# taz.de -- Protestmarsch: Beschlagnahmung bleibt aus | |
> 200 Menschen fordern mehr Wohnraum für Flüchtlinge und arme Menschen. Sie | |
> ziehen an vielen leerstehenden Gebäuden in der Neustadt vorbei | |
Bild: Demonstrierende fordern vom Senat: Beschlagnahmen und bauen. | |
Dreizehn Immobilien allein in der Neustadt: die Leerstandsliste, die das | |
Aktionsbündnis „Refugees Welcome“ zusammengestellt hat, umfasst Büroetage… | |
Geschäftshäuser und Privatimmobilien. Ungenutzte Gebäude mitten in der | |
Stadt, während Menschen ohne Dach über dem Kopf und Flüchtlinge in Zelten | |
leben müssen. | |
Am Samstag zogen deshalb rund 200 Menschen durch die Straßen links der | |
Weser. Die AktivistInnen forderten die Sozialbehörde auf, leerstehenden | |
Wohnraum zu beschlagnahmen. Im Vorfeld hatten einige befürchtet und andere | |
gehofft, dass die AktivistInnen tatsächlich eines der leeren Gebäude an der | |
Demoroute besetzen könnten – war doch eine „öffentlichen Beschlagnahmung�… | |
angekündigt worden. Doch der Protest blieb symbolisch. | |
Gestartet hatte die Demo vor der „Dete“ in der Lahnstraße, einem ehemaligen | |
Einrichtungshaus, das seit dem Ende der Zwischennutzung im August 2014 leer | |
steht (taz berichtete). Begleitet vom Trommeln einer Sambagruppe ging es | |
durch die Kornstraße, wo allein drei weitere komplette Wohnhäuser | |
leerstehen. Es werde mit Immobilien spekuliert, während andere in | |
„menschenunwürdigen Unterbringungsverhältnissen“ leben müssten, so die | |
Kritik der AktivistInnen. | |
Neben den Notunterkünften in Turnhallen wurde in den Redebeiträgen dabei | |
vor allem auf die 1.400 Flüchtlinge verwiesen, die in Bremen in Zelten an | |
der Universität, in der Überseestadt, Oberneuland und in Blumenthal | |
untergebracht sind. Wegen Sturmwarnungen hatte die Sozialbehörde die Zelte | |
in der zweiten Novemberhälfte dreimal evakuieren müssen. | |
„Dies ist eine Bebilderung, wie unwürdig die Wohnsituation von Geflüchteten | |
derzeit ist“, hieß es in einer Erklärung der AktivistInnen. Die staatlichen | |
Wohnungspolitik sei verfehlt, seit sich aus dem sozialen Wohnungsbau | |
zurückgezogen wurde. | |
Mit im Boot war auch das „Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen“, unter | |
dem sich bereits seit 2012 unterschiedliche Gruppen und Einzelpersonen | |
treffen, die in Bremen unter Wohnungsmangel leiden – neben Flüchtlingen | |
auch Obdachlose, Familien und arme Menschen. Joachim Barloschky sprach in | |
einem Redebeitrag von 600 Obdachlosen und zahlreichen Menschen, die unter | |
den Spekulationen der Immobilienfirmen litten, etwa in der Grohner Düne. | |
All jene sollten nun für das Recht auf Wohnen zusammenstehen. Auch bei den | |
Treffen des Bündnisses würde mal von Einzelnen vorgebracht, dass für | |
Flüchtlinge, aber nicht für Obdachlose gesorgt werde, sagte Barloschky zur | |
taz. „Aber wir erklären dann immer, dass das Menschenrecht auf Wohnen | |
international ist und für alle gilt.“ | |
Zumindest dem grundsätzlichen Anliegen der Demo schloss sich auch | |
Sozialressort-Sprecher Bernd Schneider an: Solche Aktionen machten | |
deutlich, dass Flüchtlinge in Bremen willkommen sind. Aber: „Bei aller | |
Sympathie für die Aktion muss doch auch klar sein, dass eine Besetzung | |
eines Gebäudes durch die Aktivisten keine Grundlage für staatliches Handeln | |
sein kann.“ Zu der Forderung der AktivistInnen nach mehr Beschlagnahmungen | |
von Leerstand sagte er: Das Problem sei mit dem Zugriff auf eine Immobilie | |
noch nicht gelöst. | |
„Der Aufwand, ein Gebäude wie etwa das in der Kornstraße umzubauen, in dem | |
dann vielleicht 50 Flüchtlinge unterkommen könnten, ist ähnlich groß wie | |
der Aufwand für eine Unterkunft für 400 Flüchtlinge“, so Schneider. Man | |
müsse bei einzelnen Immobilien überprüfen, wie deren Zustand sei. Er | |
verwies auch auf Zahlen: Inklusive Notplätzen habe das Sozialressort allein | |
2015 rund 5.000 neue Plätze eingerichtet. „Das ist vermutlich mehr als das | |
Doppelte dessen, was die gesamte reguläre Wohnungswirtschaft an | |
Bautätigkeit geleistet hat“, erklärte Schneider. | |
Zudem seien dieses Jahr rund 1.600 Menschen in Wohnungen vermittelt worden, | |
so viele, wie im ganzen Jahr 2014 in Bremen angekommen seien. | |
Bis Ende des Jahren würden noch rund 1.800 Plätze zusätzlich eingerichtet, | |
davon 600 in festen Gebäuden, 300 in Hallen und 400 in winterfesten Zelten. | |
Allerdings würden auch noch 500 Plätze in beheizbaren, aber nicht | |
ausdrücklich winterfesten Zelten in den nächsten Wochen hinzukommen. | |
6 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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