| # taz.de -- Arbeitsbedingungen an den Hochschulen: Wissenschaftler nicht nur au… | |
| > Die Gewerkschaft GEW will Daueranstellungen an den Unis für | |
| > wissenschaftliche Mitarbeiter, die promoviert sind. Auch die SPD plant | |
| > einen Gesetzentwurf. | |
| Bild: Der Unibetrieb ist ohne wissenschaftliche Mitarbeiter undenkbar | |
| BERLIN taz | Sie unterrichten Studenten, werben Forschungsgelder ein, | |
| organisieren Kongresse und basteln nebenbei an ihrem Doktortitel oder an | |
| einer Professur – die über 100.000 wissenschaftlichen Mitarbeiter an | |
| Hochschulen. Doch die übergroße Mehrheit von ihnen, nämlich 85 Prozent, ist | |
| auf Zeit angestellt, ihre Chancen auf eine feste Stelle sind in den letzten | |
| Jahren stetig gesunken. Das soll sich ändern. | |
| Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, planbare und | |
| verlässliche Karrierewege für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu schaffen. | |
| Die Bildungsgewerkschaft GEW macht jetzt Druck und legt an diesem Freitag | |
| einen Vorschlag zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes | |
| (WissZeitVG) vor. | |
| Im Kern gehe es darum, die Hochschulen gesetzlich zu verpflichten, für | |
| Daueraufgaben auch Dauerstellen zu schaffen, sagt GEW-Vize Andreas Keller | |
| der taz. Zeitverträge für Promovierende seien weiterhin okay. „Aber wenn | |
| die Hochschulen promovierte Wissenschaftler befristet anstellen wollen, | |
| dann nur noch, wenn jenen eine Perspektive eröffnet wird, auf Dauer an der | |
| Hochschule zu bleiben.“ | |
| Solche Tenure-Track-Optionen, die Wissenschaftlern eine feste Stelle | |
| garantieren, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen, sind im | |
| angelsächsischen Raum üblich, in Deutschland bisher die Ausnahme. „Wir | |
| wollen den deutschen Sonderweg beenden“, begründet Keller den angestrebten | |
| Systemwechsel. „Der Regelfall soll die unbefristete Beschäftigung sein, wie | |
| im Arbeitsrecht üblich.“ | |
| ## Jeder zweite Vertrag läuft kürzer als ein Jahr | |
| Was bei Unternehmen illegal wäre, ist an den Hochschulen die Regel: | |
| Praktisch alle Stellen unterhalb der Professur werden nur auf Zeit besetzt. | |
| Möglich wird das durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das es erlaubt, | |
| alle Beschäftigten in zeitlich begrenzten Forschungsprojekten, welche nicht | |
| aus dem Grundetat finanziert werden, befristet anzustellen. Auf solche | |
| Drittmittel sind die Hochschulen zunehmend angewiesen. | |
| Union und SPD sind sich zwar einig, dass es so nicht weitergehen kann, aber | |
| uneins, wie sie gegensteuern wollen. | |
| Die GEW schieße mit ihrem Gesetzesvorschlag über das Ziel hinaus, meint | |
| Tankred Schipanski, der für die CDU im Bildungsausschuss des Bundestags | |
| sitzt. Der Vorschlag, befristete Beschäftigungsverhältnisse in der | |
| Postdoktorandenphase faktisch abzuschaffen, indem allen Postdoktoranden | |
| eine Dauerstelle in Aussicht gestellt werde, sei für die Hochschulen nicht | |
| zu leisten. „In der Praxis müsste bei diesen Stellen dann radikal | |
| gestrichen werden“, gibt Schipanski gegenüber der taz zu bedenken. | |
| ## SPD ist für längere Verträge | |
| Überhaupt hat die Union Zweifel, ob eine Reform des WissZeitVG der richtige | |
| Weg sei. „Wesentlich bedeutsamer ist, dass die Länder und die Hochschulen | |
| selbst Vereinbarungen treffen, die die Situation ihrer | |
| Nachwuchswissenschaftler verbessern“, sagt Schipanski. | |
| Die SPD kann sich hingegen mit den GEW-Vorschlägen weitgehend anfreunden. | |
| „Vieles deckt sich mit unseren Eckpunkten“, sagte die zuständige | |
| SPD-Abgeordnete Simone Raatz der taz. So will die SPD etwa, wie auch die | |
| GEW, dass Verträge für Doktoranden mindestens drei Jahre laufen und | |
