| # taz.de -- Flüchtlinge vom Kreuzberger Camp: Endlich ohne Angst ausschlafen | |
| > Der Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg ist geräumt. Die einstigen Besetzer | |
| > fühlen sich in ihrer neuen Bleibe am Ostkreuz wohl. | |
| Bild: Das blieb vom Protestcamp in Kreuzberg. | |
| BERLIN taz | John wischt schnell die Brotkrumen vom Tisch. Mit Pressebesuch | |
| hat er nicht gerechnet. Seit Dienstag wohnt der Nigerianer in einem | |
| ehemaligen Hostel in der Gürtelstraße am Ostkreuz. Acht Monate lang hatte | |
| er auf dem Oranienplatz kampiert. Er ist froh, dass das vorbei ist. | |
| John wohnt in einem kleinen Zweibettzimmer: zwei Betten mit blitzsauberer | |
| weißer Bettwäsche, ein Tisch mit zwei Stühlen und zwei kleine abschließbare | |
| Stahlschränke. Rund 100 Flüchtlinge, die einst wie John auf dem | |
| Oranienplatz wohnten, sind jetzt hier in Zwei-, Drei- und Vierbettzimmern | |
| untergebracht. Und viele von ihnen haben genau wie John seit Montag vor | |
| allem das getan, was auf dem Oranienplatz nur schwer möglich war: sich | |
| einmal richtig ausgeschlafen. Ohne Straßenlärm und ohne Angst vor | |
| Übergriffen. | |
| Auch sonst ist ein wenig mehr Selbstbestimmung in Johns Leben eingezogen. | |
| Auf dem Oranienplatz war John auf Lebensmittelspenden angewiesen. | |
| Wochentags brachten manchmal die Bäcker der Umgebung übrig gebliebene | |
| Brötchen und Fladenrollen. Mittagessen, Tee und Kaffee gab es bei der | |
| Diakonie. Am Wochenende kam das Mittagessen von einem türkischen Verein. | |
| Am Mittwoch bekam John von der Heimleitung 100 Euro Soforthilfe ausgezahlt | |
| sowie Teller, Tasse, Bratpfanne und Essbesteck. Mit dem Einzug in das | |
| Hostel hat er einen Anspruch auf Sozialleistungen erworben. Geld, mit dem | |
| er wieder selbst kaufen kann, was er braucht. Eine neue Zahnbürste und neue | |
| Zahnpasta, zum Beispiel. Reis, Tomaten und Mineralwasser. | |
| Johns Mitbewohner kommt mit dem Staubsauger ins Zimmer. Seinen Namen will | |
| er nicht sagen, aber er wirkt voller Tatendrang. „Es soll hier richtig | |
| sauber sein“, sagt er und freut sich. „Jetzt wohne ich endlich wie ein | |
| Mensch. Was denken Sie, wie lange dauert es noch, bis ich arbeiten darf?“ | |
| ## 100 Euro Soforthilfe | |
| Auf dem Innenhof sitzen zwei Afrikaner und sonnen sich. Sie wirken ebenso | |
| entspannt wie die Atmosphäre im neuen Flüchtlingsheim: Reibereien, wie es | |
| sie oft auf dem Oranienplatz zwischen den Bewohnern gab, sind hier | |
| Fehlanzeige. Die Mitarbeiter des privaten Heimbetreibers sind ausgesprochen | |
| freundlich und verständnisvoll. Diakonie und Caritas haben die soziale | |
| Betreuung übernommen. Die wird schwieriger sein als in normalen | |
| Flüchtlingsheimen: Unter den ehemaligen Oranienplatz-Besetzern sind | |
| Flüchtlinge, die juristisch in kein Raster passen und deren Asylantrag | |
| andernorts bereits abgelehnt wurde. | |
| Ein Mann beschwert sich: „Leider gibt es kein warmes Wasser“, bedauert er. | |
| Am liebsten hätte er sofort beim Einzug die große Badewanne des ehemaligen | |
| Hostels ausprobiert. Aber kalt baden wollte er dann doch nicht. „Seit heute | |
| funktionieren auch nicht mehr alle Heizungen“, sagt er noch. Und auch das | |
| Internet sei noch nicht angeschlossen. | |
| Insgesamt 180 Flüchtlinge wurden am Dienstag und Mittwoch mit neuen | |
| Quartieren in der Gürtelstraße und im Flüchtlingsheim Marienfelde versorgt. | |
| Damit sind alle vorhandenen Plätze besetzt. „Wir sind gerade dabei, die | |
| Listen zu prüfen“, sagt Silvia Kostner vom zuständigen Landesamt für | |
| Gesundheit und Soziales. | |
| Einigen Flüchtlingen, die nicht aus Afrika stammen und kein Englisch | |
| sprechen, war es nicht gelungen, auf die Listen zu kommen. Möglicherweise | |
| haben sich auch Flüchtlinge, die seit November in einem Caritas-Heim im | |
| Wedding wohnen, in die neuen Quartiere geschummelt. In dem ehemaligen | |
| Pflegeheim ist es weniger schön als in der Gürtelstraße, sodass einige gern | |
| das Quartier wechseln wollten. Die Prüfung wird noch einige Tage dauern. | |
| John und sein Mitbewohner ziehen die Jacke an. Sie gehen nach draußen, die | |
| Umgebung erkunden. Friedrichshain kennen sie noch nicht. | |
| 10 Apr 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Marina Mai | |
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