# taz.de -- Aktivist*innen über die „Dete“-Besetzung: „Für Radikalität… | |
> Seit Freitag besetzen Aktivist*innen die „Dete“, ein ehemaliges Bremer | |
> Kulturzentrum. Sie solidarisieren sich mit der kürzlich geräumten „Liebig | |
> 34“. | |
Bild: Auch am Montag durften die Aktivist*innen noch die „Dete“ besetzen | |
taz: Lilith und Luna, Sie und die anderen Hausbesetzer*innen sind [1][immer | |
noch nicht geräumt] worden. Überrascht Sie das? | |
Luna: Ja, voll. Wir sind Montagmorgen super früh aufgestanden, weil nachts | |
zwei Cops in die Absperrung gekommen sind. Die meinten, bis um fünf Uhr | |
müssen die Barrikaden weg sein. Wir dachten, dass das eventuell auch für | |
uns der Auftakt zur Räumung ist. Und dann passierte einfach nichts. | |
Lilith: Wir haben langsam den Eindruck, dass sie nicht wirklich eine Idee | |
haben, wie sie räumen sollen und auch sehr überrascht sind von der | |
Solidarität. | |
Solidarität aus der Nachbarschaft? | |
Lilith: Von Anwohner*innen, aber auch aus der ganzen Stadt. Die bringen Tee | |
und Decken und finden es richtig schön, dass das Haus hier mal wieder | |
genutzt wird. Damit hatten wir gar nicht gerechnet. Jeden Tag entsteht | |
mehr. Das ist sehr beeindruckend. | |
Luna: Als wir Freitag hier hochgeklettert sind, stand gegenüber ein Vater | |
mit seinem kleinen Sohn. Ich hatte schon fast ein schlechtes Gefühl, weil | |
ich dachte, er ist total empört, dass sein Kind sich so etwas anschauen | |
muss. Das Kind fragte dann, was passiert und der Vater sagte: „Die Dete | |
steht hier schon so lange leer und es wäre doch richtig schön, wenn das mal | |
wieder genutzt werden würde.“ | |
Wie würden Sie sich bei einer Räumung verhalten? | |
Luna: Nicht kooperativ. Den Menschen in der Liebig wurde Freitag das | |
Zuhause genommen von quasi der gleichen Institution, die uns jetzt hier das | |
Haus wegnehmen will. Ich bin nicht bereit, denen auch nur ein Stück | |
entgegenzukommen. | |
Lilith: Das, was hier entstanden ist – was wir am Anfang gar nicht geplant | |
hatten – ist super toll und inspirierend. Ich glaube, das kommt auch daher, | |
dass es so ein Projekt in Bremen lange nicht gegeben hat. | |
Was hatten Sie denn am Anfang geplant? | |
Lilith: Unsere ursprüngliche Motivation für die Besetzung war die brutale | |
Räumung der Liebig, weil uns das als Flinta*-Menschen [Frauen*, Lesben, | |
Inter-, Trans-, Nonbinäre und A-Gender] noch auf eine andere Art | |
mitgenommen hat. Wir dachten, es wäre gut, hier ein Symbol zu setzen: Wenn | |
ihr uns einen Raum nehmt, nehmen wir uns einen anderen. | |
Sie waren also Freitag [2][nach der Räumung der Berliner Liebigstraße 34] | |
so sauer, dass Sie spontan beschlossen haben, ein Haus zu besetzen und dann | |
haben Sie einfach die Dete ausgewählt? | |
Luna: Wir wollten eigentlich nach Berlin fahren, aber haben das aufgrund | |
der hohen Infektionszahlen gelassen. Dann waren wir super frustiert und | |
haben uns spontan diesen Alternativplan überlegt. | |
Lilith: Wir hatten ein paar Ideen und die hier fanden wir am meisten | |
solidarisch mit der Liebig. | |
Sie sagten gerade, „wir nehmen uns einen anderen Raum“. Wen meinen Sie mit | |
„wir“? | |
Luna: Flinta*-Menschen im Allgemeinen, aber vor allem linksradikale | |
Flinta*-Menschen. Wir, also die in der Gruppe „Rosarote Zora“ organisierten | |
Flinta*-Personen, erleben selbst, dass uns total viele Dinge in der | |
linksradikalen Szene von Männern aberkannt werden und wir für Radikalität | |
