# taz.de -- Zeitverträge an Hochschulen: Jede vierte Verwaltungsstelle befrist… | |
> Zeitverträge sind Standard für DoktorandInnen. Doch Unis und Institute | |
> haben das Sonderarbeitsrecht auch auf ihre Verwaltungen ausgeweitet. | |
Bild: Nicht für das Leben, für schlecht bezahlte Zeitverträge studieren wir | |
Berlin taz | Dass Hochschulen und Forschungseinrichtungen in der Kategorie | |
„prekäre Arbeitgeber“ ganz vorn liegen, ist seit Jahren ein Problem und | |
wurde im März durch den [1][Bundesbericht für den wissenschaftlichen | |
Nachwuchs] noch einmal bestätigt. Die große Mehrheit der wissenschaftlichen | |
MitarbeiterInnen hangelt sich von Zeitvertrag zu Zeitvertrag. | |
Doch nicht nur ForscherInnnen müssen mit befristeten Verträgen vorlieb | |
nehmen. Jede vierte Stelle beim sogenannten wissenschaftsunterstützenden | |
Personal ist keine Dauerstelle. Wie die Bundesregierung auf eine Anfrage | |
der Linksfraktion im Bundestag mitteilt, waren 2015 knapp 72.000 | |
hauptamtliche MitarbeiterInnen im Verwaltungsdienst, in der Technik oder | |
sonstigen Bereichen befristet beschäftigt. | |
Die überwiegend öffentlich finanzierten Hochschulen und | |
Forschungseinrichtungen sind Sonderarbeitszonen, für die ein eigenes | |
Arbeitsrecht gilt, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. | |
WissenschaftlerInnen können demnach in der Qualifizierungsphase, also vor | |
und nach der Promotion für sechs Jahre befristet eingestellt werden. | |
Außerdem können sie für Forschungsprojekte, die nicht aus dem Grundetat, | |
sondern über Drittmittel finanziert werden, auf Zeit angestellt werden. | |
Von dieser Möglichkeit machen die Unis und Forschungsinstitute ausgiebig | |
Gebrauch, wie die Anfrage der Linksfraktion ebenfalls zeigt. Knapp 65.000 | |
wissenschaftliche und künstlerische Beschäftigte in befristeten | |
Verhältnissen zählte die Bundesregierung 2015 an Hochschulen. In den | |
außeruniversitären Forschungseinrichtungen – Max Planck-Gesellschaft, | |
Helmholtz-Gemeinschaft, Fraunhofer-Gesellschaft und den Leibniz Instituten | |
– arbeiten noch einmal rund 25.000 WissenschaftlerInnen mit Zeitverträgen. | |
Das entspricht insgesamt einem Anteil von 68,8 Prozent des hauptberuflich | |
tätigen wissenschaftlichen Personals. | |
Die Regierungsparteien SPD und Union hatten vor einem Jahr ein | |
überarbeitetes Wissenschaftszeitvertragsgesetz beschlossen. Für | |
SachbearbeiterInnen und TechnIkerInnen gilt seitdem wieder das normale | |
Arbeitsrecht. „Laut Aussagen von Beschäftigen und Gewerkschaften hat das | |
längst nicht überall zu Entfristungen geführt“, berichtet Nicole Gohlke, | |
wissenschaftspolitische Sprecherin der Linkspartei. „Einige Beschäftigte | |
klagen, dass zur Befristung ihrer Stellen nunmehr auf das Teilzeit- und | |
Befristungsgesetz zurückgegriffen wird, mit der Folge, dass nach Ablauf der | |
maximalen Befristungszeit Stellen neu besetzt werden.“ | |
## Als „Qualifizierung“ gilt vieles | |
Für das wissenschaftliche Personal gilt seit der Reform des Gesetzes der | |
Grundsatz, dass ein befristeter Vertrag nur noch zulässig ist, wenn die | |
Stelle aus Drittmitteln finanziert wird oder wenn sie „zur Förderung der | |
eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt.“ | |
Doch was Qualifizierung konkret bedeutet, ist Auslegung. Und die | |
Bundesregierung legt den Begriff sehr weit aus, wie die Antwort zeigt: | |
„Wissenschaftliche Qualifizierung ist nicht beschränkt auf den Erwerb einer | |
formalen Qualifikation, wie der Promotion oder der Habilitation. Vielmehr | |
ist sie als auf den Erwerb wissenschaftlicher Kompetenzen gerichtet zu | |
verstehen“, heißt es. Konkret bedeutet das für die Regierung: „Auch | |
organisatorische und managementbezogene Tätigkeiten können zur | |
Qualifizierung beitragen.“ Sprich: Wer für eine ProfessorIn die Vorlesung | |
vorbereitet und Forschungsanträge schreibt, sollte sich nicht ärgern, dass | |
die eigene Forschung zu kurz kommt, sondern muss das als Qualifizierung | |
betrachten. Und solche Tätigkeiten rechtfertigen zudem den eigenen | |
befristeten Vertrag. | |
Auch die an den Hochschulen immer noch üblichen Ultra-Kurzverträge, die | |
immer nur um wenige Monate verlängert werden, sind der Bundesregierung | |
zufolge gerechtfertigt. „Es können jedoch auch sinnvolle Teilabschnitte | |
gebildet werden, solange die angestrebte Qualifizierung im Rahmen der | |
vereinbarten Befristungsdauer sinnvoll betrieben werden kann.“ | |
## Linkspartei fordert: „Dauerstellen für Daueraufgaben“ | |
Das neue Wissenschaftszeitvertragsgesetz soll 2020 evaluiert werden, doch | |
Gohlke ist bereits jetzt skeptisch, ob es die Beschäftigungsbedingungen | |
verbessert. „Die Große Koalition hat offensichtlich nicht vor, dem | |
Befristungswahn im Wissenschaftsbetrieb substanziell einen Riegel | |
vorzuschieben. Die Flexibilität der Arbeitgeber ist Union und SPD wichtiger | |
als die Hoffnung der Beschäftigten auf eine sichere Arbeitsstelle.“ | |
Ausschließlich formale und zertifizierbare Qualifikationsziele, wie die | |
Arbeit an einer Masterarbeit, an einer Promotion oder Habilitation ,sollten | |
eine Befristung von Arbeitsstellen in der Wissenschaft rechtfertigen | |
dürfen, fordert Gohlke. Ansonsten gelte: Dauerstellen für Daueraufgaben. | |
30 Mar 2017 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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