# taz.de -- Grundgesetzänderung im Bundesrat: Milliardendeal mit Hochschulen | |
> Am Freitag werden zwei Themen im Doppelpack im Bundesrat beraten: die | |
> Bafög-Änderung und die Lockerung des Kooperationsverbots. | |
Bild: Für studierende Bafög-EmpfängerInnen ändert sich nichts | |
BERLIN taz | Wer Kaukasiologie studieren will, kann das an genau einer | |
Universität in Deutschland tun: in Jena. Hier forschen und lehren ein | |
Professor und drei Mitarbeiter über eine Region, die als Brücke zwischen | |
Europa und Asien gilt. Doch die Existenz dieses Orchideenfachs war im | |
letzten Jahr bedroht, denn das Land Thüringen forderte von seinen | |
Universitäten, sich auf aussichtsreiche Fächer zu beschränken. Was für die | |
Uni bedeutete, bis 2015 rund 7 Millionen Euro sparen zu müssen. | |
Doch die Kaukasiologie bleibt. Dank eines Deals den Bundesfinanzminister | |
Wolfgang Schäuble (CDU) und die SPD-regierten Länder im Mai eingefädelt | |
hatten, werden Thüringens Hochschulen im nächsten Jahr nämlich 30 Millionen | |
Euro zusätzlich aus der Landeskasse erhalten. Dafür übernimmt der Bund den | |
Finanzierungsanteil der Länder an der Bundesausbildungsförderung (Bafög) in | |
Höhe von 1,17 Milliarden Euro und darf sich im Gegenzug künftig stärker in | |
Hochschulangelegenheiten einmischen. | |
Vorausgesetzt, die Länder akzeptieren am Freitag im Bundesrat in erster | |
Instanz mit Zweidrittelmehrheit eine Änderung des Grundgesetzes. Damit sie | |
nicht zu lange zaudern, hat Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) | |
die beiden Gesetzentwürfe im Doppelpack eingebracht. Die Bafög-Milliarde | |
auf Top 21 winkt gewissermaßen als Belohnung für die Zustimmung zur | |
Grundgesetzänderung auf Top 14. | |
Lange hatte die Große Koalition um eine Lockerung des sogenannten | |
Kooperationsverbots im Bildungsbereich gefeilscht. Die Union beharrte | |
darauf, dass Bund und Länder nur im Bereich der Wissenschaft | |
zusammenarbeiten sollten. Die SPD wollte indessen, dass der Bund sich auch | |
in die Schulen finanziell und ideell einbringen darf. Mit der derzeit | |
geplanten Grundgesetzänderung bleibt das unmöglich. | |
## Aufstand im Kleinen | |
Die SPD erträgt es. „Ich rechne damit, dass eine überwältigende Mehrheit | |
der Länder dem Kompromiss zustimmen wird“, sagt der bildungspolitische | |
Sprecher der SPD-Fraktion, Ernst-Dieter Rossmann. Bei der | |
Föderalismusreform 2006 hielt die SPD als Juniorpartner der ersten | |
Merkel-Regierung noch dagegen und drohte, die damalige Grundgesetzänderung | |
zu blockieren. So setzte sie durch, dass der Bund wenigstens noch Forschung | |
und Projekte an den Unis fördern darf. Die Exzellenzinitiative und der | |
Hochschulpakt für zusätzliche Studienplätze wären sonst nicht möglich | |
gewesen. Doch diesmal bleibt der große Aufstand aus. „Ich sehe derzeit | |
keine Hintertür für die Schulen“, sagt Rossmann. | |
Einige Länder, in denen die SPD regiert, proben dennoch den Aufstand im | |
Kleinen. Sie haben einen weiteren Antrag eingebracht, in dem sie | |
festhalten, „dass im gesamten Bildungsbereich große Herausforderungen | |
bestehen und es deshalb künftig auch in diesem Bereich eines stärkeren | |
Engagements des Bundes bedarf.“ Er rechne damit dass dieser Zusatz morgen | |
verabschiedet werde, sagte ein Sprecher des Schulministeriums von | |
Nordrhein-Westfalen. „Die Front steht.“ | |
Allerdings ist dieser Antrag nicht als Alternativvorschlag, sondern als | |
Ergänzung gedacht. Wird er beschlossen, muss sich Anfang Oktober auch der | |
Bundestag mit dieser Stellungnahme auseinandersetzen, wenn er über die | |
Grundgesetzänderung berät. | |
Am 19. Dezember soll der Bundesrat dann abschließend über Bafög und | |
Verfassungsänderung beraten. Schon 2015 wird es dem Bund wieder möglich | |
sein, direkt in die Hochschulen zu investieren und Fächer wie die | |
Kaukasiologie als Fall von „überregionaler Bedeutung“ zu unterstützen. | |
Vorausgesetzt, die Länder stimmen dem zu. | |
19 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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