# taz.de -- Flüchtlingscamp in Berlin-Kreuzberg: Zeltabbruch mit Kampfszenen | |
> Der von Flüchtlingen besetzte Oranienplatz wurde am Dienstag geräumt – | |
> unter Protest. Am Nachmittag umstellte die Polizei die Fläche. | |
Bild: Die Polizei hält Demonstranten davon ab, auf den Oranienplatz zu gelangen | |
BERLIN taz | Morgens 6 Uhr kamen Senatorin Dilek Kolat (SPD) und | |
Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) mit Räumtechnik und der BSR | |
auf den Platz. Sie hatten sich als Unterstützung eine Gruppe ehemaliger | |
Oranienplatzbesetzer mitgebracht, die seit November in einem Caritasheim | |
wohnen und nichts lieber wollen, als endlich eine aufenthaltsrechtliche | |
Perspektive zu bekommen. Der Senat hat das allerdings an die Voraussetzung | |
gekoppelt, dass der Oranienplatz geräumt wird. Die Flüchtlinge wurden dazu | |
mit Arbeitshandschuhen und Atemschutzmasken ausgestattet. Die Räumung der | |
besetzten Gerhard-Hauptmann-Schule steht noch nicht auf der Tagesordnung, | |
weil Wohnplätze fehlen. | |
Schnell zeigte sich, dass es zwei Gruppen auf dem Platz gibt: Die erste | |
Gruppe freute sich, dass sie endlich aus Zelten und Hütten in ein richtiges | |
Haus ziehen können. Sie packten ihre Sachen und rissen die Zelte selbst ab. | |
Danach wurden sie in ein ehemaliges Hostel am Ostkreuz gefahren. Die zweite | |
Gruppe traute den vagen Zusagen des Senates nach einem vorläufigen | |
Bleiberecht nicht und wollte darum lieber auf dem Oranienplatz ihren | |
Protest fortsetzen. „Wir wollen nicht abgeschoben werden und keine Duldung | |
habe“, erklärt ein Mann. „Wir wollen die gleichen Bürgerrechte haben wie | |
Deutsche auch. Wir wollen arbeiten.“ | |
Darunter waren vor allem Flüchtlinge aus dem Sudan. Sie wehrten sich gegen | |
den Abriss ihrer Zelte und Hütten und verbarrikadierten sich zum Teil | |
darin. Am späten Vormittag kam es darum zu gewaltsamen Kampfszenen zwischen | |
beiden Gruppen von Afrikanern: Die Gruppe um den Nigerianer Bashir Zaharia | |
aus dem Caritas-Heim stürmte mit Hammern und Brecheisen die | |
verbarrikadierten Hütten und riß sie den Bewohnern über dem Kopf ab. Dabei | |
gab es mehrere verletzte Afrikaner auf beiden Seiten. Anschließend lag die | |
bescheidene Habe der von ihren Landsleuten zwangsgeräumten Hütten, etwa | |
Handtücher, Schuhe und ein kaputtes Radio, zwischen Müll und Bettfedern | |
verstreut im Dreck. | |
Im Hostel in der Gürtelstraße drängten sich seit 7.30 Uhr Umzugswillige am | |
Tresen, um einzuchecken. Ihre Gesichter strahlten. Ein Nigerianer erzählt | |
begeistert: „Ich bin in einem sauberen schönen Dreibettzimmer mit meinem | |
Freund. Das dritte Bett ist noch frei.“ Noch einen Tag zuvor hatte sich | |
derselbe Mann am Oranienplatz noch beschwert. „Wieder ein relaxing day“ | |
hatte er gestöhnt. „Genau wie viele Tage zuvor.“ 102 Plätze gibt es in dem | |
Hostel, die Zahl der Umzugswilligen war mit 150 allerdings höher. Einige | |
konnten in Marienfelde untergebracht werden. Sozialsenator Mario Czaja | |
(CDU) komentierte süffisant: „Frau Kolat hat im Laufe des Tages den | |
Überblick verloren.“ | |
Im Hostel stellte sich heraus, dass mindestens zwei Flüchtlinge aus Asien, | |
die ebenfalls auf dem Oranienplatz gewohnt hatten, von ihren afrikanischen | |
Mitbewohnern gemobbt und nicht auf die Listen gesetzt wurden. Die Listen | |
sind aber Voraussetzungen, um vom Senat untergebracht zu werden. | |
## Unterstützung der linken Szene | |
Gegen Mittag spitzten sich die Kampfszenen auf dem Oranienplatz zu. Die | |
Räumungsgegner hielten spontane Kundgebungen ab, unterstützt von Antifas, | |
die inzwischen hinzugekommen waren. Um 14.30 Uhr umstellte schließlich die | |
Polizei mit 400 Mann den Oranienplatz und räumte 25 Besetzer vom Platz. | |
Der linke Flüchtlingspolitiker Hakan Tas kritisiert, dass hier „der Senat | |
zwei Gruppen von Flüchtlingen regelrecht aufeinander gehetzt hat.“ Eine | |
deutsche Camp-Unterstützerin fällt ihm ins Wort: „Die machen doch den Job | |
der Bullen.“ Die grüne Abgeordnete Canan Bayram sagt: „Es macht mich | |
betroffen, dass hier Flüchtlinge unter Einsatz ihres Lebens ein Angebot des | |
Senates verteidigen, von dem sie noch nicht einmal wissen, ob es ihnen | |
wirklich eine Perspektive gibt.“ Sie zeigte sich auch skeptisch, ob die | |
freudestrahlend in das Hostel gezogenen Flüchtlinge „in zwei Wochen immer | |
noch so strahlen, wenn sie vielleicht feststellen, dass sie in anderen | |
Bundesländern schon zur Abschiebung ausgeschrieben wurden.“ | |
Der Piratenabgeordnete Fabio Reinhardt kritisiert den grünen Bezirk | |
Friedrichshain-Kreuzberg, der den Polizeieinsatz angefordert hat. „Bezirk | |
und Senat hätten den Dialog lieber fortsetzen sollen und alle mit ins Boot | |
nehmen.“ Bürgermeisterin Monika Herrmann relativiert: „Bei Kampf um den | |
Oranienplatz geht es um ein Symbol. Beschwerden um fehlende Schlafplätze | |
bewerte ich kritisch.“ | |
8 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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