# taz.de -- Aufträge an Flüchtlingsheimbetreiber: Der Senator soll Antworten … | |
> In der Affäre um Lageso-Chef Franz Allert ist nun auch Sozialsenator | |
> Czaja gefragt: Was wusste er von Allerts persönlichen Verbandelungen? | |
Bild: Senator Czaja und Lageso-Chef Allert bei einer Pressekonferenz. | |
Die Affäre um den Chef des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso), | |
Franz Allert, und die Vergabe von Aufträgen an die Firma seines Patensohns | |
weitet sich aus. Ende vergangener Woche zeigte die Initiative Neue | |
Nachbarschaft/Moabit, die mit einer Anzeige die Ermittlungen der | |
Staatsanwaltschaft gegen Allert in Gang gebracht hatte, auch Sozialsenator | |
Mario Czaja (CDU) an. | |
In den Ermittlungen gegen Allert und die Geschäftsführer der Firmen Gierso | |
und Pewobe geht es darum, ob das Lageso die Unternehmen bevorzugt hat. | |
Beide Firmen bekamen in den vergangenen zwei Jahren wiederholt Aufträge für | |
den Bau und Betrieb von Flüchtlingsunterkünften, obwohl es viele | |
Beschwerden über sie gab. Lageso-Chef Allert ist der Patenonkel des | |
Gierso-Geschäftsführers. Der Geschäftsführer von Pewobe, Helmuth Penz, hält | |
25 Prozent Anteile an Gierso. | |
## Offensichtlich gebilligt | |
Udo Bockemühl von der Initiative sagte der taz: „Wenn es stimmt, was Medien | |
berichten, weiß Czaja mehr, als er sagt.“ Laut zwei Zeitungen des | |
Springer-Konzerns sagte Allert vorige Woche, er habe den Senat und die | |
Innenrevision sofort informiert, als er Ende 2012 von der | |
Geschäftsführertätigkeit seines Patensohns erfahren habe. Da es aber auch | |
danach zur „erheblichen Beauftragungen der Gierso GmbH durch das Lageso“ | |
gekommen sei, habe Czaja dies offensichtlich gebilligt, so Bockemühl. | |
Die Sprecherin von Czaja, Constance Frey, widerspricht Allerts Aussage | |
gegenüber Bild und BZ: Sie sagte der taz, der Senator habe im Juli 2014 von | |
Allerts Patenschaft für Tobias Dohmen erfahren. Allert sagte in einer | |
persönlichen Erklärung am Donnerstagabend, er habe zu „keiner Zeit | |
rechtswidrig auf die Vergabe oder die Vertragsgestaltung von Unterkünften | |
für Flüchtlinge Einfluss genommen“. Laut Bild sagte er auch, er habe nie | |
Verträge mit Heimbetreibern abgeschlossen. | |
Dem widerspricht seine Sprecherin, Silvia Kostner vom Lageso: Zwar würden | |
Verträge in der Regel auf Abteilungsleiter- oder Referatsebene | |
unterschrieben. Aber: „Es gab eine Ausnahme: Der Vertrag mit der Pewobe zur | |
Rognitzstaße wurde von Herrn Allert persönlich wegen Abwesenheit beider | |
Genannter unterschrieben“, sagte sie der taz am Freitagabend. | |
Das Firmenkonglomerat Gierso/Pewobe betreibt inzwischen ein Viertel der | |
momentan 46 Flüchtlingsheimen in Berlin, wegen der vielen neuen Flüchtlinge | |
kommen monatlich neue hinzu. Noch vor zwei Jahren hatte Gierso, die heute | |
fünf Heime betreibt sowie ein ehemaliges Hotel in Weißensee, lediglich ein | |
Heim. | |
## Geklonte Sozialarbeiter | |
Die Beschwerden über Gierso und Pewobe beziehen sich vor allem darauf, dass | |
Leistungen nicht eingehalten werden – und dies vom Lageso nur unzureichend | |
kontrolliert wird. So werden nach taz-Informationen zum Beispiel | |
Sozialarbeiter „geklont“, in dem sie in dem einen Heim eingestellt werden | |
(und so formal den dortigen Anforderungen genüge getan ist), de facto aber | |
woanders arbeiten. Vor mindestens einem Kontrollbesuch des Lageso – der | |
zwar unangemeldet stattfinden sollte, aber dennoch bekannt war – wurde | |
offenbar nicht nur das Heim geputzt und auf Vordermann gebracht, sondern | |
auch eine Liste von Mitarbeitern aufgehängt, die angeblich dort arbeiteten. | |
Anwesende Mitarbeiter sollen von der Heimleitung aufgefordert worden sein, | |
gegenüber dem Lageso zu bestätigen, dass diese Phantommitarbeiter dort | |
tätig seien. | |
Anfang des Jahres war der Flüchtlingsrat von Gierso abgemahnt und verklagt | |
worden, weil ein Mitarbeiter, Georg Classen, auf einer Veranstaltung davon | |
gesprochen hatte, dass in Heimen Mitarbeiter geklont werden. Der | |
Flüchtlingsrat gewann den Prozess. Das Landgericht schrieb in seiner | |
Urteilsbegründung, Classen habe „substanziiert ausgeführt, dass Missstände | |
bei der Personalausstattung durch eigene Besuche in den Unterkünften | |
festgestellt werden konnten“. | |
Bislang hatte das Lageso erklärt, solche „Personenidentitäten“ könnten | |
vorkommen, etwa wenn ein Betreiber erfahrenes Personal in eine neue | |
Einrichtung schickt. Dies würde aber bei der Abrechnung berücksichtigt. Wie | |
dies geschieht, blieb allerdings unklar. Denn in der Regel, schrieb der | |
zuständige Staatssekretär Dirk Gerstle im Februar in der Antwort auf eine | |
Kleine Anfrage der Piraten, lasse man sich Arbeitsverträge, Lohnzettel und | |
Arbeitszeitnachweise nicht vom Betreiber vorlegen. Und weiter: Von der | |
Möglichkeit, wegen Nichteinhaltung eine Vertragsstrafe zu verhängen, | |
„musste bisher nicht Gebrauch gemacht werden“. | |
## Jetzt Rückforderungen | |
Nun zieht das Amt die Daumenschrauben an. Derzeit fänden bei beiden | |
Betreibern – Gierso und Pewobe – Personalprüfungen statt, sagte die | |
Sprecherin des Lageso am Freitag auf taz-Nachfrage. Und: Im Falle der | |
Gierso seien bislang Rückforderungen von rund 70.000 Euro gemacht worden. | |
Bei Pewobe habe es 2013 „eine Verrechnung überzahlter Beträge in Höhe von | |
100.840 Euro“ gegeben. | |
10 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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