| # taz.de -- Jura-Prof über Arbeit an der Hochschule: „Verkapptes Bewerbungsv… | |
| > Unterfinanzierte Hochschulen rechtfertigen keine ausgebeuteten | |
| > Vertretungensprofessoren, sagt Michael Hartmer vom Deutschen | |
| > Hochschulverband. | |
| Bild: Wer in der Wissenschaft bleiben will, muss nehmen, was kommt. Auch schlec… | |
| taz: Herr Hartmer, rund jeder zehnte Lehrstuhl an deutschen Hochschulen ist | |
| derzeit nicht besetzt. Woran liegt das? | |
| Michael Hartmer: Das Auswahlverfahren für eine Professur ist komplex und | |
| dauert im Extremfall schon einmal mehrere Jahre. Über den Vorschlag einer | |
| Berufungskommission beraten die Fakultät und häufig auch der Senat. Der | |
| Entscheidung muss dann noch die Gleichstellungsbeauftragte und oftmals der | |
| Rektor der Hochschule zustimmen. Nur wenn sich die Fakultät rechtzeitig vor | |
| dem planmäßigen Ausscheiden eines Professors mit einem Nachfolger | |
| auseinandersetzt, kann die Stelle nahtlos besetzt werden. | |
| Die Professoren, die bis zur Neubesetzung einspringen, werden schlechter | |
| bezahlt. Warum? | |
| Die Hochschulen müssen sparen. Andererseits gibt es viele | |
| Nachwuchswissenschaftler, die die Vertretungen [1][zu diesen Konditionen | |
| annehmen]. Die Vertretungsprofessur ist ein wichtiger Zwischenschritt in | |
| ihrer Karriere. | |
| Die Hochschule setzt auf diese Selbstausbeutung? | |
| Natürlich. Die Hochschulen wissen, dass die meisten | |
| Nachwuchswissenschaftler ein solches Vertretungsangebot kaum ausschlagen | |
| werden. Oft landen sie erst nach einer Vertretung auf einem Listenplatz für | |
| eine W2- oder W3-Professur. Die Wissenschaftler, die eine Vertretung | |
| annehmen, hoffen häufig auch, dass daraus vielleicht mehr wird. Die | |
| Vertretungsprofessur kann ein verkapptes Bewerbungsverhältnis auf Dauer | |
| sein. | |
| Wie viel weniger eine Vertretung erhält, entscheidet jede Hochschule | |
| selbst. Warum gibt es keine einheitlichen Vorgaben der Landesministerien? | |
| Die Länder überweisen den Hochschulen ein Globalbudget. Wie sie ihre Mittel | |
| verwenden, überlassen sie weitgehend den Hochschulen. Das ist grundsätzlich | |
| auch zu begrüßen. Nach welchen Konditionen Vertretungen angestellt werden, | |
| ist von Hochschule von Hochschule unterschiedlich. In der Regel müssen | |
| Vertretungen die Leistung eines Professors erbringen, werden aber nicht | |
| entsprechend honoriert. | |
| Ist das fair gegenüber Nachwuchswissenschaftlern? | |
| Nein, Vertretung heißt, eine Stelle in vollem Umfang zu übernehmen. Dazu | |
| gehört auch, gleich honoriert zu werden. Da muss man nicht anfangen, die | |
| vorlesungsfreie Zeit auszunehmen oder einen Sondervertrag zu schlechteren | |
| Konditionen aufzusetzen. Das ist aus meiner Sicht unfair. | |
| Was passiert mit dem Geld, das die Universität mit billigeren Professuren | |
| einspart? | |
| Die vakanten Stellen sind im Haushalt eingeplant. Ohne sie könnte die | |
| Hochschule die übrigen Professoren nicht bezahlen. Deshalb versucht die | |
| Hochschule, über unterbezahlte Vertretungen oder noch schlechter bezahlte | |
| Lehraufträge Mittel für Personalausgaben einzusparen. | |
| Warum lassen die Hochschulen Lehrstühle nicht ganz unbesetzt, bis sie einen | |
| Nachfolger gefunden haben? | |
| Diese Möglichkeit gibt es für die Hochschulen eigentlich nicht. | |
| Insbesondere in den zulassungsbeschränkten Studiengängen sind die | |
| Hochschulen verpflichtet, ein komplettes Lehrangebot aufrechtzuerhalten. | |
| Generell gilt: Wenn die Lehre nicht aus der Fakultät ersetzt werden kann, | |
| muss die Hochschule für eine Vertretung von außen sorgen. | |
| Warum zahlen die Hochschulen nicht einfach mehr? | |
| Jeder Dekan würde vermutlich sehr gerne den Vertretungen das volle Gehalt | |
| zahlen. Gleichzeitig muss er aber mit den vorhandenen Mitteln auskommen. Er | |
| trägt nicht die Verantwortung für die finanziellen Nöte. Gleichwohl könnte | |
| jede Hochschule intern entscheiden: Bei uns werden keine Dumpingpreise | |
| gezahlt. | |
| Wäre eine gesetzliche Regelung nicht doch sinnvoll? | |
| Die Autonomie der Universitäten ist wichtig. Aus meiner Sicht ist der | |
| einzige Weg, dass sich die Universitäten zu einem fairen Belohnungssystem | |
| für Vertretungen selbst verpflichten. In einem Wettbewerbssystem könnten | |
| sie das sogar zu ihrem Vorteil nutzen und sehr gute Wissenschaftler an | |
| ihren Standort locken. Dass die Länder mehr Geld geben oder die | |
| Wissenschaftler ihre Karriere aufs Spiel setzen, ist eher unwahrscheinlich. | |
| 16 Jul 2015 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ralf Pauli | |
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