# taz.de -- Mehr Sicherheit für Flüchtlinge: Niedersachsen will weniger Absch… | |
> Rot-Grün zementiert den Kurswechsel: Innenminister Pistorius verbietet | |
> das Auseinanderreißen von Familien und nächtliche Abschiebungen. | |
Bild: Rückkehr nach acht Jahren: Die Kurdin Gazale Salame war 2005 von ihrer F… | |
HANNOVER taz |Niedersachsens SPD-Innenminister Boris Pistorius hat die | |
Flüchtlingspolitik der rot-grünen Landesregierung auf eine neue | |
Rechtsgrundlage gestellt. Per Erlass sind die Ausländerbehörden des Landes | |
von nun an angewiesen, auch bei Abschiebungen möglichst human vorzugehen. | |
So sollen keine Familien mehr durch Ausweisungen auseinandergerissen | |
werden. | |
Fälle wie den der aus dem Libanon stammenden schwangeren Kurdin Gazale | |
Salame, die 2005 zusammen mit ihrer einjährigen Tochter von der Polizei in | |
ein Flugzeug in die ihr unbekannte Türkei verfrachtet wurde, will Pistorius | |
nicht mehr sehen: Erst 2013 konnte Gazale Salame nach acht Jahren nach | |
Deutschland zurückkehren – und ihre beim Vater gebliebenen zwei weiteren | |
Kinder wiedersehen. | |
Auch auf nächtliche Abschiebungen sollen die Ausländerbehörden künftig nach | |
Möglichkeit verzichten. „Niemand soll damit rechnen müssen, nachts um zwei | |
die Polizei vor der Tür stehen zu haben – mit der Aufforderung, die | |
Klamotten zu packen“, sagte der Innenminister am Dienstag in Hannover. | |
Stattdessen sollen Flüchtlinge die Chance haben, sich auf die erzwungene | |
Ausreise vorzubereiten: Abschiebungstermine müssen frühzeitig | |
bekanntgegeben werden. | |
Außerdem sind die Behörden künftig verpflichtet, Schutzsuchende mindestens | |
zwei Mal auf die Härtefallkommission hinzuweisen, die den Aufenthalt in | |
Deutschland aus „dringenden humanitären oder persönlichen Gründen“ auch | |
formal legalisieren kann. „Der Erlass wird heute in Kraft gesetzt“, sagte | |
Pistorius. | |
Die Ausländerbehörden verlieren damit auch formal einen Ermessenspielraum, | |
den der als Hardliner verschrieene Pistorius-Vorgänger Uwe Schünemann kurz | |
nach seinem Amtsantritt bewusst geschaffen hatte: Der Christdemokrat hatte | |
2003 Abschiebe-Regelungen der SPD-Regierung von Ministerpräsident Sigmar | |
Gabriel außer Kraft gesetzt – und Beamten so die Möglichkeit gegeben, | |
Flüchtlinge mit größtmöglicher Härte außer Landes schaffen zu lassen. | |
„Unser erklärtes Ziel ist es, die Zahl der Abschiebungen zu reduzieren“, | |
erklärte dagegen Minister Pistorius. Diese seien für alle Flüchtlinge ein | |
„traumatisches Ereignis“, stünden für eine „ungewisse Zukunft“. Trotz… | |
müssten deutschlandweit rund 100.000 ausländerrechtlich nur geduldete | |
Menschen „monatlich damit rechnen, abgeschoben zu werden“. | |
Und tatsächlich scheint in Niedersachsen die Zahl der Abschiebungen im | |
Verhältnis der Erstanträge auf Asyl zumindest leicht zu sinken: Wurden im | |
Jahr 2013 noch 1.860 Menschen gezwungen, das Land zu verlassen, waren es in | |
diesem Jahr bisher 1.986. | |
Die Zahl derjenigen, die zwischen Harz und Küste Schutz suchen, dürfte sich | |
nach Schätzungen des Innenministeriums dagegen von 10.225 auf 18.800 fast | |
verdoppeln – die Zahl der Asylsuchenden dürfte damit um rund 80, die der | |
Abschiebungen dagegen um rund 60 Prozent steigen. | |
Unterstützt wird Pistorius’ Kurs deshalb nicht nur vom grünen | |
Koalitionspartner. Lob kommt auch von Menschenrechtsorganisationen wie dem | |
Flüchtlingsrat Niedersachsen: Der Innenminister setze vieles um, „was wir | |
seit eineinhalb Jahren gefordert haben“, sagte dessen Geschäftsführer Kai | |
Weber. | |
Kritik kam dagegen von der CDU im Landtag. Deren innenpolitische Sprecherin | |
Angelika Jahns beklagte in bester Schünemann-Diktion, Pistorius’ Erlass | |
werde Kommunen und Polizei „den Umgang mit Flüchtlingen und Asylsuchenden | |
zusätzlich erschweren“. | |
Besonders die Ankündigung der Abschiebungen werde dazu führen, „dass | |
Betroffene vorher abtauchen können“ oder „Demonstranten eine Rückführung | |
mit allen Mitteln zu verhindern versuchen“. | |
Minister Pistorius dagegen hält die Kritik der größten Oppositionspartei | |
für überzogen: Natürlich könnten einzelne Flüchtlinge versuchen, sich der | |
Abschiebung zu entziehen – aber aus Gründen der Humanität nehme Rot-Grün | |
„das bewusst in Kauf“. | |
23 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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