# taz.de -- Gedenkort für Fluchtopfer: Ein Mahnmal für die Namenlosen | |
> Allein in diesem Jahr verschwanden 636 Flüchtlinge auf dem Mittelmeer. In | |
> Bremen entsteht nun der erste Gedenkort für Fluchtopfer – auf einem | |
> Friedhof in Arsten. | |
Bild: Tödliche Überfahrt: Geflüchtete im Mittelmeer in einem sinkenden Schla… | |
BREMEN taz | Das erste deutsche Mahnmal für Fluchtopfer will die Bremer | |
Kirchengemeinde in Arsten-Habenhausen am 3. Juni enthüllen. Auf dem | |
Friedhof in Arsten soll die Skulptur des Künstlers Klaus Effern an die | |
Tausenden Geflüchteten erinnern, die auf der Flucht über das Mittelmeer | |
gestorben sind. | |
Bei der feierlichen Enthüllung werden Geistliche der evangelischen Kirche | |
und ein Imam sprechen. Weitere Gäste sind der Gründer von Pro Asyl, Jürgen | |
Micksch, sowie der afghanische Bootsflüchtling Mohammadi Naiem, der seit | |
2002 ertrunkene Geflüchtete auf der griechischen Insel Lesbos bestattet. | |
Ein gewellter Teppich aus Bronze soll an die tödlichen Wogen des Meeres und | |
die Dünen der Wüste erinnern. Diese Form stammt vom Künstler, das Zitat | |
darauf haben jedoch die IdeengeberInnen des Bremer Arbeitskreises Asyl | |
ausgewählt: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen“ lautet der | |
Ausschnitt aus dem 21. Kapitel der Offenbarung. | |
Koransuren hätten zuvor zur Debatte gestanden, schließlich seien die | |
meisten Geflüchteten Muslime, erklärt Friedhelm Arning vom Arbeitskreis | |
Asyl. Doch dann riet ihnen der Bremer Imam Bilal Güney, stattdessen auf die | |
eigene Religion zu vertrauen. Darüber hinaus willigte er ein, ein | |
traditionelles Totengebet auf der Enthüllungsfeier zu sprechen. | |
„Wir brauchen einen Ort, an dem Flüchtlinge ihrer Trauer nachgehen können�… | |
sagt Arning. Viele Menschen verschwänden im Mittelmeer und die Verwandten | |
wüssten nicht, wo sie trauern könnten. | |
Seit über 20 Jahren arbeitet Arning in Heimen der Flüchtlingshilfe. „Man | |
merkt, dass die Menschen dort furchtbare Fluchterfahrungen mit sich | |
herumtragen“, sagt er. Offen sprechen darüber die wenigsten. So entstand | |
vor drei Jahren die Idee für die Gedenkstätte. Über die Arstener Gemeinde | |
holten sie den Pastor Christian Schulken dazu, der mit der Kulturbehörde | |
eine Ausschreibung für das Mahnmal organisierte. Diese gewann der in Bremen | |
und Siegesburg arbeitende Klaus Effern, der bei der Realisierung in Kontakt | |
mit der Arstener Gemeinde stand. | |
Für Schulken ist die Gedenkstätte die gelebte „starke christliche | |
Tradition“, auch Tote anderer Konfessionen zu bestatten. Gerade die | |
Nachbarschaft des Mahnmals mit dem Kreuz für die Toten aus den zwei | |
Weltkriegen bewertet er positiv: „So können wir das Totengedenken | |
aktualisieren.“ Das Mahnmal werde nun von Besucher*innen am Volkstrauertag | |
wahrgenommen. Ein solcher Tag für Geflüchtete, davon träumt Jürgen Micksch, | |
Pastor und Gründer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. | |
„Das Gedenken hat eine langfristige Dimension, die ebenso wichtig ist wie | |
der kurzzeitige Protest.“ So könnten sich auch in den folgenden | |
Jahrhunderten Menschen an die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer | |
erinnern. „Das Bremer Denkmal ist ein ganz zentraler Denkanstoß“, sagt | |
Micksch. Er hofft auf weitere Gedenkstätten in Deutschland, wie auch der | |
Afghane Mohammadi Naiem. | |
## Kein Geld für eine Überführung | |
Anfang des Jahrtausends floh auch er über das Mittelmeer auf die Insel | |
Lesbos. Als er dort die toten namenlosen Geflüchteten an den Stränden sah, | |
beschloss er, sie zu begraben. „Die Menschen sterben nicht allein. Hinter | |
ihnen stehen ganze Familien“, sagt Naiem. | |
Besonders afghanischen Familien sei die Bestattung wichtig, sagt Naiem, | |
aber häufig hätten sie kein Geld für eine Überführung des Leichnams. Ihnen | |
gebe er einen Ort, an dem sie trauern könnten. Die Gedenkstätte könnte ein | |
solcher Ort sein. Außerdem schaffe er die nötige Aufmerksamkeit für das | |
anhaltende Sterben im Mittelmeer. Viel zu wenig werde darüber berichtet. | |
Auch die namenlosen Opfer sind für Naiem nicht bloß Zahlen: „Das sind | |
Menschen.“ | |
28 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Eva Przybyla | |
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