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# taz.de -- Mathematiker über Arbeit an Unis: 16 Kurzzeitverträge sind nicht …
> Auch nach 16 Kurzzeitverträgen bekommt der Mathematiker Alfons Hester
> keine Festanstellung an der Uni. Das entschied das Landesarbeitsgericht.
Bild: Blick auf das Zeughaus, einen der Campusbereiche der Justus-Liebig-Univer…
taz: Herr Hester, Sie dürften einen bemerkenswerten Rekord halten: Zwischen
2002 und 2013 bekamen Sie an der Uni Gießen 16 Kurzzeitverträge. Warum
haben Sie sich das so lange gefallen lassen?
Alfons Hester: Ich habe mir den Job ja nicht aus Langeweile ausgesucht. Als
ich nach meinem Diplom auf die Programmiererstelle beim Institut für
analytische Chemie gestoßen bin, dachte ich mir: Das ist dein Traumjob. Da
ich vor dem Mathematik-Studium vier Jahre als chemisch-technischer
Assistent am Fraunhofer-Institut im Labor gearbeitet habe, wollte ich die
Chemie ungern ganz aufgeben. Die Stelle hat beides kombiniert. Dafür lässt
man sich einiges gefallen.
Vergangenes Jahr haben Sie aber dann doch beim Arbeitsgericht geklagt.
Warum?
Lange hatte ich die Hoffnung, dass es mit der Festanstellung klappt. Mit
dieser Aussicht wurde ich hingehalten. Einen Folgevertrag bekam ich
meistens auf den letzten Drücker. Als die Universität Ende 2013 meine
Vertragsverlängerung über Monate hinausgezögert hat, bin ich vor Gericht
gezogen, um eine Festanstellung zu erstreiten.
Fühlen Sie sich ausgenutzt?
Mein Institutsleiter hat sich bemüht, trotz der finanziellen
Schwierigkeiten an der Universität das Geld für meine Arbeit aus
verschiedenen Projekten zusammenzustückeln. Aber wenn keine Stellen frei
sind, kann er auch nichts machen. Die Universität jedenfalls will feste
Stellen im Mittelbau gering halten. Soweit ich weiß, ist nur jeder zehnte
Mitarbeiter fest angestellt. Als ich anfing, war es jeder fünfte. Auch an
meinem Institut konnten Mitarbeiter nicht weiter beschäftigt werden, weil
das Projekt, für das sie angestellt waren, auslief.
Wie sind Sie mit der Unsicherheit zurechtgekommen?
Einmal hatte ich einen Vertrag über zwei Jahre. Ansonsten oft nur über
mehrere Monate. Das hat genervt. Vor allem, da ich zwei Kinder allein
erziehe. Andererseits hatte ich eine gewisse Garantie, weil ich die
Softwareentwicklung am Institut aufgebaut habe. Viele der laufenden
Projekte hängen von mir ab. So schnell hätte man da niemanden einarbeiten
können.
Eine der strittigen Fragen vor Gericht war, ob Sie nur für
Drittmittelprojekte angestellt waren oder nicht. Was trifft zu?
Für das Arbeitsgericht Gießen war das Loewe-Forschungsförderprogramm des
Landes Hessen kein Drittmittelprojekt, für das Landesarbeitsgericht schon.
Die Softwareentwicklung bedarf aber stetiger Betreuung, unabhängig von
einzelnen Projekten. Wenn die Software auch für Drittmittelprojekte
verwendet wurde, musste ich sie anpassen.
Also hat die Hochschule betrogen?
Wie Drittmittelprojekte definiert werden, ist eine Sache. Problematisch ist
eher, dass ich teilweise die Arbeit eines Festangestellten erledigt habe.
Ich habe am Institut Computer installiert und repariert, weil ich mich als
Informatiker damit gut auskenne. Ich habe mich auch um das Netzwerk
gekümmert oder Ersatzteile besorgt. Eigentlich alles Aufgaben eines
IT-Administrators. Das hat ungefähr ein Drittel meiner Arbeitszeit
ausgemacht.
Erst sah es so aus, als wäre Ihnen Gerechtigkeit widerfahren. Nun hat das
Hessische Landesarbeitsgericht Ihre Klage doch noch abgewiesen. Ein
politisches Urteil, um eine Klagewut zu unterbinden?
Mein Fall hätte eine Initialzündung für viele weitere Klagen sein können.
Deshalb musste das Urteil so ausfallen, wie es ausgefallen ist. Auf einen
Vergleich hat sich die Universität nicht eingelassen. Seit Anfang 2014 bin
ich nicht mehr direkt am Institut, sondern über eine externe GmbH
angestellt.
Das Landesgericht hat eine Revision ausgeschlossen. Was bleibt Ihnen?
Noch liegt die Begründung des Gerichts nicht vor. Aber mein Anwalt und ich
prüfen, eine Zulassung für die Revision durchzuboxen.
12 Aug 2015
## AUTOREN
Ralf Pauli
## TAGS
Universität
Arbeitsrecht
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Wissenschaft
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