Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wohnen statt Reiten: Aus der galoppierende Traum
> Bremens Pferderennbahn schließt: Die Stadt kriegt Bauland für dringend
> benötigte Wohnungen in der Vahr – und der Verein wird sein Defizit los.
Bild: Auf Kosten der Tiere und der Stadt wurden in der Vahr Rennen veranstaltet…
Schon mehrmals ist die Schließung der Galopprennbahn angekündigt worden.
Aber diesmal scheint es ernst: Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD) die
Fläche für den Wohnungsbau zur Verfügung stellen. Mehr als 2.000 Menschen
könnten dort ein Zuhause finden. Ab 2018, so Günthner, könnte es losgehen.
Frank Lenk, Sprecher des Vorstands des Rennvereines, reagiert eher
gelassen: „Wir bedauern diese Entscheidung natürlich, haben aber auch
Verständnis für die Gründe, die dazu geführt haben“, erklärte er gegenü…
der taz. Im Januar werde sich der Vorstand zusammensetzen, um die Lage zu
beraten. Während der Rennverein vor gut einer Woche erstmals von einer
bevorstehenden Schließung hörte, war das Bauressort am Mittwochabend
vollkommen überrascht.
Das „Aus“ stand im Jahre 2008 schon einmal auf der Tagesordnung – damals
wollte die neue rot-grüne Koalition die Zuschüsse drastisch reduzieren.
Allein in den zehn Jahren seit 1999 hatte Bremen rund 20 Millionen Euro
Steuergelder in die Pferderennbahn gesteckt – in der Hoffnung, dass daraus
eine Touristenattraktion werden könnte. Von 100.000 Besuchern hatte der
frühere Wirtschaftsstaatsrat Frank Haller geträumt und diese Zahl als
„Gutachten“ an die Stadt verkauft. Heute ist der Rennverein stolz, dass im
ganzen laufenden Jahr 13.000 BesucherInnen gekommen sind.
Und wenn betont wird, dass es sich bei einem Besuch auf der Rennbahn um ein
Vergnügen für Familien handele, ist das schon eine Abkehr der
ursprünglichen Idee, nach der Pferderennen Spezialveranstaltungen für
Menschen sind, die viel Geld in Wetten stecken. Die werden inzwischen aber
über das Internet abgeschlossen und man muss nicht mehr am Rasen stehen, um
mitzocken zu können. Hoch dotierte Rennen waren zudem in Bremen immer
seltener geworden.
Die Kaffee-Erben von Jacobs hatten früher regelmäßig die Defizite des
Rennvereines ausgeglichen. Andreas Jacobs allerdings hat sich schon 1999
zurückgezogen, er wurde in einer Fachzeitschrift mit den Worten zitiert:
„Kein Unternehmen der Welt subventioniert Sparten oder Bereiche, die ohne
Subventionen wirtschaftlich unrentabel sind.“ Das Wirtschaftressort unter
dem damaligen Senator Jörg Kastendiek (CDU) hatte 2006 errechnet, welche
Schadensersatzforderungen aufgrund der offenbar schlechten Verträge der
Stadt mit dem Rennverein drohen würden, wenn Bremen aussteigen sollte: bis
zu 16 Millionen Euro.
Bis zum Jahre 2077 hatte zum Beispiel die Stadt einen Vertrag mit dem Hotel
an der Rennbahn über ein bestimmtes Tages-Kontingent abgeschlossen – de
facto eine Subventionierung des Hotel-Baus, der der Rennbahn zugute kommen
sollte. Ein Geflecht aus zwölf Verträgen band Bremen an die Bahn, kunstvoll
verwoben zum Nachteil der Staatskasse.
Die neue Senats-Koalition hat dann 2008 den Rückzug aus dem Betrieb
begonnen und dem Verein zum finanziellen Trost Rand-Grundstücke
überschrieben, die verkauft und bebaut werden konnten. Indirekt flossen
zudem kleinere Zuschüsse weiter über verschiedene Kanäle. Mit einer
Abschlagszahlung von 1,4 Millionen Euro hatte sich die Stadt im Jahre 2010
aus all diesen Verpflichtungen herausgekauft.
