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# taz.de -- Gentrifizierung der Bremer Neustadt: Dete weicht Ideen zum Wohnen
> Mit einem „Artcamp“ verabschiedet sich das Kulturzentrum Dete von der
> Lahnstraße. Die Künstler suchen einen neuen Ort in der Neutadt.
Bild: Deters Möbelhaus diente zur Dete gestutzt sechs Monate der Kunst-Szene a…
BREMEN taz | Für die Dete ist in drei Wochen Schluss. Ein halbes Jahr lang
war das Kulturzentrum in der Neustadt Schauplatz von Lesungen, Konzerten
und Politveranstaltungen – und Arbeitsplatz diverser Kulturschaffender. Zum
Schluss wird jetzt nochmal richtig aufdreht: mit einem „Artcamp“ wollen
KünstlerInnen die Dete-Zeit reflektieren und Abschied nehmen vom Haus und
der Nachbarschaft.
Die Kulturszene der Neustadt aufzuwerten, hatten sich die sechs Betreiber
vorgenommen. Über ihr Veranstaltungsprogramm hinaus wollten sie Netzwerk
und Begegnungsraum im kulturell nachrangigen Quartier sein. Die
Nachbarschaft hat ihr „neues Wohnzimmer“ dankend angenommen, sagt
Dete-Mitbetreiber Artur Ruder. Und das hat er sogar schriftlich: mit 2.000
Unterschriften warb die AnwohnerInnen-Initiative „Pro Dete“ für eine
Verlängerung des Nutzungsvertrags.
Doch daraus wurde nichts – zumindest nicht am bisherigen Standort in der
Lahnstraße. Eigentümer Marco Bremermann wird den
Zwischennutzungs-Mietvertrag nicht verlängern. Er setzt auf die Schaffung
neuen Wohnraums und will das Gebäude zum Mehrfamilienhaus umbauen. Mit den
zu erwartenden Einnahmen kann das Dete-Team nicht mehr mithalten und zieht
aus. „Im Grunde haben wir uns unser eigenes Grab gentrifiziert“, sagt
Ruder.
Überrascht ist er davon allerdings nicht. Letztlich habe auch die Dete von
der zeitlichen Befristung des Arrangements mit Bremermann profitiert: „Wenn
alles schief gelaufen wäre, hätten wir auch unsererseits jederzeit gehen
können.“ Die Flexibilität ging auch zu Lasten der eigenen Kräfte. Die
Refinanzierung der monatlichen Ausgaben habe gerade so funktioniert und das
nur, weil die Betreiber rund um die Uhr und ohne Lohn gearbeitet haben.
„Natürlich ist das Selbstausbeutung“, sagt Ruder, fast alle haben neben
ihrer Arbeit in der Dete Lohnberufe. Bis zum geplanten Neustart an anderem
Ort werden ein paar abspringen.
Dass es aber irgendwo weitergeht, bezweifelt Ruder nicht. Die Vernetzung
der Neustädter Szene habe gut funktioniert und „was wir aufgebaut haben,
ist nicht an einen Ort gebunden“, sagt er. Schade sei der Umzug trotzdem,
auch wegen der Arbeit, die in Umbau stecke.
Die Suche nach einem Gebäude ist schwierig, weil die Dete neben dem
Veranstaltungs und Kneipenraum auch Ateliers und Arbeitsräume umfasst. 18
NutzerInnen haben sich in den oberen Stockwerken eingemietet und sollen
möglichst mitgenommen werden.
Die Betreiber verstehen die Dete als Plattform, die von ihren NutzerInnen
selbst ausgestalten wird. Bei regelmäßigen Treffen beraten sie gemeinsam
über Grundsatzfragen – ein Angebot, das Ruder gerne noch weiter ausbauen
und als „basisdemokratische Genossenschaft“ auf die neuen Örtlichkeiten
übertragen würde.
Vorerst aber steckt das Dete-Team noch in den Vorbereitungen der
Abschiedsveranstaltung. Ab dem 20. Juli ist die Dete für die Öffentlichkeit
geschlossen, während 36 KünstlerInnen drinnen in interdisziplinärem
Austausch das „Artcamp“ vorbereiten. Für Literatur, Theater, Musik und
Performance sollen die Räumlichkeit hergerichtet werden. Sie wollen das
halbe Jahr Dete reflektieren und die spezielle Form des Miteinanders
künstlerisch nachvollziehen. So spricht Ruder von Videoschaltungen, die
kleine Veranstaltungen in den oberen Räumen nach unten projizieren und die
Kommunikationsformen zwischen den Einheiten verbildlichen.
Diese gemeinsame Gestaltungsphase ist Teil des Projekts und entsprechend
wenig kann Ruder jetzt schon verraten. Die Betreiber selbst sind derweil in
kulinarischer Angelegenheit vor der Tür unterwegs: Beim Dete-Dinner auf dem
Delmemarkt mit musikalischer Begleitung, oder bei einem offenen Buffet.
Auch das Lahnstraßenfest wird noch mit vielfältiger Beteiligung der Dete
auf die Beine gestellt und dann sind die Räume geschlossen – besenrein.
14 Jul 2014
## AUTOREN
Jan-Paul Koopmann
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