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# taz.de -- Monika Herrmann über Flüchtlingsschule: „Der Bezirk ist am Ende…
> Monika Herrmann vollzieht die Kehrtwende: Verlassen die Besetzer die
> Hauptmann-Schule nicht, werde sie die Polizei um Räumung bitten, so die
> Bezirksbürgermeisterin.
Bild: Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) am Mittwoch i…
taz: Frau Herrmann, die Besetzer sollen bis zum Freitag die Schule
verlassen. Wann wird geräumt?
Monika Herrmann: Wir haben das Amtshilfeersuchen an die Polizei noch nicht
gestellt. Wir haben angeboten, dass sich die Leute am Freitag
Hostelgutscheine abholen. Wir bieten auch Beratung dazu, was es für
Möglichkeiten über das Jobcenter gibt. Es wohnen ja einige Leute dort, die
eine Duldung oder eine Aufenthaltserlaubnis haben. Unsere Wohnungsangebote
haben sie aber abgelehnt.
Ihr Sprecher hat angedeutet, es werde diese Woche geräumt.
Nein. Man muss ja so ein Amtshilfeersuchen erst einmal unterschreiben. Und
wir sind immer noch sehr optimistisch, dass wir das gar nicht machen
müssen.
Aber wenn doch?
Wenn alle Angebote abgelehnt werden, dann werden wir die Polizei um
Amtshilfe bitten.
Wer denn genau?
Ob ich unterschreibe oder die Immobilienstadträtin, ist egal. Wir haben
einen einstimmigen Beschluss des Bezirksamts. Das war im Sommer anders.
Als Stadtrat Hans Panhoff damals die Polizei rief, waren Sie dagegen. Was
hat sich geändert?
Damals standen Leute auf dem Dach und haben gedroht, herunter zu springen.
Damit waren wir im Bezirksamt überfordert, das ist nicht unser
Alltagsgeschäft. Meine Einschätzung war, dass wir eventuell mit Toten zu
rechnen haben, wenn die Polizei da reinmarschiert. Da habe ich gesagt, wir
frieren den Status Quo erstmal ein, um die Eskalation zu verhindern.
Auch jetzt könnten Menschen zu Schaden kommen.
Das kann passieren, ja. Aber wir haben inzwischen alles getan, was man tun
kann, haben alle Angebote gemacht, die wir machen können. Wenn Leute da
drin sind, die einfach maximal kämpfen wollen, dann – ist das ihre
Entscheidung.
Der Senat hat seine Versprechen gegenüber den Flüchtlingen nicht erfüllt.
Kann der Bezirk ihnen nicht ein Refugium lassen?
Das können wir nicht. Das ist eine Illusion. Der Bezirk hat über zwei Jahre
sein Optimum geleistet und ist jetzt am Ende. Wir können das nicht
finanzieren, ihnen keine Wohnung geben, keine legale Arbeit und keine
Papiere verschaffen. Sie bleiben, so lange ihr Status so ist, wie er ist,
in der so genannten Illegalität. Alle, die sich jetzt solidarisch erklären,
kann ich nur auffordern, die Leute aufzunehmen.
Würden Sie rückblickend die Besetzung des Oranienplatzes und der Schule
noch einmal erlauben – wie es Ihr Vorgänger Franz Schulz getan hat?
Damals, ohne das Wissen von heute, war das ein logischer Schritt. Auf dem
Oranienplatz lag Schnee, die Leute haben gefroren und wir hatten dieses
leer stehende Gebäude, das beheizt wurde. Der Fehler, den ich im Nachhinein
selbstkritisch sehe, war, dass wir es dann haben laufen lassen. Wir haben
die Menschen lange sich selbst überlassen, sie sollten sich selbst
organisieren. Das war auch der Anspruch der Unterstützer. Aber jeder, der
WG-Erfahrung hat, weiß, wie schwierig Selbstverwaltung ist. Und vielen
Bewohnern der Schule ging es nicht darum, die wollten weg von der Straße.
Als Panhoff später regelmäßig hingegangen ist, hat er gesagt: Leute, ich
brauche Ansprechpartner, wir brauchen ein Plenum, dies und jenes sind
unsere Angebote. Aber eine richtige Zusammenarbeit war nicht möglich.
Käme bei der bevorstehenden Räumung jemand zu Schaden, was wäre die
Konsequenz?
Wenn man ein Amtshilfeersuchen stellt, ist man nicht mehr Herr des
Verfahrens. Die Polizei entscheidet dann darüber, wie weiter vorgegangen
wird. Ich gehe davon aus, dass sie so professionell und mit Augenmaß
agiert, dass nichts passiert.
Was passiert mit der Schule nach der Räumung?
Wir haben ein Konzept, das für das Haupthaus eine Frauen-, eine Männer- und
eine Familienetage vorsieht. Da sollen aus den recht großen Klassenzimmern
abgeschlossene Wohneinheiten mit Appartementcharakter, also jeweils mit
eigenem Bad und eigener Kochgelegenheit entstehen. Projekte sind im
Haupthaus sowie im Pavillon und in mobilen Einheiten auf dem Gelände
eingeplant. Es finden derzeit Gespräche mit dem Lageso und Trägern statt,
denn wir können als Bezirk nicht Träger der Einrichtung sein.
Was für Projekte?
Mir ist wichtig, dass eine medizinische Erstversorgung in das Haus kommt.
Und ich hätte gerne ein Angebot, wo es um Beschäftigung geht.
Und gemeinnützige Träger bekämen Kredite, um das Haus entsprechend
auszubauen?
Ja, aber nur, was das Wohnen betrifft. Für die Projekte, müssen wir andere
Lösungen finden.
Trotzdem wird das in den Augen der jetzigen Bewohner eins der Lager sein,
die sie ablehnen.
Lager ist ein politischer Kampfbegriff, den ich vom Grundsatz her auch
nicht falsch finde. Es gibt Einrichtungen, die einen solchen Charakter
haben. Die zwei, die wir bislang in Kreuzberg haben, unterscheiden sich
aber davon. Und das, was wir hier jetzt aufbauen, unterscheidet sich noch
einmal.
Die Schule soll eine Art Vorzeigeeinrichtung werden?
Den Ehrgeiz habe ich nicht. Aber ich möchte, dass das eine Einrichtung
wird, wo die Menschen sich willkommen fühlen und sich nicht zu Tode
langweilen müssen, weil sie sich nicht beschäftigen können. Und es wäre
gut, wenn das Haus sich in den Kiez öffnet. Der ist ja sehr solidarisch,
auch wenn sich jetzt manchmal Leute aufregen.
Was passiert mit den Leuten vom Oranienplatz und der Schule?
Sie müssen entscheiden, ob sie zurück in das Bundesland gehen, wo ihr
Verfahren läuft, oder nach Italien, wenn sie dort Aufenthalt haben. Oder
sie versuchen, hier Fuß zu fassen. Das können sie aber nur, wenn ihnen
Leute privat helfen. Anders haben sie keine Chance.
30 Oct 2014
## AUTOREN
Alke Wierth
Susanne Memarnia
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