oder Aggressivität verurteilt werden. Das sind aber Dinge, die für Männer | |
in der Szene total normal sind. | |
Wie nehmen Sie linke Widerstandspraxis aus queerfeministischer Perspektive | |
wahr? | |
Luna: Die ist oft sehr männlich dominiert und das ist super schade, weil | |
Frauen und Flinta* in der linksradikalen Szene dann abgesprochen wird, die | |
Aggressivität und die Stärke mitzubringen, Häuser zu besetzen, sich gegen | |
Polizei durchzusetzen und sich körperlich zu wehren – und deswegen sind | |
Männer in solchen Fällen super dominant. Gerade deswegen ist es wichtig, | |
dass Flinta*-Räume entstehen wie die Liebig, in dem man sich genau darüber | |
austauschen konnte. | |
Lilith: Als wir Freitag angekommen sind, haben wir uns auch extra als | |
leicht erkennbar weiblich gegeben, weil wir alle schon die Erfahrung | |
gemacht haben, bei politischen Aktionen männlich gelesen zu werden. Aus dem | |
Grund, dass nicht damit gerechnet wird, dass Flinta*-Menschen auch | |
aggressiv und radikal auftreten können und dabei auch nicht die Hilfe von | |
Cis-Männern brauchen. | |
Damit beleuchten Sie ja zwei Themen: das allgemeine Fehlen freier Räume und | |
den Protest gegen Leerstand, sowie die Kritik an der heteronormativen | |
linken Szene. | |
Luna: Genau. Die gehören ja aber auch irgendwie zusammen. Das Flinta*-Thema | |
schlägt sich vor allem darin nieder, dass wir Männer nicht ins Haus lassen. | |
Was wünschen Sie sich für das Haus hier? | |
Lilith: Wir haben schon den Menschen, die unten am Haus mitmachen und auch | |
den Anwohner*innen gesagt, dass wir uns einen Dialog wünschen darüber, was | |
hier entstehen könnte. Wir hier oben sind auch geschlaucht und haben nicht | |
die Kapazität, uns auch noch ein krasses Konzept auszudenken. Wir haben | |
Ideen und beteiligen uns, aber wir fänden es schön, wenn das auch mit den | |
Menschen, die hier leben und anderen Flinta*-Menschen abgesprochen wäre und | |
wir hier nicht im Alleingang Sachen entschieden. | |
Luna: Gerade die weiblich gelesenen Nachbar*innen haben super positiv | |
darauf reagiert und fänden es toll, mehr Frauen- oder Flinta*-Räume zu | |
schaffen. Vielleicht sollte es deshalb auch gar nicht wieder ein | |
Kulturzentrum werden. Wir haben also eine Vorstellung davon, wer diesen | |
Raum nutzt, nämlich Flinta-*-Personen. Wir wünschen uns auch einen | |
linksradikalen Inhalt – aber wie genau, ob Wohnraum oder Jugendzentrum, | |
wissen wir nicht. | |
Das scheint ja angesichts der Besitzverhältnisse auch eher unrealistisch. | |
Haben Sie Kontakt mit dem Besitzer der Hauses? | |
Luna: Nein. Ich hab aber auch nicht so ein großes Interesse daran, Herrn | |
Bremermann mal kennenzulernen. Er hat uns inzwischen angezeigt wegen | |
Hausfriedensbruchs. | |
Warum gibt es die „Rosarote Zora“? | |
Luna: Wir haben uns entschieden, uns als „Rosarote Zora“ zu organisieren, | |
weil wir als Flinta*-Menschen alle selbst in verschiedenen Formen | |
Erfahrungen mit Diskriminierung machen, nicht nur im aktivistischen | |
Bereich. Seit ein paar Wochen plenieren wir. | |
Lilith: Als Flinta*-Person zu leben, ist ein politischer Akt. Jeden Tag. In | |
der Gruppe sind tägliche Auseinandersetzungen Thema, aber auch | |
sexualisierte Gewalt – ein ziemlich breites Spektrum an Scheißerfahrungen. | |
13 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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