# taz.de -- Gericht über Migranten-Rückführung: Straßburger Richter fordern… | |
> Flüchtlinge dürfen nur noch dann nach Italien zurückgeschickt werden, | |
> wenn zugesichert wird, dass Familien gemeinsam untergebracht werden. | |
Bild: Flüchtlinge in einer italienischen Sporthalle. | |
STRASSBURG afp | EU-Mitgliedsstaaten dürfen Flüchtlinge nur noch dann nach | |
Italien zurückschicken, wenn den Migranten persönlich ihre Rechte etwa zur | |
gemeinsamen Unterbringung einer Familie garantiert werden. Das entschied | |
der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Dienstag in Straßburg. Er | |
gab damit der Klage einer afghanischen Familie mit sechs minderjährigen | |
Kindern statt, die gegen ihre Rückführung aus der Schweiz nach Italien | |
geklagt hatte. | |
Die Große Kammer des Menschenrechtsgerichtshofs stellte mehrheitlich fest, | |
dass eine Rückführung der Familie ohne individuelle Garantien gegen Artikel | |
3 zum Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung | |
der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen würde. | |
Auf diesen Artikel unter anderem hatte sich die afghanische Familie berufen | |
und geltend gemacht, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in | |
Italien mangelhaft seien und sie nach einer Abschiebung dorthin ohne | |
individuelle Garantien hinsichtlich ihrer Betreuung einer erniedrigenden | |
Behandlung ausgesetzt wären. | |
Der Menschenrechtsgerichtshof urteilte nun, dass der Familie in Italien | |
garantiert werden müsse, dass sie eine dem Alter der Kinder angemessene | |
Betreuung erhalten und als Familie gemeinsam untergebracht werde. | |
Die Familie war im Juli 2011 über Italien in die EU eingereist; sie stellte | |
in Österreich einen Asylantrag, der abgelehnt wurde, und reiste schließlich | |
in die Schweiz weiter, wo sie im November 2011 erneut Asyl beantragte. Die | |
Schweizer Behörden lehnten es ab, den Antrag zu bearbeiten, da laut der | |
Dublin-Verordnung der EU Italien dafür zuständig sei. | |
Die Grünen im Europäischen Parlament (EP) erklärten, der | |
Menschenrechtsgerichtshof verbiete mit seinem Urteil de facto Abschiebungen | |
nach Italien, weil die Zustände insbesondere für Flüchtlingskinder in | |
Italien untragbar seien. Das Gericht stelle damit generell in Frage, ob | |
Italien in der Lage sei, Flüchtlinge aus anderen EU-Ländern zurückzunehmen, | |
erklärte die Vize-Fraktionschefin und migrationspolitische Sprecherin der | |
Grünen im EP, Ska Keller. | |
„Dieses Urteil zeigt, dass die Dublin-Regelung vorne und hinten nicht mehr | |
funktioniert“, hob Keller hervor. Nötig sei ein „echtes, gemeinsames | |
Asylsystem in der EU“, denn die südlichen EU-Staaten seien offensichtlich | |
überfordert. | |
4 Nov 2014 | |
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