderen Tagen seien
Lebensmittel knapp. Den Platzbesetzern ist das Geld ausgegangen, seit es im
Februar einen Streit um Spendengelder mit der Antirassistischen Initiative
gab. Was wirklich geschah, ist nicht ganz klar. Fest steht: Teile der
Spendengelder sind verschwunden, zum Rest hat niemand hier Zugang.
Auch sind einige der im März gezimmerten Holzhütten fragile Bauwerke: Neben
stabilen Bauten aus Möbelteilen und Spanplatten stehen Hütten, die
zusammenzufallen drohen. Dachteile haben sich gelöst, Ersatzmaterial ist
zwar da – ob das jedoch noch verbaut wird, ist unklar. Denn unter den
Flüchtlingen auf dem Oranienplatz kippt gerade die Stimmung.
„Der Senat hat uns ein gutes Angebot gemacht. Wenn er uns wirklich ein Haus
gibt, ziehen wir um“, drückt eine Gruppe Nigerianer aus, was viele im
Flüchtlingscamp inzwischen denken. Noch vor einer Woche waren die meisten
dem Angebot von Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) gegenüber
skeptisch, ihnen Unterkünfte und Deutschkurse zu geben und das
Aufenthaltsrecht zu prüfen, wenn sie den Oranienplatz und die besetzte
Schule freiwillig räumen. Aber diese Skepsis weicht. Nur eine Frau und zwei
Männer aus Uganda sagen am Samstag noch: „Wir wollen sichtbar gegen die
Flüchtlingspolitik in Deutschland protestieren. Darum werden wir den Platz
nicht verlassen.“
Acht Sprecher haben die Flüchtlinge gewählt, um mit Kolat zu verhandeln.
Die einzige Frau darunter zog sich im Februar zurück. Als der Senat
kürzlich die angebliche Einigung verkündete, hatten nur wenige der sieben
restlichen Sprecher sie unterschrieben. Ob es zwei oder drei waren, ist
Gegenstand heftiger Kontroversen. Inzwischen sollen vier Verhandler
einverstanden sein, so die Männer vom Platz. Und das seien die, die von den
Bewohnern des Oranienplatzes und des Caritas-Heims gewählt wurden. Die drei
Vertreter der Schule lehnten den Kompromiss weiterhin ab.
Das spricht dafür, dass immerhin der Oranienplatz tatsächlich friedlich
geräumt werden könnte – wenn der Senat Unterkünfte für die 467 Betroffenen
hätte. Doch die sind nicht in Sicht. 80 ehemalige Besetzer wohnen seit
November in einem Caritas-Heim, 38 in Marienfelde. Silvia Kostner vom
Landesamt für Gesundheit und Soziales sagt, dass dort die Kapazitäten um 80
weitere Plätze aufgestockt werden können. Zwei bis drei Wochen würde es
aber dauern, die seit Jahren ungenutzten Räume und Wasserleitungen auf
Vordermann zu bringen.
Ihr Chef Franz Allert sprach vergangene Woche auf einer Veranstaltung
davon, dass „ein weiteres Haus in Kreuzberg mit 80 Plätzen kurzfristig
bereitstehen könnte“. Für alle Betroffenen würde das nicht reichen. Das
Angebot des Senats, die Flüchtlinge auf andere Flüchtlingsheime zu
verteilen, funktioniert nicht, weil diese Heime überfüllt sind.
Der Vorschlag würde auf dem Oranienplatz auch keine Zustimmung finden. „Wir
haben doch nicht gegen Lager protestiert, um jetzt in Lager zu ziehen“,
sagt ein Sprecher. Alle zusammen in einem Haus, das könnte er sich
vorstellen. Das ginge aber nur in dem ehemaligen Gästehaus der
Schreberjugend an der Franz-Künstler-Straße. Dieses Gebäude hatte
Kreuzbergs Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) im November ins Spiel
gebracht. Es ist aber stark sanierungsbedürftig und vor Anfang September
nicht fertig.
Ein Vertreter der Unterstützergruppe, der nicht genannt werden will,
plädiert für eine rasche Lösung. „Wenn tatsächlich Flüchtlinge in Heime
ziehen, bröckelt auch der Widerstand in der Schule und ihre Bewohner
könnten mit den Füßen abstimmen“, sagt er. Denn anders als die gewählten
Sprecher, die zu politischen Maximalforderungen neigen, wollten viele
Bewohner schnell weg. Er ist überzeugt: „Der Ball liegt jetzt bei der CDU.
Ihr Sozialsenator Mario Czaja muss Unterkünfte stellen, und ihre Hardliner
müssen Teillösungen akzeptieren.“
30 Mar 2014
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Berlin
Flüchtlingslager
Oranienplatz
Flüchtlinge
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