# taz.de -- Zeitarbeit in Bundesministerien: Staatlich besoldet, prekär besch�… | |
> Ausgerechnet im Familienministerium steigt die Zahl befristeter Verträge | |
> steil an. Doch auch andere Ministerien heuern lieber auf Zeit an. | |
Bild: Applikation auf dem Bundesfamilienministerium. Doch so familienfreundlich… | |
BERLIN taz | „Arbeit für alle, sicher und gut bezahlt.“ Diesem Anspruch | |
sieht sich die Bundesregierung verpflichtet – und unterläuft ihn permanent | |
selbst. Wie aus einer Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei hervorgeht, | |
hat sich die Anzahl der befristeten Stellen in den Bundesministerien und im | |
Kanzleramt zwischen 2007 und 2015 verdoppelt. Gegenwärtig sind 16.530 | |
Mitarbeiter auf Zeit beschäftigt, ein Anteil von 6,5 Prozent. | |
Besonders stark – nämlich um das Sechsfache – ist der Anteil der | |
Beschäftigen ohne Dauerstelle im Bundesministerium für Familie, Senioren, | |
Frauen und Jugend gestiegen. Im Geschäftsbereich von Ministerin Manuela | |
Schwesig (SPD), die für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kämpft, | |
erhielten im vorigen Jahr fast 90 Prozent aller neuen Mitarbeiter erst mal | |
nur einen Zeitvertrag. Zudem sind weibliche Mitarbeiter insgesamt mit 18,5 | |
Prozent etwas häufiger von Befristung betroffen als männliche (15 Prozent). | |
Auch im Bundesarbeitsministerium von Andrea Nahles (SPD), die fordert, | |
prekäre Beschäftigung abzuschaffen, sind 60 Prozent der Mitarbeiter 2016 | |
nur befristet eingestellt worden. Dagegen hat sich die Anzahl der | |
befristeten Neueinstellungen im CDU-geführten Verteidigungsministerium von | |
2014 bis 2016 mehr als halbiert und betrifft nur noch jede fünfte | |
Neueinstellung. | |
„Es wäre wünschenswert, wenn sich die politischen Ziele der SPD auch in der | |
Einstellungspraxis der SPD-geführten Ministerien widerspiegeln“, sagte die | |
gewerkschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Jutta Krellmann. | |
„Dass ausgerechnet im Haus von Familienministerin Schwesig die | |
Befristungspraxis nicht nur bis zum Äußersten ausgereizt wird, sondern auch | |
überwiegend junge Beschäftigte trifft, ist bitter.“ | |
Eine Sprecherin Schwesigs erklärte die Zunahme von Befristungen mit neuen | |
Aufgaben des Hauses und der nachgeordneten Behörden, etwa im Rahmen des | |
Zuzugs von Flüchtlingen und ihrer Integration. Dafür habe es keine | |
Planstellen gegeben, es musste aber rasch gehandelt werden. Ein | |
erheblicher Anteil der Stellenzuwächse im Jahr 2017 werde für Entfristungen | |
genutzt. | |
## Mehr Azubis als Stellen | |
Auch im Bundesbildungsministerium sagte eine Sprecherin, es sei vorgesehen | |
befristete Stellen nach einem Jahr in Dauerstellen umzuwandeln und die | |
Angestellten zu verbeamten. Im Haus von Johanna Wanka (CDU) wurden 2016 | |
vier von zehn neuen Mitarbeitern mit einem befristeten Vertrag eingestellt, | |
ein doppelt so hoher Anteil wie im Jahr zuvor. Die Schwankung erkläre sich, | |
durch einen großen Stellenzuwachs, aber auch dadurch, dass das Ministerien | |
über Bedarf ausbilde. Absolventen, die nicht dauerhaft übernommen werden, | |
erhielten gleichwohl eine befristete Stelle zur Überbrückung. | |
Für befristete Stellen kann es gute Gründe geben – Mitarbeiter gehen in | |
Elternzeit, und müssen für einige Monate ersetzt werden, etwa . Doch | |
auffällig gestiegen ist die Anzahl sachgrundloser Befristungen. Dieses | |
Instrument erlaubt es Arbeitgebern, neue Mitarbeiter bis zu zwei Jahren | |
ohne Begründung auf Zeit einzustellen, mit der Option sie unbürokratisch | |
wieder loszuwerden. | |
Eigentlich wollte die Bundesregierung mit dem Teilzeit- und | |
Befristungsgesetz Beschäftigung fördern. Doch nun macht sie selbst regen | |
Gebrauch davon. So hat sich die Zahl der sachgrundlosen Befristungen im | |
Bundesinnenministerium innerhalb von drei Jahren auf über 6.000 | |
versechsfacht. „Es ist schon schamlos, wie der Staat von einer rechtlichen | |
Möglichkeit Gebrauch macht, die er selbst geschaffen hat und dabei die | |
Privatwirtschaft noch in den Schatten stellt“, meint Krellmann. | |
9 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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