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# taz.de -- Geflüchtete protestieren in Bremen: Jugendliche wehren sich
> Geflüchtete des Bremer Aktionsbündnisses „Shut down Gottlieb-Daimler-
> Straße Camp“ fordern ein Bleiberecht und die Schließung ihrer Unterkunft.
Bild: Umstrittene Methode zur Altersfeststellung: Röntgenaufnahmen der Hand
Bremen taz | Seit Frühling 2018 protestiert unter dem Namen „Aktionsbündnis
Shut down Gottlieb-Daimler-Straße Camp“ eine Gruppe von AktivistInnen und
jungen, unbegleiteten Flüchtlingen gegen die Umstände der Unterbringung
jugendlicher Geflüchteter in Bremen, Transfers in andere Bundesländer und
eine willkürliche Altersfestsetzung durch das Jugendamt. Am Donnerstag
informierten sie über Repressionen, die sie noch immer erfahren. Die
Jugendlichen fordern ein Bleiberecht und die Schließung der Einrichtung in
der Gottlieb-Daimler-Straße.
2016 wurde dort, in Nachbarschaft der Stahlwerke, eine Notunterkunft aus
Kunststoff-Metall-Hallen eröffnet. In den von der inneren Mission
betriebenen Hütten können bis zu 360 Menschen untergebracht werden. Im Jahr
2017 wurden die Hallen dann zur Landesaufnahmestelle umgebaut. Seitdem
werden hier nur noch unbegleitete minderjährige Geflüchtete untergebracht,
die von den Behörden für Erwachsene gehalten werden. Die Bewohner hatten
dagegen geklagt.
Ihr Protest drehte sich zunächst um die unwürdige Unterbringung in den
provisorischen Hallen. Dort sollten sie ihre Klageverfahren gegen die
[1][umstrittene Praxis der Altersfeststellung] absitzen – ohne Schule oder
Zugang zur Jugendhilfe.
## Unterkunft soll geschlossen werden
Nach wiederholten Protesten empfing Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne)
die Jugendlichen und machte Zugeständnisse: Die unwürdige Unterkunft soll
nun vor dem Winter geschlossen werden. Die Sozialbehörde verteilt die
Bewohner nach und nach in andere Einrichtungen, teilweise auch in andere
Bundesländer. Von ehemals über 90 sind derzeit noch 44 der jungen
Geflüchteten in der Gottlieb-Daimler-Straße. Doch auch deren Status ist
immer noch unklar. Ihr Bleiberecht ist noch nicht durchgesetzt. In letzter
Konsequenz kann ihnen immer noch die Abschiebung drohen.
Am Donnerstagabend stellte das Aktionsbündnis die aktuelle Situation in der
Einrichtung vor. Die Bewohner Alassane, Omar und Siaka erzählten von ihrem
Leben in der Gottlieb-Daimler-Straße. Die Veranstaltung war bis auf den
letzten Platz besetzt. Es gab Übersetzungen in drei Sprachen, um möglichst
viele Menschen zu erreichen. Viele Betroffene, aber auch interessierte
Unterstützer*innen waren vor Ort.
Zwar seien den jungen Geflüchteten von der Sozialbehörde bessere
Bedingungen versprochen worden, doch geändert habe sich seit der Zusage von
Stahmann nichts, berichteten die Betroffenen. Die anhaltende Sommerhitze
hätte die Bedingungen zusätzlich noch verschlechtert.
Sie hätten, berichteten die Jugendlichen, kein Recht auf eine gesetzliche
Krankenversicherung. Dies führe dazu, dass alle Arzt- oder
Krankenhausbesuche aus eigener Tasche bezahlt werden müssten, was in der
Vergangenheit schon zu diversen Problemen geführt habe. Der kalte Winter
habe durch die schlechte Beheizung zu vielen Infekten bei den Bewohnern der
Unterkunft geführt. „Mindestens 50 Prozent von uns waren von Krankheiten
betroffen“, berichtete Alassane.
## Erfundene Geburtsdaten
Durch die fehlende Versicherung gebe es auch keinen Anspruch auf
psychologisch-therapeutische Betreuung, die sie dringend benötigten, so die
Jugendlichen. Die Flucht habe bei ihnen massive Traumata hinterlassen. Die
Zustände in der Unterkunft tragen ihr Übriges bei. Es habe bereits mehrere
Suizidversuche von Bewohnern der Einrichtung gegeben.
Eine weitere Forderung des Aktionsbündnisses bezieht sich auf die gängige
Praxis der Altersfeststellung. Anhand der Hände, Zähne und der Intelligenz
sei laut Jugendamt das Alter eines Menschen feststellbar. Doch dagegen
wehren sich die Bewohner und das Aktionsbündnis vehement. Sie empfinden die
Altersfestsetzung als willkürlich und unmenschlich. „Wir bestehen auf unser
eigenes Alter und wollen das erfundene Geburtsdatum, das sie uns geben,
nicht haben“, gibt der Bewohner Omar an.
Auch äußern sie den Wunsch, in Bremen zu bleiben. Nach der letzten
Protestaktion seien viele von ihnen in Einrichtungen anderer Bundesländer
verlegt worden. „Mit diesen Transfers versuchen sie unsere Proteste zu
schwächen. Aber wir wollen sichtbar bleiben“, sagt Omar.
Das Aktionsbündnis machte am Donnerstagabend darauf aufmerksam, dass Bremen
eine sogenannte „Solidarity-City“ sein könne und gaben Hinweise, wie die
Bremer*innen sich engagieren können: durch Teilnahme an den Protestaktionen
des Bündnisses, Spenden zur Bezahlung von sozialen Hilfen oder durch das
Anbieten von Schlafplätzen für die Bewohner.
31 Aug 2018
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## AUTOREN
Florian Maier
## TAGS
Geflüchtete
Unterkunft
Bremen
Protest
Polizei Bremen
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Abschiebung
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Recht auf Wohnung
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