| Verträge für Drittmittelprojekte der Laufzeit der Drittmittelfinanzierung | |
| entsprechen. Derzeit sieht die Praxis anders aus, jeder zweite | |
| Arbeitsvertrag für wissenschaftliche Mitarbeiter hat eine Laufzeit von | |
| unter einem Jahr. „Kein anderer Arbeitgeber geht so mit seinen | |
| Beschäftigten um, da muss ein Umdenken stattfinden“, sagt Raatz. | |
| Die SPD will demnächst einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen. Man habe das | |
| Ziel, noch vor der Sommerpause ein novelliertes WissZeitVG im Bundestag zu | |
| verabschieden. „Das kommt“, sagt Raatz selbstbewusst. | |
| Nur der Vorschlag, promovierten Wissenschaftlern Dauerstellen per Gesetz zu | |
| sichern, geht Raatz zu weit. Stattdessen arbeitet die SPD an einem „Pakt | |
| zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchs“. Den will sie mit dem | |
| Koalitionspartner noch in diesem Jahr vereinbaren. | |
| 16 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
| ## TAGS | |
| Universität | |
| Wissenschaft | |
| Zeitverträge | |
| Gewerkschaft GEW | |
| Zeitarbeit | |
| Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt | |
| Hochschule | |
| Zeitverträge | |
| Wissenschaft | |
| Andrea Nahles | |
| Prekariat | |
| Universität | |
| Universität | |
| Wolfgang Schäuble | |
| Studium | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Befristete Beschäftigung: In der Luft hängengelassen | |
| Die Uni Leipzig hat eine Biochemikerin 22 Jahre lang nur befristet | |
| beschäftigt. Das Bundesarbeitsgericht lehnte ihre Klage auf Festanstellung | |
| ab. | |
| Arbeitsbedingungen von Uni-Hilfskräften: Auf in den Arbeitskampf | |
| An der Goethe-Uni in Frankfurt kämpfen Hilfskräfte für einen Tarifvertrag. | |
| Sollte es ihnen gelingen, könnte das Signalwirkung für andere Unis haben. | |
| Jura-Prof über Arbeit an der Hochschule: „Verkapptes Bewerbungsverhältnis“ | |
| Unterfinanzierte Hochschulen rechtfertigen keine ausgebeuteten | |
| Vertretungensprofessoren, sagt Michael Hartmer vom Deutschen | |
| Hochschulverband. | |
| Neues Gesetz zu Uni-Zeitverträgen: Das Ende der Unsicherheit naht | |
| Bildungsministerin Johanna Wanka hat ihren Gesetzentwurf vorgestellt. | |
| Kurzzeitverträge sollen die Ausnahme werden. | |
| Zeitverträge in der Wissenschaft: Keine Ultrakurzbefristungen mehr | |
| Union und SPD sind sich einig: Zeitverträge für Wissenschaftler sollen so | |
| lange laufen, wie diese für die Promotion oder ihr Projekt brauchen. | |
| Arbeitsschutz in Deutschland: „Das Ding ist tot.“ | |
| Die Arbeitsstättenverordnung der Bundesarbeitsministerin ist gescheitert. | |
| Die Verbesserungsvorschläge für Arbeitsbedingungen sollen völlig neu | |
| erarbeitet werden. | |
| Arbeitslose Akademiker: 400 Bewerbungen und kein Job | |
| Unsere Autorin hat promoviert. Trotzdem wäre sie mit 1.100 Euro im Monat | |
| sehr glücklich. Das glauben ihr viele Arbeitgeber aber nicht. | |
| Kommentar Arbeit an Universitäten: Schluss mit Dr. Zeitvertrag | |
| Promovierte Mitarbeiter an den Unis hangeln sich von Zeitvertrag zu | |
| Zeitvertrag. Es wird höchste Zeit, dass sich die Bedingungen ändern. | |
| Professor über Uni-Kurse im Internet: „Der Durchbruch steht noch bevor“ | |
| Online-Kurse sollten ein Studium für viele möglich machen. Das hat so nicht | |
| geklappt. Der US-Professor Mohammad Qayoumi glaubt aber weiter an sie. | |
| Grundgesetzänderung im Bundesrat: Milliardendeal mit Hochschulen | |
| Am Freitag werden zwei Themen im Doppelpack im Bundesrat beraten: die | |
| Bafög-Änderung und die Lockerung des Kooperationsverbots. | |
| Belastung im Studium: Ausgebrannt und aufgeputscht | |
| Die Beratungsstellen an norddeutschen Universitäten sind ausgelastet. | |
| Studierende bewältigen den Stress mit Medikamenten – oder mit | |
| professioneller Hilfe. |