# taz.de -- CDU-Ministerpräsident David McAllister: „Ein paar Takte Dudelsac… | |
> Das Thema Wulff „ist bei den Menschen durch“, sagt David McAllister. Er | |
> verteidigt seine Flüchtlingspolitik – und seinen Wahlkampfsong. | |
Bild: „Vielleicht wirkt man einfach so, wie man tatsächlich ist.“ – Davi… | |
taz: Herr McAllister, warum sind Sie so nett? | |
David McAllister: Das ist doch eine positive Eigenschaft. Wenn mir die | |
nachgesagt wird, betrachte ich das als Kompliment. | |
Sie legen aber viel Wert darauf, dass dieses Bild transportiert wird. | |
Vielleicht wirkt man einfach so, wie man tatsächlich ist. | |
Und deshalb flachsen Sie mit der britischen Presse über Deutsche, die Ihren | |
Namen nicht aussprechen können? | |
Britische Medien fragen regelmäßig, ob ich jemals Nachteile erlebt habe, | |
weil ich keinen typischen deutschen Namen habe. Das habe ich nicht. Das | |
Einzige, womit ich aufwarten kann, ist, dass man mit einem Nachnamen wie | |
McAllister mit den unterschiedlichsten Aussprachen konfrontiert wird. Na | |
und? | |
Das ist die einzige Benachteiligung, die Sie erlebt haben? | |
Natürlich könnte ich mich medial interessanter machen, indem ich eine Reihe | |
von Geschichten aufzähle. Eine wirkliche Benachteiligung habe ich aufgrund | |
meiner halbschottischen Herkunft nie erfahren. Aber ich habe den ein oder | |
anderen hässlichen, zum Teil auch verletzenden Brief bekommen. | |
Ihre schottische Herkunft spielt in Ihrem Wahlkampf dafür, dass sie | |
politisch bedeutungslos ist, aber eine große Rolle. | |
Sie spielt gar keine Rolle. Es gibt eine Unterstützerkampagne für mich mit | |
dem Titel „I’m a Mac“. Das ist ein ironisches Wortspiel. | |
Und die CDU singt: „Unser Häuptling ist ein Schotte …“ | |
Unser Wahlkampfsong hat eine Länge von rund dreieinhalb Minuten und einen | |
ausführlichen Text. Eine einzige Textzeile bezieht sich auf meine | |
schottische Abstammung. Das ist alles. | |
Und der Dudelsack. | |
Von dreieinhalb Minuten Lied sind am Anfang und am Ende ein paar Takte | |
Dudelsackmusik zu hören. Und ich glaube, in der Mitte. Das ist politische | |
Werbung mit einem leichten Augenzwinkern und der Gabe, sich selbst auf die | |
Schippe zu nehmen. Eine Eigenschaft, die in der deutschen Politik noch | |
etwas unterentwickelt ist. | |
Dabei ist sie so hilfreich dabei, Unangenehmes auszublenden. Selbst die FAZ | |
schreibt, Sie seien „zu vorsichtig, um aussagekräftig zu sein“. | |
Wer mich kennt, weiß, dass ich keiner politischen Debatte aus dem Weg gehe. | |
Als Landesvorsitzender der CDU verantworte ich unser Wahlprogramm mit ganz | |
klaren Aussagen für Niedersachsens Zukunft. Dafür, dass ich angeblich zu | |
wenig Inhalte vertrete, arbeiten sich andere ganz schön an mir ab. | |
Unliebsames wie die Affäre um Ihren Vorgänger Christian Wulff drücken Sie | |
trotzdem weg: Die haben Sie jüngst für beendet erklärt. | |
Das Thema ist für die Menschen durch. | |
Die Staatsanwaltschaft ist damit nicht durch. | |
Das ist richtig. Wenn Sie aber die Menschen im Land fragen, ob sie das | |
Thema noch beschäftigt, werden die allermeisten Ihnen sagen, dass sie damit | |
durch sind. | |
Das Urteil von Niedersachsens Landesverfassungsgericht besagt, dass Sie auf | |
legitime Fragen der Opposition nach dem Verhältnis zwischen Landesregierung | |
und Firmen nicht die gebotene Transparenz herstellen. | |
Die Landesregierung hat nach bestem Wissen und Gewissen mehr als 800 | |
Medien- und parlamentarische Anfragen zu dem Themenkomplex beantwortet. | |
Einige unserer Mitarbeiter haben wochenlang kaum etwas anderes gemacht. Die | |
Landesregierung hat das Maximale geleistet, den Sachverhalt aufzuklären und | |
für Transparenz zu sorgen. | |
Also irrt sich der Staatsgerichtshof? | |
Das Verfahren hat die Landesregierung zum großen Teil gewonnen. Der | |
Staatsgerichtshof hat in einem Punkt festgestellt, dass die Landesregierung | |
