# taz.de -- Flüchtlingsinitiative vs. Sozialbehörde: Streit um Schulpflicht | |
> Das Bremer Jugendamt hindere unbegleitete minderjährige Geflüchtete, sagt | |
> die Flüchtlingsinitiative. Absurd, sagt die Sozialbehörde. | |
Bild: Minderjährig oder nicht? Die Altersfeststellung ist der Kern des Problem… | |
BREMEN taz | Es klingt alarmierend, was die Flüchtlingsinitiative Bremen | |
schreibt: „Jugendamt drangsaliert Minderjährige“, ist der Titel einer | |
Pressemitteilung zum Umgang des Jugendamtes mit unbegleiteten | |
minderjährigen Geflüchteten. MitarbeiterInnen verschiedener | |
Jugendhilfeeinrichtungen seien an die Flüchtlingsinitiative herangetreten | |
und sprächen von einer „Atmosphäre der Angst und Bedrohung“ – durch das | |
Jugendamt. | |
Die Vorwürfe im Einzelnen: Obgleich 16 minderjährige Geflüchtete im | |
Eilverfahren in die sogenannte „vorläufige Inobhutnahme“ der Jugendhilfe | |
gekommen sind, hindere das Jugendamt sie systematisch am Schulbesuch – | |
trotz Schulpflicht. Den BetreuerInnen sei verboten worden, die Jugendlichen | |
an Schulen anzumelden und sie morgens für den Schulbesuch zu wecken. Auch | |
mit den AnwältInnen der Jugendlichen dürften sie keinen Kontakt aufnehmen. | |
„Ich weise entschieden den Vorwurf zurück, dass das Jugendamt die | |
pädagogische Arbeit mit Jugendlichen behindere oder dass Mitarbeiter der | |
Träger unter Druck gesetzt werden“, sagt dagegen Bernd Schneider, Sprecher | |
von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne). | |
Eine Schulpflicht gelte nur bei Minderjährigen – die Bildungsbehörde müsse | |
daher im Streitfall die Entscheidung abwarten, ob es sich wirklich um einen | |
Minderjährigen handelt. „Die Alterseinschätzung ist eine bundesgesetzliche | |
Vorgabe“, so Schneider weiter, und ohne ein abgeschlossenes Verfahren sei | |
die Gewährung von Leistungen der Jugendhilfe überhaupt nicht zulässig. | |
Der Kern des Problems liegt dabei in der Altersfeststellung. Die | |
Betroffenen sagen, sie seien minderjährig – das Jugendamt ist anderer | |
Ansicht. Und ein Eilverfahren bedeutet noch lange keine abschließende | |
Entscheidung. Das Jugendamt bestimmt das Alter der unbegleiteten | |
Geflüchteten mittels „qualifizierter Inaugenscheinnahme“. | |
Das bedeutet: Zwei MitarbeiterInnen plus Dolmetscher verschaffen sich im | |
Gespräch einen Eindruck über die „Gesamtpersönlichkeit des Antragstellers�… | |
Sie achten dabei auf körperliche Merkmale wie Stimmlage, Bartwuchs und | |
Gesichtszüge sowie das Verhalten während des Gesprächs. So ist es im | |
Sozialgesetzbuch festgelegt. In Zweifelsfällen folgt eine | |
Zahnstandsuntersuchung. Seit August kann das Jugendamt zusätzlich eine | |
Röntgenuntersuchung des Handwurzelknochens und des Schlüsselbeinknochens | |
heranziehen. | |
Die Ausweitung der medizinischen Untersuchungen geht auf drei Beschlüsse | |
des Oberverwaltungsgerichts zurück, das dabei auch die Empfehlungen der | |
„Arbeitsgemeinschaft für forensische Altersdiagnostik“ berücksichtigt hat. | |
Das Jugendamt habe zudem überhaupt kein eigenes Interesse, einem | |
Jugendlichen die Anerkennung als solchem zu verwehren, sagt Sprecher | |
Schneider. Denn faktisch würden alle Jugendlichen, die in Bremen Aufnahme | |
begehren, in andere Bundesländer umverteilt. „Insofern ist es nicht | |
ersichtlich, warum das Jugendamt besonders restriktiv bei der Anerkennung | |
von Minderjährigkeit vorgehen sollte, wenn es doch die Konsequenzen – | |
nämlich Aufnahme in die Jugendhilfe – gar nicht selbst zu tragen hätte.“ | |
18 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Karolina Meyer-Schilf | |
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