# taz.de -- Neues Gesetz zu Uni-Zeitverträgen: Das Ende der Unsicherheit naht | |
> Bildungsministerin Johanna Wanka hat ihren Gesetzentwurf vorgestellt. | |
> Kurzzeitverträge sollen die Ausnahme werden. | |
Bild: Ist die Person mit dem Photobioreaktor nächstes Jahr noch an der Uni? | |
Berlin taz | Johanna Wanka macht es wie einst Annette Schavan. Sie zitiert | |
sich selbst. Aber anders als ihre Vorgängerin nennt die | |
Bundeswissenschaftsministerin die Quelle. Im Januar hatte Wanka (CDU) der | |
Süddeutschen Zeitung gesagt, [1][es sei indiskutabel, dass die Hälfte der | |
Wissenschaftler kürzer als ein Jahr beschäftigt würden]. Die Vertragsdauer | |
müsse sich bei Doktoranden an der Zeit der Promotion orientieren. | |
Am Dienstag hat Wanka nun ihren Entwurf für eine Änderung des | |
entsprechenden Gesetzes, des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, WissZeitVG, | |
vorgestellt. Dieser stellt klar, dass befristete Verträge für | |
Nachwuchswissenschaftler der Qualifizierung dienen sollen. Die Dauer der | |
Verträge soll so bemessen sein, dass sie der angestrebten Qualifizierung | |
angemessen ist. Für Wissenschaftler, die schon promoviert sind und in | |
Projekten arbeiten, die über zusätzlich eingeworbene Forschungsgelder, | |
sogenannte Drittmittel, finanziert werden, soll künftig gelten: Ihre | |
Verträge sollen der Dauer der Mittelbewilligung entsprechen. | |
Explizite Mindestlaufzeiten werden im Gesetzentwurf nicht genannt und das | |
Wort „soll“ lässt zudem Ausnahmen zu. Wanka ist dennoch sehr zufrieden: | |
„Das ist genau das, was ich wollte.“ | |
Auch der Koalitionspartner ist froh. „Die jungen Wissenschaftlerinnen und | |
Wissenschaftler mussten lange auf Verbesserungen im Befristungsrecht | |
warten“, sagt SPD-Vizefraktionschef Hubertus Heil. „Jetzt kann die | |
Gesetzgebung endlich anfangen und wir werden nicht vom Gas gehen.“ Ab 1. | |
Januar 2016 solle das neue Gesetz gelten. Das könnte knapp werden. Der | |
Gesetzentwurf soll im Herbst vom Kabinett beraten und anschließend im | |
Bundesrat und Bundestag vorgestellt werden. | |
## Neues Gesetz für 200.000 Befristete | |
Das neue Gesetz würde für 200.000 Wissenschaftler gelten, die | |
hauptberuflich und zu 90 Prozent befristet an Hochschulen und | |
außeruniversitären Instituten forschen. Menschen wie Mathias Kuhnt etwa, | |
der am soziologischen Institut der TU Dresden forscht. Er und drei weitere | |
Kollegen sind befristet beschäftigt. Wenn der fünfte Kollege in Rente geht, | |
betrüge die Befristungsquote am Institut 100 Prozent. | |
Kuhnt hat von Fällen wie diesem gehört: Als die wissenschaftliche | |
Mitarbeiterin eines Professors schwanger wurde und in Elternzeit ging, war | |
dieser darüber so wütend, dass er ihren Nachfolgerinnen nur noch | |
Dreimonatsverträge ausstellte. „Der Fall zeigt, was das Gesetz bisher | |
ermöglicht“, sagt Kuhnt. Mit der Gesetzesänderung könnten wissenschaftliche | |
MitarbeiterInnen mit einigem Erfolg gegen solche Kurzzeitverträge klagen. | |
Kuhnt lobt die geplanten Änderungen daher als großen Schritt in die | |
richtige Richtung. „Wir erhoffen uns dadurch eine deutliche Verbesserung | |
der Befristungspraxis an deutschen Hochschulen.“ | |
Allerdings wünscht er sich wie viele Kollegen, dass genauer festgelegt | |
werde, welchen Anteil die Qualifikation an der Arbeitszeit haben muss. | |
Angemessen seien 50 Prozent. | |
Dem derzeit geltenden Gesetz zufolge können junge Forscher vor und nach | |
ihrer Promotion jeweils sechs Jahre lang befristet beschäftigt werden. Er | |
hätte sich gewünscht, dass diese 12-Jahres-Regel ganz gestrichen werde, | |
sagt der promovierte Physiker Sebastian Raupach. „Faktisch stehen die Leute | |
nach zwölf Jahren auf der Straße.“ Raupach hat [2][eine Petition | |
„Perspektive statt Befristung“] mit 25.000 Unterschriften initiiert und | |
Ministerin Wanka sowie Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) darin aufgefordert, | |
für mehr unbefristete Stellen im Wissenschaftsbereich zu sorgen. | |
Mit dem aktuellen Gesetzentwurf lässt sich das nicht umsetzen, wohl aber | |
mit einem Milliardenpaket, das Union und SPD im April vereinbart haben. | |
Diese Initiative zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlern muss aber noch | |
zwischen den Koalitionspartnern und vor allem mit den Ländern verhandelt | |
werden. | |
Die Union möchte ausschließlich Professuren auf Bewährung, sogenannte | |
Tenure Tracks, fördern, die SPD möchte auch den Mittelbau stärken. Der | |
Nachwuchspakt käme wohl erst 2017. Für Raupach ohnehin zu spät. Er hat | |
inzwischen eine feste Stelle gefunden – außerhalb der Wissenschaft. | |
8 Jul 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.sueddeutsche.de/bildung/prekaere-arbeitsbedingungen-bund-will-au… | |
[2] http://www.perspektive-statt-befristung.de/ | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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