# taz.de -- Bundesgerichtshof zu Doppelvaterschaft: Wunscheltern legalisiert | |
> Das Gericht erleichtert die Elternschaft mit Kindern, die im Ausland von | |
> Leihmüttern ausgetragen wurden. Geklagt hatte ein homosexuelles Paar. | |
Bild: Homosexuellen mit Kinderwunsch werden noch immer viele Steine in den Weg … | |
FREIBURG taz | Zwei Berliner Schwule können gemeinsam Eltern eines Kindes | |
werden, das in den USA von einer Leihmutter geboren wurde. Das hat der | |
Bundesgerichtshof (BGH) am Freitag in einem Grundsatzbeschluss entschieden. | |
Die beiden Männer sind 50 und 51 Jahre alt und leben in einer eingetragenen | |
Partnerschaft. Im August 2010 schlossen sie mit einer Frau in Kalifornien | |
einen Leihmuttervertrag. Das Kind wurde im September 2010 mit den Spermien | |
eines der Männer und einer anonym gespendeten Eizelle einer weiteren Frau | |
gezeugt. Im Bauch der Leihmutter wuchsen daraufhin Zwillinge. | |
Im April 2011 – noch vor der Geburt – entschied ein Gericht in Kalifornien | |
antragsgemäß, dass die beiden Männer Eltern der Zwillinge sind und die | |
Leihmutter keine Mutterstellung hat. Eins der Kinder starb vor der Geburt, | |
das andere lebt mit den beiden Vätern in Berlin. | |
Allerdings akzeptierte das Berliner Standesamt nur die Vaterschaft des | |
Mannes, dessen Sperma zur Zeugung führte. Daraufhin klagten die beiden | |
Männer im eigenen Namen und im Namen des Kindes. Das Berliner Kammergericht | |
bestätigte jedoch die ablehnende Haltung der Standesbeamten. | |
## Verstoß gegen die Menschenwürde | |
Das US-Urteil über die gemeinsame Vaterschaft könne nicht anerkannt werden, | |
weil es gegen den deutschen „Ordre public“ verstoße, denn deutsches Recht | |
lehne die Leihmutterschaft grundsätzlich ab. Sie verstoße gegen die | |
Menschenwürde des Kindes und der Leihmütter, so die Berliner Richter. Die | |
besondere Beziehung zwischen Mutter und Kind verbiete eine Übernahme der | |
Mutterschaft „als eine Art Dienstleistung“. Das Kind dürfe nicht zum | |
Gegenstand eines „Handelsgeschäfts“ werden. | |
Zwar sei hier, so das Kammergericht, das Kind schon geboren. Allerdings sei | |
dann eine Stiefkind-Adoption durch den zweiten Vater möglich. In deren | |
Rahmen könne dann auch individuell geprüft werden, ob die gemeinsame | |
Vaterschaft dem Kindeswohl entspricht. | |
Diese Berliner Entscheidung hob der Bundesgerichtshof nun letztinstanzlich | |
auf. Die Anerkennung des US-Urteils verstoße nicht gegen den deutschen | |
Ordre public. Die Menschenwürde der Frau, die freiwillig gehandelt habe, | |
sei nicht verletzt, ebenso wenig die des Kindes. Das Kind könne nichts für | |
die Art seiner Zeugung, habe aber ein Recht auf zwei Eltern. Die | |
amerikanische Leihmutter sei zum einen gar nicht zur Annahme der | |
Mutterrolle bereit und sie ist nach dem US-Urteil gar nicht mehr rechtliche | |
Mutter. Dagegen seien die vom BGH so genannten „Wunscheltern“ sehr an der | |
Ausübung der Elternrolle interessiert. | |
## Homosexualität nicht ausschlagendgebend | |
Zwar wäre auch eine Stiefkind-Adoption durch den zweiten Vater möglich. Das | |
aber zeige, so der BGH, dass es keinen Widerspruch zu wesentlichen | |
Grundsätzen des deutschen Rechts gebe. Eine Adoption wäre für das Kind auch | |
nicht vorteilhaft. Es sei vielmehr besser, wenn die rechtlich | |
verantwortlichen Eltern schnell feststehen. | |
Die Entscheidung gilt zunächst nur für Fälle, bei denen die Leihmutter | |
keine eigene Eizelle austrägt und mindestens eines der Wunschelternteile | |
mit dem Kind biologisch verwandt ist. Beides ist aber nicht unüblich und | |
lässt sich meist auch entsprechend arrangieren. | |
Dass es sich hier um eine homosexuelle Partnerschaft handelte, spielte für | |
die Entscheidung des BGH dagegen keine Rolle. Der BGH berief sich auf ein | |
Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2013, wonach Homosexuelle genauso | |
gute Eltern für ein Kind sein können wie gemischt geschlechtliche Eltern. | |
19 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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