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# taz.de -- Flüchtlinge in Berliner Schule: „Wir gehen wieder aufs Dach“
> Die Grünen wollen, dass alle Flüchtlinge die Gerhart-Hauptmann-Schule
> verlassen. Die 45 Bewohner stellen sich auf eine Räumung durch die
> Polizei ein.
Bild: Werden diese Beamte draußen bleiben? Die BewohnerInnen der Schule befür…
BERLIN taz | Die Stimmung ist angespannt in der von Flüchtlingen besetzten
ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg. Eine Gruppe BewohnerInnen
sitzt am Dienstagnachmittag in einem Raum, der als eine Art Wohnzimmer
dient, mit Couchecke und Teeküche. An den Wänden hängen bunte Tücher und
Plakate. Sie diskutieren, was zu tun ist, wenn die Polizei zur Räumung
anrückt – denn das steht seit Tagen bevor. Bewohner Amir sagt: „Wir gehen
wieder aufs Dach, wenn die Polizei kommt, wir werden die Schule nicht
verlassen.“
Der Bezirk hatte den BewohnerInnen ein letztes Ultimatum gestellt, die
Schule bis Ende Oktober zu verlassen. Das Bezirksamt
Friedrichshain-Kreuzberg hat laut Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne)
bereits beschlossen, ein Amtshilfeersuchen an die Polizei zur Räumung der
Schule zu stellen, sollten die verbliebenen 45 BewohnerInnen nicht
freiwillig ausziehen.
Während die BewohnerInnen noch diskutieren, meldet der Rundfunk Berlin
Brandenburg, Herrmann habe das Amtshilfeersuchen nun gestellt. Die
Diskussion wird lauter, dann ist klar: Es geht aufs Dach. Der Tee bleibt
stehen, die fünf Männer laufen durch die Flure und trommeln die anderen
Bewohner zusammen, dann geht es nach oben.
„Wir werden nicht gehen, wir werden um dieses Haus kämpfen“, sagt Salah.
Zehn Tage harrten die Flüchtlinge hier aus, als der Bezirk im Juli erstmals
versuchte, die Schule zu räumen. Sie durften dann auf dem Gelände bleiben,
auch nachdem die meisten der etwa 200 BewohnerInnen ausgezogen waren.
Wie es dieses Mal ablaufen wird, weiß niemand. Weder der Bezirk noch die
Polizei bestätigen, dass das Amtshilfeersuchen bereits gestellt ist.
Trotzdem verbreitet sich die Information auch vor der Schule schnell.
UnterstützerInnen der Flüchtlinge haben hier einen Infopunkt eingerichtet,
einige von ihnen haben die Nacht hier verbracht. Am Montagabend gab es
bereits eine Mahnwache vor der Tor zum Schulgelände, die spätabends von der
Polizei geräumt wurde. Am Dienstagvormittag waren nur wenige
UnterstützerInnen hier, die Stimmung war ruhig.
## „Wir sind keine Verrückten“
Jetzt am Nachmittag wird es voller vor den Toren der Schule, immer mehr
UnterstützerInnen werden alarmiert. Die Polizei ist bisher nur mit wenigen
Kräften vor Ort. In vielen Grüppchen wird diskutiert, was als Nächstes
passieren wird: Kommt die Räumung gleich, wird die Polizei lieber bis zu
den Morgenstunden warten, könnte es doch noch eine Wende geben? „Diese
Ungewissheit ist für uns schon schwierig, für die Leute in der Schule muss
es furchtbar sein“, sagt eine Frau.
Der Bezirk möchte eine reguläre Flüchtlingsunterkunft in dem Gebäude
einrichten, 150 Plätze, betrieben von der Diakonie und finanziert durch das
Landesamt für Gesundheit und Soziales. Für die jetzigen BewohnerInnen gäbe
es hier keinen Platz, denn die meisten von ihnen befinden sich nicht oder
nicht mehr in Berliner Asylverfahren.
Die Flüchtlinge hingegen wollen eine selbst verwaltete Unterkunft und ein
soziales Zentrum als Anlauf- und Treffpunkt. „Wir sind keine Verrückten,
wir wollten immer mit dem Bezirk reden und zusammen etwas erarbeiten“, sagt
Amir. Vom Bezirk heißt es hingegen, alle bisherigen Gesprächsversuche seien
gescheitert, teilweise seien die BewohnerInnen gar nicht aufgetaucht.
Nach dem letzten Räumungsversuch gab es eine Vereinbarung zwischen Bezirk
und BewohnerInnen: Die 45 in der Schule verbliebenen Menschen sollten auch
während der Umbauarbeiten dort wohnen können. Nun ist das nach Ansicht des
Bezirks nicht mehr möglich: „Die Bedingung des Trägers war ganz klar, dass
die Schule leer sein muss, bevor mit dem Umbau begonnen werden kann“, sagt
ein Bezirkssprecher.
„Wir hatten eine Abmachung, wir sollten hier wohnen bleiben können und bei
den Arbeiten mithelfen“, sagt Amir. „Aber auch diese Abmachung wollen sie
brechen. Wenn wir uns darauf einlassen und ausziehen, haben wir nichts
mehr.“
4 Nov 2014
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
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Monika Herrmann
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