# taz.de -- Wassermangel in Südindien: Ein Streit um kostbares Nass | |
> Der Konflikt der Nachbarstaaten Karnataka und Tamil Nadu um Wasser aus | |
> dem Kaveri-Fluss verweist auf Indiens zukünftige Wasserkonflikte. | |
Bild: Bauern protestieren gegen ein Urteil des Obersten Gerichtshofs im Wassers… | |
CHENNAI taz | Über 16.000 Polizisten bewachen am Dienstag die Bahnhöfe des | |
südindischen Unionsstaates Karnataka. Die Übergänge zum östlichen | |
Nachbarstaat Tamil Nadu sind de facto geschlossen, der Verkauf von Alkohol | |
untersagt: Es sind Vorsichtsmaßnahmen für das Urteil des Obersten | |
Gerichtshofes, der an diesem Tag über die Wasserverteilung des | |
Kaveri-Flusses zwischen beiden Unionsstaaten entscheidet. | |
Für Millionen Inder geht es bei dem Streit um die Lebensgrundlage. | |
Schließlich ordnet das Gericht Karnataka am Oberlauf des Flusses an, bis | |
zum 27. September 6.000 Kubikfuß Flusswasser pro Sekunde an das benachbarte | |
Tamil Nadu weiterzuleiten. | |
„Wir müssen unser Trinkwasser opfern“, kommentierte Karnatakas Anwalt Fali | |
Nariman. | |
## Sechs niederschlagsarme Jahre | |
Seit den Zeiten der britischen Kolonialherren streiten beide Regionen schon | |
um den 800 Kilometer langen Fluss. Vor allem das unter regelmäßiger Dürre | |
leidende Karnataka fühlt sich von der bisherigen Regelung benachteiligt. | |
Nach sechs niederschlagsarmen Jahren in Folge haben dortige Staudämme nur | |
noch die Hälfte ihres Wassers, worunter vor allem die Landbevölkerung | |
leidet. Laut Regierung nahmen sich 2015 mehr als 1.300 Bauern das Leben – | |
viermal mehr als im Vorjahr. | |
Bereits letzte Woche kam es in Bangalore, Hauptstadt von Karnataka und | |
indisches IT-Zentrum, zu Ausschreitungen: Dutzende Busse und Lkws mit | |
tamilischen Kennzeichen wurden in Brand gesetzt. Tamilische Restaurants und | |
Läden wurden von Randalierern angegriffen. | |
Die Polizei verhängte eine Ausgangssperre, ließ Schulen und Universitäten | |
schließen und große Teile des öffentlichen Verkehrssystems. | |
Doch letzten Freitag schwappten die Proteste in den Nachbarstaat Tamil Nadu | |
über. Dort setzte sich ein 21-jähriger Automechaniker bei einem Protestzug | |
in Brand und erlag bald seinen Verletzungen. Er ist der mittlerweile dritte | |
Tote in dem jüngsten Wasserverteilungskampf. | |
## Wasserverteilung als größte nationale Herausforderung | |
Dabei ist dieser lediglich ein Ausblick auf Indiens wohl größte nationale | |
Herausforderung. Innerhalb des Landes brodeln zehn latente Wasserkonflikte | |
zwischen einzelnen Unionsstaten. | |
Darüber hinaus streitet Indien an fünf seiner Außengrenzen ebenfalls um | |
länderübergreifende Flüsse. Der wohl gefährlichste Konflikt bahnt sich | |
derzeit mit China an. Zusammen stellen die beiden Länder ein Drittel der | |
Gesamtbevölkerung. | |
Laut dem Earth Security Index von 2014 verbraucht Indien 37 Prozent mehr | |
Grundwasser, als auf natürlichem Wege nachkommt. In dem Bericht heißt es | |
zudem, das Land würde bald unter „extremer Wasserknappheit“ leiden, die | |
sowohl die Strom- als auch Lebensmittelversorgung gefährden könne. | |
Bis zu 90 Prozent der Niederschläge in Indien fallen während der | |
dreimonatigen Regenzeit. Diese weist jedoch in den letzten Jahren große | |
Unregelmäßigkeiten auf. Laut dem Potsdamer Institut für | |
Klimafolgenforschung werden sich die Schwankungen während der Regenzeit in | |
den nächsten Jahren weiter verschärfen. | |
Die Auswirkungen untersucht der Journalist und Umweltaktivist Nityanand | |
Jayaraman in seiner Heimatstadt Chennai, dem früheren Madras. Mit 4,3 | |
Millionen Einwohnern ist sie Indiens sechstgrößte Metropole. | |
## Frühere Feuchtgebiete zugebaut | |
Seit Jahrtausenden durchziehen Teiche und Sümpfe das Stadtgebiet, doch | |
allein seit 1980 sind fast zwei Drittel der für das Ökosystem essentiellen | |
Feuchtgebiete zugebaut worden. Große Teile der verbliebenen Wasserquellen | |
sind durch Plastikmüll und Industrieabflüsse verschmutzt. | |
Seit einigen Jahren oszilliert Chennai daher zwischen Dürreperioden und | |
Überflutungen. Der Boden kann die immensen Wassermassen während der | |
Monsunzeit schlicht nicht mehr aufnehmen. | |
„Im letzten Winter erlebten wir in Chennai eine Jahrhundertflut“, sagt | |
Jayaraman: „In vielen Gesellschaften hätte das für eine Wende im Umgang mit | |
dem Wasser gesorgt. Doch bei uns hat der Fatalismus gesiegt.“ | |
21 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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