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# taz.de -- Prekäre Beschäftigung bei der SPD: Im öffentlichen Unsicherheits…
> Die Anzahl der befristet Beschäftigten in den Bundesministerien steigt.
> Gerade die SPD-geführten Häuser tun sich in dieser Hinsicht hervor.
Bild: Im Familienministerium lag der Anteil von Befristungen aller Neuverträge…
Berlin taz | Saskia Schwarz verliert langsam die Hoffnung. Die junge Frau
arbeitet im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa), einer
nachgeordneten Behörde des Bundeswirtschaftsministeriums. Es habe mal
geheißen, der öffentliche Dienst sei ein sicherer Arbeitgeber, sagt
Schwarz. „Das scheint sich geändert zu haben.“ Ihr Name ist ebenfalls
geändert, sie möchte nicht mit ihrem Klarnamen in der Zeitung auftauchen.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz setzt im Wahlkampf auf soziale
Gerechtigkeit und will etwa die sachgrundlose Befristung abschaffen. Die
erlaubt es, Menschen auf Zeit anzustellen, ohne dass Sachgründe, wie eine
Schwangerschaftsvertretung, vorliegen. „Nur sichere Arbeit macht es
möglich, die eigene Zukunft planen zu können“, so die SPD auf ihrer
Homepage.
Eine Anfrage der Linkspartei zu befristeten Arbeitsverhältnissen ergab
jedoch im Februar, dass der öffentliche Dienst mit schlechtem Beispiel
vorangeht. So hat sich die Zahl der befristet Beschäftigten in den
Bundesministerien und im Kanzleramt zwischen 2007 und 2015 verdreifacht. 80
Prozent aller Befristungen erfolgen dabei ohne Sachgrund.
„Ich kann den Versprechen der Politiker nicht mehr glauben“, sagt Schwarz.
Nach dem Ende ihrer Ausbildung im Bafa im vergangenen Jahr erhielt die
23-Jährige einen Anschlussvertrag – sachgrundlos auf ein Jahr befristet. Im
Juli endet Schwarz’ Beschäftigungsverhältnis. Bereits vor einem Monat
erinnerte der Personalrat sie daran, dass sie sich entweder eine neue
Stelle in einer externen Behörde suchen oder sich arbeitslos melden sollte.
Obwohl sie zu den Jahrgangsbesten ihres Ausbildungsjahrgangs gehört. Ihre
Kollegin, die mit ihr anfing, habe die Behörde bereits verlassen: „Sie sah
keine Perspektive.“
Als befristet Beschäftigte ist Saskia Schwarz im
Bundeswirtschaftsministerium keine Ausnahme. Über 80 Prozent aller
Neueinstellungen im SPD-geführten Bundeswirtschaftsministerium und dessen
nachgeordneten Behörden waren 2016 befristet – davon über 50 Prozent
sachgrundlos.
## „Befristeritis“ im öffentlichen Dienst
Thomas Brandl arbeitet ebenfalls befristet beim Bafa in Eschweiler. Der
40-Jährige will seinen echten Namen ebenfalls nicht in der Zeitung lesen.
Brandl berichtet, dass Befristung gängige Praxis sei. Bis auf den Chef und
den Teamleiter arbeiteten alle 40 Mitarbeiter in Brandls Abteilung auf
Zeit. „Man kann nichts planen – wir hängen praktisch in der Luft!“, sagt
Brandl.
Ein Sprecher des Bafa sagt der taz, dass nur knapp 20 Prozent der
Angestellten auf Zeit arbeiten. Grund dafür wäre hauptsächlich der
„vorübergehende Bedarf an Arbeitsleistungen der Mitarbeiter“. Das
übergeordnete Bundeswirtschaftsministerium schreibt auf Anfrage, Hauptgrund
für Befristungen sei die „Erbprobung vor Beamtung auf Lebenszeit“. Außerd…
bilde das BMWi über Bedarf aus und könne nicht alle Auszubildenden
übernehmen.
Tjark Menssen vom Deutschen Gewerkschaftsbund kritisiert, dass vor allem im
öffentlichen Dienst eine „Befristeritis“ herrsche. Derzeit könnten
Arbeitgeber Beschäftigungsverhältnisse auf zwei Jahre befristen – ohne eine
Begründung dafür angeben zu müssen.
Im SPD-geführten Familienministerium (BMFSFJ) von Manuela Schwesig lag der
Anteil von Befristungen an allen Neuverträgen 2016 sogar bei knapp 90
Prozent. Eine Sprecherin sagte der taz, dass sich ein Großteil der
befristeten Stellen durch den erhöhten Arbeitsaufwand in Folge des
Flüchtlingszuzugs 2015 ergaben. Dennoch sei das „ausdrückliche Ziel“ des
BMFSFJ, „dass befristete Beschäftigungsverhältnisse die Ausnahme sein
müssen“.
Anders als in der Privatwirtschaft kann der öffentliche Dienst Angestellte
mit immer neuen befristeten Verträgen verlängern, wenn sie aus
Haushaltsmitteln vergütet werden, die extra für eine befristete
Beschäftigung vorgesehen sind. „Deswegen fordern wir nicht nur die
ersatzlose Streichung der sachgrundlosen Befristung, sondern auch die
Streichung des Sachgrunds ‚Zweckbindung von Haushaltsmittelbefristung‘“,
sagt Jutta Krellmann, die gewerkschaftspolitische Sprecherin der
Linkspartei.
## Mit gutem Beispiel vorangehen
Die SPD-Zentrale im Willy-Brandt-Haus lässt die taz wissen, dass man zwar
für eine „wasserdichte“ Abschaffung der sachgrundlosen Befristung werbe,
denn der öffentliche Arbeitgeber müsse schließlich mit gutem Beispiel
vorangehen. „Aber auch künftig müssen Befristungen möglich sein, wenn etwa
Beschäftigte in Elternzeit vertreten werden oder Auszubildende erst mal
übernommen werden, obwohl keine Planstelle frei ist“, so eine Sprecherin.
Saskia Schwarz hat sich derweil auf alle Stellen im öffentlichen Dienst im
Umkreis von 30 Kilometern beworben. Auf ihre 25 Bewerbungen hat sie bisher
noch keine einzige Rückmeldung bekommen. Schwarz ist verzweifelt. Sie und
ihr Mann wollten doch Kinder. Den Kinderwunsch habe sie erst einmal nach
hinten verschoben. „Den will ich erst realisieren, sobald ich eine
Festanstellung habe.“
Aktuell arbeitet die SPD an ihrem Wahlprogramm. Man darf gespannt sein, ob
die SozialdemokratInnen es schaffen werden, Menschen wie Saskia Schwarz und
Matthias Brandl, in die „hart arbeitende Mitte“ zu befördern oder nur in
den nächsten Fristvertrag.
4 May 2017
## AUTOREN
Milan Panek
## TAGS
Prekäre Arbeit
prekäre Beschäftigung
SPD
Befristete Beschäftigung
Zeitarbeit
Die Linke
Prekäre Arbeit
Universität
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