# taz.de -- Kommentar Flüchtlingspolitik: Grünes Dilemma | |
> Der Konflikt um die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule ist ein Ergebnis | |
> verfehlter Flüchtlingspolitik. Lokalpolitiker sind dabei zum Scheitern | |
> verurteilt. | |
Bild: In Berlin-Kreuzberg droht die nächste Eskalationsstufe. | |
Es ist ausgesprochen beruhigend, dass es noch Politikerinnen und Politiker | |
gibt, die für ihre Grundsätze einstehen und sogar bereit sind, für ihre | |
Überzeugungen ihre Karriere zu riskieren. | |
Wohin aber naiver Eifer führen kann, ist derzeit in dem nicht enden | |
wollenden Trauerspiel in einer Berliner Schule zu beobachten. Und zwar | |
nicht irgendwo in der Hauptstadt, sondern im Kernbezirk der grünen | |
Weltverbesserer, in Berlin-Kreuzberg. | |
Seit fast zwei Jahren besetzen Flüchtlinge die Gerhart-Hauptmann-Schule, | |
die im Verantwortungsbereich der Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann | |
(Grüne) liegt. Zum zweiten Mal eskaliert nun die Situation, wieder steht | |
eine Räumung bevor, an der viele schuld sind, nur nicht die betroffenen | |
Flüchtlinge. Offen bleibt, ob es weitere Verletzte oder sogar Tote gibt. | |
Die grüne Politikerin wollte Gutes tun, als sie sich im Sommer darauf | |
einließ, die Schule nicht wie angekündigt zu räumen, sondern den | |
verbliebenen Flüchtlingen eine weitere Duldung in der Schule in Aussicht | |
stellte und die Auszahlung von Leistungen nach dem | |
Asylbewerberleistungsgesetz versprach. | |
Sie hatte sich auf den Deal eingelassen, weil ihr offensichtlich das | |
politische Vermögen fehlte, andere, menschenwürdigere Unterkünfte zu finden | |
– und die Weitsicht, dass ein Problem nicht dadurch besser wird, dass man | |
Versprechungen macht, die man nicht einhalten kann. | |
## Das Grundproblem bleibt | |
Deutschland erlebt gerade die desaströsen Auswirkungen einer verfehlten | |
Flüchtlingspolitik. So war es Not und nicht die Liebe zum Krawall, die den | |
grünen Ministerpräsidenten Kretschmann dazu brachte, im Bundesrat einem | |
Asylkompromiss zuzustimmen, den nicht wenige mit guten Argumenten als | |
Verrat an den grünen Idealen verstehen. | |
Durch diesen Kompromiss ist für manche Flüchtlinge einiges besser geworden. | |
An dem Grundproblem aber, dass absolut zwingend Flüchtlingsunterkünfte zur | |
Verfügung gestellt werden müssen, ändert die Aufhebung der Residenzpflicht | |
freilich nichts. | |
Deshalb ist Monika Herrmann auch nicht nur an Unbedarftheit gescheitert. | |
Sondern schlicht am System. | |
Das hat nicht nur die Flüchtlinge alleingelassen, sondern auch die | |
Lokalpolitik, die mit Zielkonflikten konfrontiert ist, für die sie mit | |
ihren beschränkten Möglichkeiten kaum Lösungen finden kann. Und die wie | |
Monika Herrmann weiß, dass Nichtstun auch kein Ausweg ist. | |
4 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Ines Pohl | |
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