Dass das Grundstück überhaupt der Stadt gehört, war das Ergebnis eines
Deals zugunsten der Rennbahn: 1979 hatte Bremen es dem Verein abgekauft und
danach der Galopprennbahn für einen letztlich symbolischen Pacht-Preis
überlassen.
Während bei anderen Zocker-Vergnügungen wenigstens die Staatskasse ihren
Anteil bekommt, liegt der Fall bei den Rennwetten anders: Die
„Totalisatorsteuer“ aus den Wetten müssen in die Rennvereine „zu Zwecken
der öffentlichen Leistungsprüfung für Pferde“, wie es in dem Gesetz von
1922 heißt, zurückfließen. Im Jahr 1999 waren das noch 560.000 Euro –
zusätzlich zu staatlichen Förderungen. Mit dem Rückgang der Wettumsätze ist
davon weniger als ein Viertel übrig geblieben.
11 Dec 2015
## AUTOREN
Klaus Wolschner
## TAGS
Pferde
Immobilien Bremen
Bremen
Bremen
Volksentscheid
Stadtentwicklung Bremen
Immobilien Bremen
Pferdesport
Recht auf Wohnung
Pferdesport
Sozialwohnungen
Katzen
Wildtiere
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pferderennen in Bremen: Die Gefahr rennt mit
Auf der ehemaligen Bremer Galopprennbahn soll im September ein erstes
Pferderennen stattfinden. Der Tierschutzverein protestiert.
Volksentscheid über Rennbahn-Bebauung: Klage gegen Senatskampagne
Die Freien Wähler wollen gegen die Senatskampagne zum Bremer
Rennbahn-Volksentscheid klagen. Auch die BI und die FDP fordert einen
Stopp.
Volksentscheid zum Rennbahnquartier: Der Senat macht mobil
Mit Flyern und Plakaten wirbt der Bremer Senat für ein „Nein“ zum
Volksentscheid gegen die Rennbahnbebauung. Dafür erntet er viel Kritik.
Bebauung der Bremer Galopprennbahn: Fast vergaloppiert
Bremens rot-grüne Koalition konnte sich nicht auf den Vorschlag einigen,
mit einem zweiten Volksentscheid der Bürgerinitiative Rennbahn
entgegenzutreten.
Bebauung des Bremer Rennbahngeländes: Galopper wehren sich
Mit einem Volksbegehren will eine Bürger-Ini die Bebauung des
Rennbahngeländes in der Vahr verhindern. Die Stadt Bremen will dort über
1.000 Wohnungen bauen.
Protestmarsch: Beschlagnahmung bleibt aus
200 Menschen fordern mehr Wohnraum für Flüchtlinge und arme Menschen. Sie
ziehen an vielen leerstehenden Gebäuden in der Neustadt vorbei
Tierwohl im Pferdesport: Kontrolle durch Schmerz
Gebrochene Kiefer, geplatzte Gelenkkapseln, chronische Krankheiten: Im
deutschen Pferdesport wird Schreckliches toleriert.
Unterkünfte für Flüchtlinge: Erst einmal ohne Balkon und Aufzug
Es mangelt an Unterkünften für Flüchtlinge, aber auch an Sozialwohnungen
für Geringverdiener. Architekten tüfteln an variablen Lösungen.
Sommerserie Großstadtrevier (3): Keine Angst vorm Serienkiller
An Katzen, häuslichen wie verwilderten, scheiden sich die Geister. Wollen
die nur spielen – oder einen Massenmord unter Kleintieren anrichten?
Beliebte Jägerei: Töten aus Lust
Warum schießen Menschen auf Tiere, wenn sie gar nicht müssen? Die Literatur
deutet auf einen Zusammenhang von Erotik und Tötungsakt hin.
Rennverein gibt nicht auf: Bremen galoppiert weiter
Zu wenig Zuschauer, zu wenig Wettgeschäft, zu wenig Staatsknete – noch im
Herbst wollte der Bremer Rennverein Schluss machen. Nun macht er weiter.
Irgendwie
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.