# taz.de -- Kabinett billigt Pkw-Maut: Augen zu und durch | |
> Nachdem das Kabinett die Abgabe beschlossen hat, gibt sich | |
> Verkehrsminister Dobrindt unglaublich zuversichtlich. Doch ein Wort ist | |
> bei ihm tabu. | |
Bild: Volle Bahnen auf der A2 bei Hannover. | |
BERLIN taz | Im Wahlkampf wusste Alexander Dobrindt noch, worum es wirklich | |
geht. „Die Maut für Ausländer wird kommen“, sagte der damalige | |
CSU-Generalsekretär im September 2013. „Da gibt es überhaupt keinen | |
Zweifel.“ | |
Zweifel an seinem zentralen Projekt will Dobrindt auch in seiner neuen | |
Funktion als Verkehrsminister keineswegs aufkommen lassen. Schließlich kann | |
er am Mittwoch einen Erfolg vermelden: Das Bundeskabinett, in dem es viele | |
Vorbehalte gegen die Maut gibt, hat seinen Gesetzentwurf verabschiedet. | |
Doch das Wort „Ausländer-Maut“ kommt Dobrindt in der anschließenden | |
Pressekonferenz nicht über die Lippen, selbst als er mehrmals explizit nach | |
diesem Wahlversprechen gefragt wird. Stattdessen spricht der Minister von | |
der „Infrastrukturabgabe“, die „auch Pkw-Maut genannt wird“. | |
Eine „Ausländer-Maut“, das hatte die EU von Anfang an klargemacht, verstö… | |
nämlich gegen europäisches Recht. Das verbietet eine Diskriminierung | |
aufgrund der Nationalität. Darum vermeidet Dobrindt, der früher für seine | |
klare Sprache geschätzt wurde, jede Formulierung, die später gegen | |
Deutschland verwendet werden könnte. Dass die Maut früher oder später vor | |
dem Europäischen Gerichtshof landet, davon geht der Minister offenbar | |
selbst aus. | |
Offiziell will er davon jedoch nichts wissen. „Die Maut ist | |
europarechtskonform“, wiederholt Dobrindt ein ums andere Mal. Auch im | |
Gesetzestext findet sich diese Aussage gleich zweimal. | |
## Dobrindts Verrenkung | |
Um seinen Wählern deutlich zu machen, dass nur die Ausländer zahlen, ohne | |
sich dadurch angreifbar zu machen, muss Dobrindt sich ziemlich verrenken. | |
Man werde diejenigen an der Straßenfinanzierung beteiligen, „die diese | |
bisher kostenlos nutzen“. Und verspricht erneut: „Für inländische | |
Autofahrer gibt es keine zusätzlichen Belastungen.“ Damit faktisch nur | |
Ausländer die Maut bezahlen, aber auf dem Papier keine allzu | |
offensichtliche Diskriminierung besteht, musste die Regierung ihr Gesetz | |
immer weiter verkomplizieren. | |
Grundidee ist, dass die „Infrastrukturabgabe“ von allen Fahrzeugen bezahlt | |
werden muss, die auf deutschen Bundesstraßen und Autobahnen unterwegs sind. | |
Damit deutsche Autofahrer nicht mehr bezahlen, wird ihre | |
Kraftfahrzeugsteuer genau im Umfang der künftigen Maut gesenkt – aus | |
Rücksicht auf die EU-Juristen in einem gesonderten Gesetz, das rein | |
zufällig gleichzeitig mit der Maut-Einführung verabschiedet wird. | |
Dass sie sich von derartig durchsichtigen Tricks nicht beeindrucken lässt, | |
hatte die neue EU-Verkehrskommissarin Violetta Bulc in einem Brief an | |
Dobrindt vor wenigen Tagen noch einmal deutlich gemacht. Doch der ignoriert | |
das stoisch, wiederholt einfach noch einmal seinen neuen Lieblingssatz: | |
„Die Maut ist europarechtskonform.“ | |
## Ausnahmen über Ausnahmen | |
Nach und nach kamen weitere Ausnahmen ins Gesetz.Weil die grenznahen | |
Gemeinden um Kunden aus dem Nachbarland fürchten, zahlen Ausländer nur, | |
wenn sie Autobahnen benutzen, nicht aber auf Bundesstraßen. Alle Fahrzeuge, | |
die bisher schon von der Kfz-Steuer befreit waren, werden auch im | |
Maut-Gesetz als Ausnahme erwähnt – vom Elektroauto über die | |
Botschaftslimousine bis zum Behindertenfahrzeug. Zudem können Deutsche, die | |
weder Bundesstraßen noch Autobahnen benutzen, sich die Maut erstatten | |
lassen. Wie der Nachweis darüber erfolgen soll, ist offen. Dass viele | |
Menschen diese Befreiung beantragen, hält Dobrindt für „ziemlich abwegig“. | |
Ihr offizielles Ziel, mehr Geld für die Verkehrsinfrastruktur zu | |
generieren, erfüllt die Maut durch die vielen Sonderregeln immer weniger. | |
Nachdem in der Vergangenheit eine Milliarde jährlich im Raum stand, geht | |
Dobrindt jetzt nur noch von 500 Millionen Euro zusätzlichen Einnahmen aus – | |
und auch dieser Wert wird nur erreicht, weil die Kosten für Erhebung und | |
Kontrolle der Maut deutlich nach unten korrigiert wurden: auf 200 Millionen | |
Euro. | |
Für Dobrindt ist dennoch klar, dass der riesige Aufwand bei Erfassung, | |
Vollzug und Kontrolle der Fahrzeuge in einem vernünftigen Verhältnis zum | |
Ertrag steht. „Sinnvoll, fair und gerecht“ ist die Maut. Auch diesen Satz | |
wiederholt der Minister zur Sicherheit mehrmals. | |
So richtig glaubwürdig kommt das nicht rüber, das scheint auch der Minister | |
zu merken. Seine ausweichenden Antworten sorgen teils für Heiterkeit unter | |
den Journalisten. Doch auch darauf hat Dobrindt eine Antwort, die ähnlich | |
realitätsnah ist wie viele seiner sonstigen Aussagen: „Alles, was ich Ihnen | |
heute erzähle, ist der Klarheit und Wahrheit verpflichtet.“ | |
17 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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