# taz.de -- Zeitverträge in der Wissenschaft: Keine Ultrakurzbefristungen mehr | |
> Union und SPD sind sich einig: Zeitverträge für Wissenschaftler sollen so | |
> lange laufen, wie diese für die Promotion oder ihr Projekt brauchen. | |
Bild: Überraschung für Nachwuchswissenschaftler: Union und SPD haben sich end… | |
Berlin taz | Hochschulen und Forschungsinstitute sollen | |
arbeitnehmerfreundlicher werden. Ihren wissenschaftlichen Mitarbeitern | |
sollen sie künftig nur noch in Ausnahmefällen Verträge anbieten dürfen, die | |
lediglich wenige Monate dauern. Stattdessen sollen sich Vertragslaufzeiten | |
für sogenannte Nachwuchswissenschaftler an der Dauer der Promotion oder an | |
der Finanzierungsdauer des Forschungsprojektes orientieren. | |
Auf diesen und sechs weitere Grundsätze haben sich die Bildungspolitiker | |
der Koalitionsfraktionen Union und SPD am Donnerstag abschließend geeinigt. | |
„Wir sind sehr froh über die einvernehmliche Einigung“, sagte der | |
bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Ernst-Dieter Rossmann. Damit | |
sei sichergestellt, dass die Große Koalition noch in diesem Jahr ein großes | |
Maßnahmepaket für planbarere und verlässlichere Karrierewege im | |
Wissenschaftssystem verabschieden könne. | |
„Das Bundesministerium für Bildung und Forschung ist nun gebeten, zügig | |
einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen“, teilte der | |
bildungspolitische Sprecher der Union, Albert Rupprecht (CSU) mit. „Mit der | |
Novelle wollen wir Fehlentwicklungen in der Befristungspraxis abstellen.“ | |
Aus Ministeriumskreisen verlautete, dass dieser Entwurf bereits in den | |
Schubladen bereit liege. | |
Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, kurz WissZeitVG, gilt allein für den | |
Arbeitsplatz Wissenschaft und schafft damit quasi eine Sonderzone. So | |
dürfen Wissenschaftler vor und nach ihrer Promotion maximal sechs Jahre | |
befristet beschäftigt werden. Es sei denn, sie arbeiten danach in | |
Projekten, die über zusätzlich eingeworbene Forschungsgelder finanziert | |
werden, sogenannte Drittmittelprojekte. | |
Weil aber Drittmittel für die Hochschulen als Geldquelle immer wichtiger | |
werden, steigt die Zahl der ProfessorInnen in spe, die auf solchen | |
Zeitstellen forschen. Über 90 Prozent des hauptberuflich tätigen | |
wissenschaftlichen Personals an Hochschulen ist befristet beschäftigt, mehr | |
als die Hälfte der Verträge dauert weniger als ein Jahr. | |
## Arbeitslos auf dem Wochenbett | |
In den Eckpunkten, auf die sich Union und SPD nun geeinigt haben, ist auch | |
festgelegt, dass die Verträge von DoktorandInnen die Angehörige pflegen | |
oder in Elternzeit in dieser Zeit nicht einfach auslaufen können. Bisher | |
war Elternzeit- oder Pflegeverlängerungen vom Wohlwollen der | |
InstitutsleiterInnen und Hochschulpräsidien abhängig. Für | |
WissenschaftlerInnen in Drittmittelprojekten gilt dies wahrscheinlich immer | |
noch, jedenfalls werden sie an diesem Punkt nicht explizit erwähnt. | |
Der Hochschulexperte der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Andreas | |
Keller, kritisiert das. Berge es doch die Möglichkeit, dass eine junge | |
Mutter praktisch im Kreißsaal arbeitslos werde. | |
Laborassistenten oder Techniker die Geräte betreuen, das sogenannte | |
nichtwissenschaftliche Personal sollen nicht mehr unter das WissZeitVG | |
sondern unter das normale Teilzeit- und Befristungsgesetz fallen. | |
## Gewerkschaften weiter draußen | |
Die SPD hatte ursprünglich auch die geltende Tarifsperre in den Hochschulen | |
aufheben, also durchsetzen wollen, dass Gewerkschaften Arbeitnehmer und | |
Gewerkschaften darüber hinaus gehende Regelungen vereinbaren können. Damit | |
hat sie sich aber gegen die Union nicht durchsetzen können. Rossmann ist | |
dennoch zufrieden: „Wir haben sonst alle unsere Forderungen durchsetzen | |
können.“ | |
Genauso sieht es auch die Union: „Die Eckpunkte entsprechen dem Entwurf, | |
den wir bereits in der letzten Legislaturperiode mit der FDP vorgelegt | |
haben“, sagte der CDU-Bildungspolitiker Tankred Schipanski. Diese an sich | |
merkwürdige Selbstzufriedenheit auf beiden Seiten zeigt, dass Union und SPD | |
beim Thema wissenschaftlicher Nachwuchs von Anfang an, nicht weit | |
auseinander lagen. | |
2 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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