| # taz.de -- Kommentar Zustand der Bundeswehr: Kaputte Verantwortung | |
| > Die Verteidigungsministerin spricht vollmundig von mehr Einsatzwillen. | |
| > Dabei überfliegt sie nicht zuletzt auch das Grundgesetz. | |
| Bild: Eurofighter der Bundeswehr. | |
| Das hätte sich die Friedensbewegung in ihren kühnsten Träumen nicht | |
| vorstellen können: Soldaten der Bundeswehr sind auf eine Regierungsmaschine | |
| der Kanzlerin angewiesen, weil alle anderen infrage kommenden Flugzeuge | |
| nicht einsatzfähig sind. Das ist allerdings kein später Sieg von | |
| Antimilitaristen. Denn hier wurde kein Schwert zum Pflugschar | |
| umgeschmiedet, sondern es offenbart sich lediglich ein eindrucksvolles Maß | |
| an kollektiver Leichtfertigkeit und Inkompetenz. | |
| Ursula von der Leyen hat recht, wenn sie darauf hinweist, dass die Probleme | |
| der Bundeswehr nicht erst während ihrer Amtszeit entstanden sind, sondern | |
| sich lange vorher angebahnt hatten. Man gewinnt den Eindruck, im | |
| Verteidigungsministerium sei über Jahre hinweg Plumpsack gespielt worden. | |
| Was die Frage aufwirft, warum eigentlich niemand über mögliche Versäumnisse | |
| von Thomas de Maizière spricht, der bis Dezember letzten Jahres für die | |
| Streitkräfte verantwortlich war. Oder ob es nicht an der Zeit wäre, sich – | |
| horribile dictu! – damit zu beschäftigen, was Angela Merkel unter | |
| Richtlinienkompetenz versteht. | |
| Allerdings fiele es leichter, die amtierende Verteidigungsministerin für | |
| ein Opfer der Verhältnisse zu halten, hätte sie sich auf der Münchner | |
| Sicherheitskonferenz zu Beginn des Jahres weniger vollmundig geäußert. Dort | |
| mahnte sie größeres deutsches Engagement weltweit an und ließ durchblicken, | |
| dass sie jede Kritik an Militäreinsätzen für einen Hinweis auf | |
| Gleichgültigkeit gegenüber menschlichem Leid hält. | |
| Wörtlich sagte Ursula von der Leyen: „Wenn wir über die Mittel und | |
| Fähigkeiten verfügen, dann haben wir auch eine Verantwortung, uns zu | |
| engagieren.“ Inzwischen ist bekannt, dass die Bundeswehr weder über das | |
| eine noch über das andere in hinreichendem Maße verfügt, um im Bedarfsfall | |
| auch nur ihren Bündnisverpflichtungen innerhalb der Nato nachkommen zu | |
| können. | |
| ## Den Wehretat nach oben treiben | |
| Ob der Zustand der Streitkräfte wirklich so desolat ist, wie er gegenwärtig | |
| erscheint, lässt sich von außen kaum beurteilen. Die Bundeswehr wird | |
| niemals so viel Geld bekommen, wie sie es selbst für nötig und richtig | |
| hält. Selbstverständlich gibt es interne Interessen, den Wehretat so weit | |
| wie möglich nach oben zu treiben. Und natürlich gibt es aus Sicht mancher | |
| Offiziere immer gute Gründe, die politisch Verantwortlichen nicht allzu | |
| ausführlich zu informieren. Das Verteidigungsministerium gilt ja nicht | |
| zufällig als Schleudersitz. | |
| Aber diese Erklärungen entlasten niemanden. Kein Kabinettsmitglied und auch | |
| keine Bundestagsabgeordneten. Denn es geht um sehr viel mehr als die Frage, | |
| wie lange ein Eurofighter fliegen kann und ob ein Hubschrauber überhaupt | |
| noch vom Boden abheben sollte. Es geht um die grundsätzliche | |
| Auseinandersetzung mit den Pflichten der Bundeswehr. | |
| Erstaunlich offenherzig hat ein Sprecher des Verteidigungsministeriums | |
| erklärt, man habe sich in den letzten Jahren eben „auf die Einsätze | |
| konzentriert“ und andere Probleme „beiseitegeschoben“. Er scheint das für | |
| eine brauchbare Rechtfertigung der Zustände zu halten. Man kann darin auch | |
| einen Verfassungsbruch sehen. | |
| Das Grundgesetz schreibt als Aufgabe der Streitkräfte die | |
| Landesverteidigung fest. Dazu gehören Bündnisverpflichtungen im Rahmen der | |
| Nato. Von Koalitionen der Willigen und Kriegsführung ohne UN-Mandat steht | |
| nichts in der Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar | |
| Militäreinsätze außerhalb des Bündnisgebietes prinzipiell gebilligt – aber | |
| die Richter haben nicht erklärt, dass Landesverteidigung künftig keine | |
| Rolle mehr spielen soll. | |
| Solange die Bundeswehr nicht in der Lage ist, ihren Auftrag zu erfüllen, | |
| bräuchte man über eine weitere deutsche Beteiligung an weltweiten | |
| Militäreinsätzen nicht einmal zu streiten. Alles Gerede darüber ist nämlich | |
| derzeit nur eines: eine Missachtung des Grundgesetzes. | |
| 4 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Bettina Gaus | |
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