vor der Beantwortung einer Frage noch sorgfältiger bei den beteiligten | |
Landesbehörden hätte nachfragen müssen, obwohl man bei der konkreten Frage | |
der SPD-Fraktion kaum verstehen konnte, was die eigentlich wollten. Diese | |
Entscheidung des Staatsgerichtshofs respektiere ich. Sie wird | |
selbstverständlich in die künftige Arbeit der Landesregierung einfließen. | |
Hätte man nicht damals schon sorgfältiger nachforschen sollen, als sich die | |
Enthüllungen täglich überschlugen? | |
Rückblickend, in der Ex-ante-Betrachtung, ist man noch schlauer. | |
Die Landesregierung scheint in vielen Punkten plötzlich schlauer zu sein: | |
Im Fall der abgeschobenen Gazale Salame hat man sich nach acht Jahren | |
entschieden, ihr ein Rückkehrrecht einzuräumen. Mittlerweile sind Sie für | |
ein NPD-Verbot. Und nachdem Sie zuvor eine Agrarministerin hatten, die 3,50 | |
Euro Stundenlohn in ihren eigenen Schlachthöfen gezahlt hat, beschwert sich | |
nun deren Nachfolger über die Löhne in Fleischindustrie … | |
Ihre Darstellung ist verkürzt. Diese Materialsammlung von Bund und Ländern | |
zur NPD zeigt: Der NPD geht es darum, unsere Verfassungsordnung in | |
aggressiv-kämpferischer Weise zu beeinträchtigen. Damit besteht eine | |
hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Bundesverfassungsgericht | |
die Verfassungswidrigkeit feststellen wird. Niedersachsen hat daher dafür | |
gestimmt, ein neues Verbotsverfahren einzuleiten. | |
Im Fall Gazale Salame waren acht Jahre Zeit, die Trennung der Familie | |
rückgängig zu machen. | |
Der Fall beschäftigt die Landespolitik seit vielen Jahren. Alle Beteiligten | |
bemühen sich jetzt um eine humanitäre Lösung. | |
Aber es gibt ja etliche Einzelfälle: Selbst die Härtefallkommission in | |
Niedersachsen hat im Sommer aus Protest die Arbeit niedergelegt. Auslöser: | |
Einer Roma-Mutter, seit der Abschiebung von Mann und vier Kindern die | |
weiteren fünf Kindern alleinerziehend, wurde die Aufenthaltsgenehmigung | |
nicht entfristet, weil sie nicht arbeiten kann. | |
Die Niedersächsische Landesregierung ist an Recht und Gesetz gebunden. In | |
der öffentlichen Wahrnehmung kommen allerdings die Impulse zu kurz, die | |
Niedersachsen in den vergangenen Jahren in der Flüchtlings- und | |
Integrationspolitik mit Bundesratsinitiativen gesetzt hat. Beispielsweise | |
der in das Aufenthaltsgesetz eingefügte Paragraf 25a, ein eigenes | |
Aufenthaltsrecht für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende. | |
In der öffentlichen Wahrnehmung sind aber Fälle wie der des nepalesischen | |
Flüchtlings Shambu Lama. Der hat sich nicht wegen der besonders humanitären | |
niedersächsischen Innenpolitik vor den Zug gelegt. | |
Das ist ein trauriges Schicksal. Aber einen Zusammenhang mit der Politik | |
der Landesregierung herzustellen, weise ich zurück: Wir sind bestrebt, im | |
Interesse der Betroffenen ohne viel Aufhebens zu Lösungen zu kommen, selbst | |
wenn rechtlich nichts mehr möglich ist. Je weniger darüber in der | |
Öffentlichkeit gesprochen wird, desto besser ist es für die Betroffenen. | |
Ihre Kritiker sind ja nicht nur wir linken Spinner von der taz. Das sind | |
gestandene Kirchenleute. | |
Sie können davon ausgehen, dass ich alle kritischen Stellungnahmen lese und | |
auswerte, die der Kirchen besonders genau. Das tue ich auch als | |
evangelischer Christ. | |
Sie distanzieren sich also von Ihrem umstrittenen Innenminister Uwe | |
Schünemann? | |
Nein. Die Landesregierung macht eine einheitliche Politik. Wir vertreten | |
sie als Kollegialorgan, indem wir nach Diskussionen zu einvernehmlichen | |
Ergebnissen kommen. | |
Und dem die Fleischindustrie in Person von Astrid Grotelüschen angehört hat | |
– und jetzt erklärt Ihr Agrarminister die Löhne im Schlachtbereich für eine | |
Katastrophe. Wie sollen Ihnen die Leute diesen Schwenk abkaufen? | |
