# taz.de -- Leihmutterschaft in Indien: Aus für Babies „made in India“ | |
> Leihmutterschaft ist in Indien ein Milliardengeschäft. Jetzt will die | |
> indische Regierung das kommerzielle Kinderaustragen verbieten. | |
Bild: In einer temporären Unterkunft für Leihmütter. Anand, Westindien, 2013 | |
Delhi taz | Dr. Rita Bakshi betreibt eine Fruchtbarkeitsklinik in | |
Neu-Delhi. Ihre Website ist rosa-rot. „Wir helfen glücklichen Leihmüttern | |
und zukünftigen Eltern“ heißt es dort. Unter der Rubrik „Ratgeber für | |
Leihmütter“ steht „Wir haben alle Instrumente, die Sie auf ihrer magischen | |
Reise als Leihmutter brauchen“. Das Bild daneben zeigt eine blonde, | |
hochschwangere Frau. | |
Seit Indien 2002 die Leihmutterschaft legalisierte, haben sich Ärzte im | |
ganzen Land glitzernde Kliniken gebaut, die sich an wohlhabende kinderlose | |
Paare aus dem In- und Ausland richten. Damit soll es nun vorbei sein. | |
Nach einem Gesetzesentwurf der Hindu-nationalistischen Regierung soll | |
Leihmutterschaft in Indien künftig nur noch aus „altruistischen“ Motiven | |
(also nicht gegen Bezahlung) erlaubt sein. Und nur noch verheiratete | |
indische Paare dürfen in den Genuss kommen. | |
Damit würde im Handstreich eine Industrie, die jährlich in Indien rund zwei | |
Milliarden Euro umsetzt, geschlossen oder – wie Kritiker fürchten, in die | |
Illegalität gedrängt. Das vorgeschlagene Gesetz, das bereits vom Kabinett | |
aber noch nicht vom Parlament gebilligt wurde, soll nach Auskunft von | |
Außenministerin Sushma Swaraj (BJP) „Frauen vor Ausbeutung durch eine | |
ungezügelte medizinische Tourismusindustrie schützen.“ | |
## Die Leihmutter bekommt nur einen Bruchteil des Geldes | |
In der Tat sieht die Realität der meisten Leihmütter anders aus als die | |
rosa-rote Website der Frauenärztin aus Delhi nahelegt. | |
Anandhi (29), eine Köchin aus Chennai, wollte als Leihmutter Geld | |
verdienen, um einen kleinen Laden aufzumachen. Doch der Vermittler strich | |
50 Prozent des vereinbarten Honorars von rund 3.000 Euro ein, und das | |
Krankenhaus stellte ihr nach der Geburt eine heftige Rechnung. „Mir wurde | |
gesagt, dass die medizinische Behandlung bezahlt wird, aber davon war nach | |
der Geburt keine Rede mehr. Am Ende blieb mir nicht genug Geld für den | |
Laden übrig“, klagt sie. | |
Dennoch hat der Vorschlag der Regierung von Premierminister Narendra Modi | |
eine Heerschar von Kritikern aufs Parkett gerufen. Auch Feministinnen und | |
die politische Linke laufen Sturm. | |
Das liegt zum Teil daran, dass Alleinerziehende, Homosexuelle und Ausländer | |
in Zukunft keine Leihmutterschaft mehr in Auftrag geben dürfen. Juristen | |
sind der Meinung, dass die Pläne der Regierung gegen das Gleichheitsgebot | |
der Verfassung verstoßen. | |
## „Nicht-diskriminierende Regulierung“ | |
„Wir brauchen eine nicht-diskriminierende Regulierung der Leihmutterschaft. | |
Der vorgelegte Gesetzesentwurf ist unausgewogen und ideologisch | |
voreingenommen“, klagt Kapil Sibal, ein früherer Minister der jetzt | |
oppositionellen Kongress-Partei. Doch dies ist nicht das einzige Problem. | |
Angesichts der bestehenden Armut in Indien ist die Wahrscheinlichkeit groß, | |
dass die Praxis illegal fortgesetzt wird. „Ein Verbot droht kommerzielle | |
Leihmutterschaft in einen Schwarzmarkt zu verwandeln“, sagt Chithra P. | |
George, eine Anwältin aus Kerala. „Der Gesetzesentwurf wurde formuliert, | |
ohne die Lebenswelt in Indien zu berücksichtigen.“ | |
In der Tat gibt es zahlreiche offene Fragen, auf die die Regierung bisher | |
keine Antwort hat. Eine ist, wie in Zukunft verhindert werden soll, dass | |
Familien arme Verwandte unter Druck setzen, sich „freiwillig“ als | |
Leihmütter zur Verfügung zu stellen. | |
Die andere ist, wie das Entstehen eines Schwarzmarktes ähnlich dem für | |
Organhandel verhindert werden kann. Denn der Bedarf nach Leihmutterschaft | |
ist nicht nur in Indien groß. | |
## „Sicherstellen, dass Leihmütter gut betreut werden“ | |
Die Strafandrohung von bis zu fünf Jahren Knast und etwa 12.000 Euro wird | |
Kriminelle jedenfalls kaum abhalten. | |
„Die Regierung sollte sicherstellen, dass indische Leihmütter gut betreut | |
werden. Stattdessen verbietet sie Leihmutterschaft im Gewand der Moralität. | |
Es ist klar, dass sie sich damit von der Verantwortung für die Sicherheit | |
von Leihmüttern befreien will,“ meint die Gynäkologin Rita Bakshi. | |
Das sehen die AutorInnen des Gesetzesentwurfs anders. „Leihmütter und | |
Kinder wurden in der Vergangenheit aufgegeben oder schlecht behandelt und | |
es gab immer wieder Visumsprobleme für Kinder ausländischer Eltern“, sagt | |
sich Soumya Swaminathan, die als Generaldirektorin des Indian Council of | |
Medical Research an dem Gesetzesentwurf mitgearbeitet hat. | |
Bekannt wurde der Fall eines deutschen Paares, das 2010 in Indien durch | |
eine Leihmutter Zwillinge bekam und zwei Jahre das Land nicht verlassen | |
konnte, weil sich die deutsche Botschaft weigerte, den Kindern Pässe | |
auszustellen. Denn in Deutschland ist Leihmutterschaft seit 1991 verboten. | |
„Leihmutterschaft ist mit unseren Vorstellungen von Menschenwürde nicht zu | |
vereinbaren ist“, sagte damals der deutsche Botschafter Thomas Matussek. | |
Das sieht auch Soumya Swaminathan so. „Unsere Frauen wurden als | |
Gebärfabriken benutzt“, rechtfertigt sie die Regierung. Inwieweit sich dies | |
durch das neue Gesetz ändert, bleibt abzuwarten. | |
18 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Britta Petersen | |
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