| # taz.de -- Belastung im Studium: Ausgebrannt und aufgeputscht | |
| > Die Beratungsstellen an norddeutschen Universitäten sind ausgelastet. | |
| > Studierende bewältigen den Stress mit Medikamenten – oder mit | |
| > professioneller Hilfe. | |
| Bild: Lernen sogar nachts: Studierende bei der langen Nacht der aufgeschobenen … | |
| HAMBURG taz | Marie (Name geändert) lernte an sieben Tagen die Woche – vom | |
| frühen Morgen bis in die Nacht. „Ich war fertig. Ich hatte zu nichts mehr | |
| Kraft“, sagt die angehende Therapeutin heute. „Ich glaube, ich war nahe am | |
| Burnout.“ Nicht nur ihr wurde der Leistungsdruck zu viel, die | |
| psychologischen Beratungsstellen der Unis sind oft überlaufen. „Das Chaos | |
| nimmt zu“, sagt Diana Kaufmann von der Sozialberatung des Allgemeinen | |
| Studierendenausschusses (Asta) in Kiel. | |
| Seit der Umstellung auf das Bachelor-Master-System habe das Tempo für | |
| Studenten angezogen, sagt Kaufmann. Hinzu kämen finanzielle Sorgen. Wenn | |
| jemand durch psychische Erkrankungen länger studieren müsse, gebe es oft | |
| Probleme mit dem Bafög-Amt. Sechs Prozent der Studierenden gaben in einer | |
| Befragung im Auftrag des Studentenwerks aus dem Jahr 2011 an, die | |
| psychologische Beratung der Universitäten genutzt zu haben. Kaufmann sagt, | |
| dass das Thema dennoch ein Tabu sei. | |
| Studenten in Kiel planen deshalb eine Aufklärungskampagne. Überall in der | |
| Uni sollen Poster aufgehängt werden. Die Themen sind sexuelle | |
| Diskriminierung, Suizidgedanken und Medikamentenmissbrauch. Insbesondere in | |
| Prüfungszeiten würden viele Studenten Aufputschmittel nehmen, um die | |
| Prüfungsbelastung zu ertragen, sagt Simone Weigel, die für die Kampagne | |
| zuständige Studentin im Asta. „Wir legen jeden Tag ungefähr 40 Flyer zur | |
| Einnahme von Amphetaminen aus. Die sind immer sofort weg.“ | |
| Aufputschmittel hat Marie nicht genommen. Stattdessen hat sie sich | |
| professionelle Hilfe an der Uni geholt. In acht Einzelsitzungen hat sie mit | |
| Hilfe der psychologischen Berater Wochenpläne erstellt, mit ihren | |
| Pflichten, aber auch mit erzwungener Freizeit. An ihren Grundüberzeugungen | |
| habe man gerüttelt und ihr Selbstwertgefühl gestärkt. Sie sei an der Uni | |
| nicht nur beraten, sondern psychotherapeutisch unterstützt worden. | |
| ## 1.434 Einzeltermine an der Uni Hamburg | |
| An der Uni Hamburg studieren rund 40.000 Menschen, im letzten Jahr gab es | |
| 1.434 Einzeltermine für die psychologische Beratung. Die Neu-Anmeldungen | |
| seien in den letzten Jahren so stark gestiegen, dass die Uni eine | |
| Sprechstunde ohne Voranmeldung eingerichtet hat. In Hannover stieg die Zahl | |
| der Ratsuchenden seit dem Beschluss des Bologna-Prozesses 1999 von 480 auf | |
| 714. Die psychologische Beratungsstelle der Leibniz-Uni führt den Andrang | |
| auch auf wachsende Studierendenzahlen und ihre Öffentlichkeitsarbeit | |
| zurück. | |
| Die Studierenden müssen nach der Erhebung des Studentenwerks von 2012 durch | |
| die Umstellung auf das Bachelor-Master-System nicht mehr Zeit zum Lernen | |
| aufwenden, mit durchschnittlich 35 Stunden in der Woche sei das Lernpensum | |
| seit 1991 sogar um zwei Stunden gesunken. Erhöht hat sich aber der | |
| Prüfungsdruck, sagt Psychotherapeutin Christiane Maurer von der Uni | |
| Hannover. „Früher war das Studium weniger strukturiert, dafür aber freier.�… | |
| Auch seien Studierende viel mehr darauf getrimmt, ihr Studium in der | |
| Regelzeit durchzuziehen. Dabei sei die Struktur des Studiums nicht für die | |
| Leute ausgerichtet, die mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen haben. „Wer | |
| einmal nicht mitkommt, fällt schnell aus dem System“, sagt Maurer. | |
| ## Programm für psychisch Erkrankte | |
| Neben den Beratungsstellen versuchen einige Universitäten die Studierenden | |
| auch auf andere Weise zu unterstützen. An der Universität Hamburg gibt es | |
| ein Programm, das sich ausdrücklich an psychisch Erkrankte wendet. Hier | |
| werden in einem kleinen Kreis von maximal zwölf Leuten Probleme geteilt | |
| oder eine realistische Semester-Einteilung geplant. | |
| Auch Marie sagt, Gespräche mit Freunden und der Familie sowie ihren | |
| Beratern hätten ihr etwas von dem Druck genommen. Ihr habe außerdem | |
| geholfen, dass die psychischen Probleme in ihrem Umfeld kein Tabu waren. | |
| „Ich würde aber lügen, wenn ich sage, dass das Problem damit gegessen war.�… | |
| 25 Aug 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Nora Kolhoff | |
| ## TAGS | |
| Studium | |
| Universität | |
| Psychische Belastungen | |
| Universität | |
| Universität | |
| Depression | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Arbeitsbedingungen an den Hochschulen: Wissenschaftler nicht nur auf Zeit | |
| Die Gewerkschaft GEW will Daueranstellungen an den Unis für | |
| wissenschaftliche Mitarbeiter, die promoviert sind. Auch die SPD plant | |
| einen Gesetzentwurf. | |
| Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeld über Hochschulproteste: „Die Uni … | |
| Die Studienbedingungen in Hamburg sind gut, sagt Dorothee Stapelfeldt. Dem | |
| Asta, der Protest ankündigt, empfiehlt sie „weniger Dogmatik“. | |
| Wohlstand und Panik: Hat hier jemand keine Angst? | |
| Die Zeit der „German Angst“ ist vorbei, sagt der Soziologe Heinz Bude. Die | |
| neue Form von Massenpanik sei subtiler, aber nicht weniger stark. | |
| Bessere Studienbedingungen: Hamburg reformiert Bologna | |
| Hamburgs Universität will strenge Prüfungsfristen für Module abschaffen und | |
| überhaupt mehr Freiheit für die Lernenden. Workshops erarbeiteten insgesamt | |
| 100 Verbesserungsvorschläge. | |
| Studenten im Dauerstress: Arbeit ist das halbe Studentenleben | |
| Obwohl Studierende wegen der Bachelorstudiengänge deutlich weniger Freizeit | |
| haben, arbeiten sie nebenbei - viele setzen sich so teilweise massiv unter | |
| Druck. Auf Dauer mache das krank, warnt ein Unipsychologe. |