Es gibt Branchen in Deutschland, in denen Arbeit zu Entgelten entlohnt | |
wird, die schlicht inakzeptabel sind. Wenn Werkverträge missbraucht werden, | |
um tarifliche und soziale Standards zu umgehen, ist das nicht in Ordnung. | |
Auch Arbeitnehmer aus anderen europäischen Ländern müssen in Deutschland | |
fair behandelt werden. Löhne und Gehälter haben auch etwas mit der Würde | |
von Arbeit zu tun. | |
Grotelüschen kandidiert jetzt bei der Bundestagswahl für Ihre CDU. | |
Astrid Grotelüschen ist in einer innerparteilichen Urwahl mit einer sehr | |
großen Mehrheit nominiert worden. Sie wird vor Ort als sehr engagierte | |
Kommunalpolitikerin im Gemeinderat und Kreistag Oldenburg geschätzt. | |
… ist aber nicht die Kandidatin des Landesvorsitzenden? | |
Alle unsere Bundestagskandidaten sind auch die Kandidaten des | |
Landesvorsitzenden. | |
Wie glaubwürdig ist angesichts dessen Ihre Branchenkritik kurz vor der | |
Wahl? | |
Die Debatte über die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie hat in den | |
letzten Monaten Fahrt aufgenommen. Die Forderung nach einer | |
marktwirtschaftlichen Lohnuntergrenze ist seit dem Bundesparteitag in | |
Leipzig 2011 Beschlusslage der CDU Deutschland. Das ist gut so, und ich | |
unterstütze das voll und ganz. | |
20 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
T. Havlicek | |
B. Schirrmeister | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Landtagswahlen | |
David McAllister | |
Niedersachsen | |
CDU | |
Christian Wulff | |
Abschiebung | |
CDU | |
David McAllister | |
Schwerpunkt Landtagswahlen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Mehr Sicherheit für Flüchtlinge: Niedersachsen will weniger Abschiebungen | |
Rot-Grün zementiert den Kurswechsel: Innenminister Pistorius verbietet das | |
Auseinanderreißen von Familien und nächtliche Abschiebungen. | |
CDU-Europaspitzenkandidat McAllister: Das Ende der Bescheidenheit | |
Er war eine Nachwuchshoffnung der Union, schon mit 36 Ministerpräsident. | |
Dann folgte David McAllisters Abstieg. Nun wagt er einen Neubeginn. | |
Niedersachsen-Wahl: Immer nur lächeln | |
Das TV-Duell im NDR war das einzige direkte Aufeinandertreffen der | |
Spitzenkandidaten Stephan Weil und David McAllister. | |
Wahlkampfendspurt in Niedersachsen: Die begnadete Sahra | |
Sahra Wagenknecht wird im niedersächsischen Linken-Wahlkampf eine leitende | |
Rolle übernehmen. Publicity für eine Partei, zu deren Terminen sonst kaum | |
Presse kommt. | |
Wahljahr 2013: Täuschung im großen Stil | |
Keine Koalition ist ausgeschlossen, der Lagerwahlkampf pure Inszenierung. | |
Doch die wird erst nach der Wahl in Niedersachsen richtig losgehen. | |
Landtagswahl in Niedersachsen: Als wäre Rot-Grün schon gewählt | |
SPD und Grüne präsentieren sich vor der Wahl in Niedersachsen so, als ob | |
Rot-Grün schon an der Macht sei. Es könnte knapp reichen. | |
Wahlkampf-Watschen: Kandidat weg, Zielgruppe verfehlt | |
Niedersachsens CDU verschenkt ein Direktmandat: Ein Landtagskandidat tritt | |
nicht mehr an, er wurde zum zweiten Mal beim Lügen ertappt. Und | |
Spitzenkandidat McAllister irritiert mit Spendenaufrufen | |
Stimmenfang unter Christen: Banges Buhlen um die Schäfchen | |
Niedersachsens CDU sucht die Nähe zu den Kirchenmitgliedern - mit Wahl- und | |
Spendenaufruf in einer Katholikenzeitung. Von den Kanzeln im Land erklang | |
die Kritik an Schwarz-Gelb zuletzt immer lauter. | |
Integration in Niedersachsen: Störenfried Schünemann | |
Niedersachsens Grüne sehen die schwarz-gelbe Regierung im Verhältnis zu | |
Muslim-Verbänden auf "Schlingerkurs", vor allem wegen des Innenministers. | |
Urteil in der Wulff-Affäre: Schlechte Antwort in Niedersachsen | |
Die niedersächsische Regierung hat sich eine Rüge des | |
Landesverfassungsgerichts eingehandelt. Sie hätte den Landtag besser | |
informieren müssen. |