| # taz.de -- Unterbringung von Flüchtlingen: Container kommen in Mode | |
| > Auch ein privater Investor will Container für eine Flüchtlingsunterkunft | |
| > aufstellen. Kritik an dem Heim in Britz reißt nicht ab. | |
| Bild: Kurz vor der Eröffnung der ersten Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Neuk�… | |
| Neukölln bekommt ein zweites Flüchtlingsheim: Ein privater Investor will | |
| auf einem ehemaligen Bewag-Sportplatz an der Karl-Marx-Straße eine | |
| Containerunterkunft für rund 300 Menschen errichten. Das geht aus einer | |
| Antwort des Neuköllner Sozialstadtrats, Bernd Szczepanski (Grüne), auf eine | |
| Mündliche Anfrage des Bezirksverordneten Thomas Licher (Linke) hervor. Das | |
| Konzept sei mit dem zuständigen Landesamt für Gesundheit und Soziales | |
| (Lageso) abgestimmt, im Frühjahr 2015 könne der Betrieb aufgenommen werden. | |
| Bei der zuständigen Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales gibt man | |
| sich zurückhaltender: Derzeit werde noch mit dem Anbieter verhandelt, so | |
| Sprecherin Constance Frey. Vor zwei Wochen hatte Sozialsenator Mario Czaja | |
| (CDU) die Standorte für sechs Containerdörfer bekannt gegeben, die – | |
| finanziert vom Land – für rund 2.000 Flüchtlinge gebaut werden. | |
| Nach Informationen der taz handelt es sich bei dem neuen Betreiber in | |
| Neukölln um eine Firma namens Sowo Berlin GmbH, die laut Handelsregister | |
| erst im August gegründet wurde. Für den grünen Bezirksverordneten Jochen | |
| Biedermann muss mangelnde Erfahrung bei der Flüchtlingsunterbringung nicht | |
| zwingend ein Problem sein. „Andere haben vielleicht Expertise, machen aber | |
| trotzdem Mist“, sagt er mit Blick auf die Firma Pewobe, die das bislang | |
| einzige Neuköllner Flüchtlingsheim in der Haarlemer Straße betreibt. Hier | |
| häufen sich Klagen über die schlechte Qualität des in Modulbauweise | |
| erbauten Hauses sowie über die mangelnde Betreuung. | |
| ## Kita soll entstehen | |
| „Das Konzept bei dem neuen Heim klingt nach allem, was ich gehört habe, | |
| seriös“, so Biedermann. So solle eine Kita auf dem Gelände entstehen, was | |
| die soziale Anbindung des Heims an den Kiez erhöhen werde. Darüber hinaus, | |
| schreibt der Sozialstadtrat in seiner Antwort, beabsichtige der Betreiber | |
| „eine Betreuung über die vorgeschriebenen Standards hinaus sowie | |
| Räumlichkeiten für Schul- und Ausbildungsprogramme anzubieten“. Zudem sei | |
| die Lage des Grundstücks gut, findet Biedermann, „im Wohngebiet, | |
| verkehrsmäßig gut angebunden“. Die Modulbauweise sei zwar nicht schön, aber | |
| angesichts der vielen Flüchtlinge, „kommen wir derzeit wohl nicht um | |
| schnell errichtete Gebäude herum“. | |
| Auch der Linke Licher ist von dem Konzept angetan, das der Betreiber | |
| vorgelegt hat. Die „hochwertigen“ Container sollen laut den Plänen mit Holz | |
| verkleidet und um einen Platz herum angeordnet werden, so dass eine | |
| Begegnungszone entstehe, erklärt Licher. „Und die Kita ist einfach eine | |
| kluge Geschichte.“ Wichtig sei jetzt, mahnt Licher, dass die Anwohner | |
| „frühzeitig“ über das neue Heim informiert werden – damit nicht die Rec… | |
| das Heim propagandistisch ausschlachteten, sondern sich im Gegenteil eine | |
| „Willkommensinitiative“ entwickele. „In der Haarlemer Straße hat das ja | |
| sehr gut geklappt“, findet Licher. Dort würden die Nachbarn die Flüchtlinge | |
| sehr unterstützen. | |
| Das scheint allerdings das Einzige zu sein, was in dem Pewobe-Heim in Britz | |
| funktioniert. Licher hört viele Klagen über mangelnde Betreuung der | |
| Flüchtlinge. Zu Ende September kündigte das Unternehmen zwei | |
| Sozialarbeiterinnen, wie Stadtrat Szczepanski in der Beantwortung einer | |
| großen Anfrage Mitte Oktober dem Bezirksparlament Neukölln mitteilte. Laut | |
| Licher hatten sich die beiden Frauen sehr für die Flüchtlinge engagiert. | |
| Nun gebe es für 400 Bewohner nur noch eine Sozialarbeiterin und zwei | |
| Assistenten oder Helfer. „Das ist desaströs“, so Licher. | |
| Laut dem Piraten-Abgeordnete Fabio Reinhardt, der das Heim mehrfach besucht | |
| hat, gibt es zudem in dem erst im April bezogenen Haus ein Schimmelproblem, | |
| das Warmwasser reicht nicht aus und die Brandschutzanlage funktioniert | |
| nicht beziehungsweise ist nicht mit der Feuerwehr verbunden. Letzteres | |
| werde zurzeit durch eigens dafür ausgebildete „Brandwachen“ kompensiert, | |
| erklärt das Lageso auf taz-Anfrage. Allerdings wurde erst Anfang September | |
| kontrolliert, ob es überhaupt einen Brandschutz gibt, wie die | |
| Gesundheitsverwaltung in der Antwort auf eine Anfrage von Reinhard zugibt. | |
| Zu diesem Zeitpunkt war das Heim bereits in Betrieb. „Es ist skandalös, | |
| dass ein halbes Jahr überhaupt nicht überprüft wurde“, sagt Reinhardt. | |
| Trotz der Beschwerden wird die Firma Pewobe vom Lageso weiter mit Aufträgen | |
| bedacht. Im September habe sie „innerhalb einer Woche“ eine Notunterkunft | |
| am Rohrdamm in Spandau eröffnet, schreibt Szczepanski in seiner Antwort auf | |
| die Große Anfrage. Und in den nächsten acht Wochen werde sie zwei weitere | |
| „Objekte umbauen und dort den Betrieb aufnehmen“. | |
| ## Absurde Kostensteigerung | |
| Doch nicht nur die Frage, warum Pewobe immer wieder vom Lageso beauftragt | |
| wird, steht im Raum. Ungeklärt ist auch, wie es zu der enormen | |
| Kostensteigerung beim Bau des Hauses von rund 5,5 Millionen auf über 8 | |
| Millionen kommen konnte. Das Lageso erklärt dies gegenüber der taz „durch | |
| eine in Abstimmung mit dem Bezirk vorgenommene nachträgliche Änderung der | |
| Bauplanung. Zum anderen waren in der ursprünglichen Kalkulation keine | |
| Winterbaukosten veranschlagt, die dann – aufgrund des verzögerten | |
| Baubeginns – Mehrkosten verursacht haben“. Eine Nachfrage von Dienstag, | |
| welche Planänderung so viel Geld verschlingen kann, hat das Amt nicht | |
| beantwortet. | |
| 31 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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