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# taz.de -- Zwangsweise flexibel arbeiten bei H&M: Hippe Klamotten, miese Jobs
> Viele VerkäuferInnen bei H&M arbeiten mit Flex-Verträgen ohne festes
> Monatseinkommen. Am Freitag findet eine Protestaktion statt.
Bild: Nicht familienfreundlich: die flexiblen Verträge bei H&M
Auf seiner Homepage gibt sich Hennes & Mauritz als cooler Arbeitgeber: „Wir
haben Achtung vor jedem Einzelnen. Dies gilt für alle Bereiche der
Beschäftigung – von gerechter Entlohnung, vernünftigen Arbeitszeiten und
Gewerkschaftsfreiheit bis hin zur Chancengleichheit…“ Vielen
H&M-VerkäuferInnen ringt dieses Selbstlob des schwedischen Textilhändlers
nur ein müdes Lächeln ab.
Denn etwa 40 Prozent der Beschäftigten haben nach Betriebsratsangaben nur
„Flexi-Verträge“, das heißt, die Arbeitszeit wird hoch- und runtergefahren
je nach Umsatz. „Dem Mitarbeiter ist bekannt, dass die Vergütung (..)
entsprechend dem Umfang des Stundeneinsatzes variieren kann und somit
gegebenenfalls nicht geeignet ist, eine stabile Einkommensgrundlage zu
liefern.“ – einen solchen Satz müssen die flexiblen „Sales Advisor“, v…
VerkäuferInnen, unterschreiben, bevor sie sich in die H&M-Klamottenberge
wagen.
Gegen die Flexi-Verträge und gegen die angebliche Blockierung der
Betriebsratsarbeit bei dem schwedischen Konzern zieht jetzt die [1][Aktion
Arbeitsunrecht] am Freitag zu Felde, mit Unterstützung der Gewerkschaft
Verdi. Die Aktivisten wollen vor H&M-Filialen unter anderem Flugblätter
verteilen, in denen sie gegen die Arbeitsbedingungen protestieren. Nur in
175 der H&M-Filialen gebe es Betriebsräte, sagt
Gesamtbetriebsratsvorsitzende Saskia Stock. Insgesamt verfügt H&M nach
Konzernangaben über 436 Geschäfte in Deutschland.
Ein Flexi-Vertrag, das bedeutet eine wöchentliche garantierte
Mindestarbeitszeit von beispielsweise 10 oder 15 Stunden, hinzu kommen dann
zusätzliche Stunden. So kann eine VerkäuferIn am Ende des Monats zwar 20
oder 30 Wochenstunden erreichen – vielleicht aber auch nicht. Die
Unsicherheit ist das Problem.
## Mütter haben es schwer
„Die zusätzlichen Stunden werden unregelmäßig verteilt. So weiß man nie,
wie viele Stunden man tatsächlich in den nächsten Wochen arbeiten wird“,
erzählt Stock. Sie hat selbst im Verkauf gearbeitet, auch mit
Flexi-Vertrag. „Je nach Saison und Monat kann das Gehalt dann um 600 Euro
variieren.“ Die tariflichen Stundenlöhne liegen für Einsteiger bei etwa
neun Euro.
Viele der jungen VerkäuferInnen haben Nebenjobs, aber die Ungewissheit über
den Einsatz bei H&M ist hinderlich: „Man muss sich bereit halten, wenn H&M
dann doch viele Einsatzstunden will“, berichtet Stock. Wer Kinder hat, kann
die Betreuung nur schwer mit einem Flexi-Job vereinbaren.
Auf Anfrage der taz betont die Unternehmensleitung von H&M, die Festlegung
der Arbeitszeit geschehe durch freiwillige Vereinbarung und „nicht allein
durch eine entsprechende Aufforderung des Arbeitgebers“. Die Festlegung der
Arbeitszeit erfolge „mindestens vier Tage im Voraus, in der Regel zwei bis
vier Wochen vor Arbeitseinsatz“, heißt es. Die flexiblen Arbeitsverträge
richteten sich vor allem an StudentInnen. Man habe einen Anteil von 2.200
StudentInnen bei H&M. Insgesamt verfügt H&M in Deutschland allerdings über
20.000 Beschäftigte.
## Wer protestiert, kriegt weniger Stunden
Die „Freiwilligkeit“ in der Vereinbarung hat ihre Grenzen in den ungleichen
Machtverhältnissen. „Wer gegen den Dienstplan protestiert, bekommt beim
nächsten Mal dann eben nur noch wenige Stunden“, erzählt ein örtlicher
H&M-Betriebsrat, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, weil er
Repressionen befürchtet. Mütter zum Beispiel würden systematisch aus den
Verkäuferjobs herausgedrängt. Die Betriebsräte fordern unbefristete
Verträge mit fester Stundenzahl.
Die Betriebsratsarbeit werde vielerorts bei H&M blockiert, sagt Jessica
Reisner von der „Aktion Arbeitsunrecht“. Durch fingierte Kündigungsgründe
zermürbe der Konzern Betriebsräte in Leverkusen, Bad Godesberg und
Tübingen. Ein Großlager des Konzerns in Großostheim soll geschlossen
werden, angeblich, so die Aktivisten, wegen des dortigen agilen
Betriebsrates.
Die AktivistInnen rufen dazu auf, während des Protesttages am Freitag, dem
13., vor den Filialen auch fiktive „Abmahnungen wegen unbedachten
Konsumierens bei H&M“ an die Kunden zu verteilen. „Wir müssen Druck auf das
Markenimage ausüben, damit sich bei der Unternehmensleitung etwas bewegt“,
sagt Reisner. Der Konzern allerdings steht unter Kostendruck- die Umsätze
von H&M gingen zuletzt beständig zurück.
12 Oct 2017
## LINKS
[1] https://arbeitsunrecht.de/hm-am-freitag-schlaegts-13/
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
H&M
Arbeitsrecht
Textilindustrie
Fast Fashion
Textilbranche
Schwerpunkt Armut
Arbeit
Kapitalismus
Prekäre Arbeit
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