| # taz.de -- Luftverschmutzung in Indien: Schluss mit „Gandhigiri“ | |
| > Die Luft in Neu-Delhi ist enorm dreckig. Mit Fahrverboten kämpft die | |
| > Stadt gegen Feinstaub und andere Emissionen – mit Erfolg. | |
| Bild: Arbeiten in der Stadt mit der höchsten Luftverschmutzung der Welt: Verke… | |
| Neu-Delhi taz | 10.000 Freiwillige waren in den vergangenen zwei Wochen auf | |
| den Straßen der indischen Hauptstadt Neu-Delhi unterwegs. Sie hielten | |
| kleine Schautafeln hoch, die Verkehrsteilnehmer daran erinnern sollten, | |
| dass seit Beginn des Jahres Autofahrer als Notmaßnahme gegen die | |
| katastrophale Luftverschmutzung ihr Fahrzeug nur noch jeden zweiten Tag | |
| nutzen dürfen. | |
| Zu Beginn der zweiwöchigen Testphase, die am Freitag zu Ende ging, | |
| verteilten sie – als Reverenz an den Nationalheiligen Mahatma Gandhi – | |
| Rosen an Zuwiderhandelnde, die es wagten, an einem „ungeraden“ Tag mit | |
| einer „geraden“ Nummer auf dem Kennzeichen unterwegs zu sein. | |
| Doch dann war es vorbei mit „Gandhigiri“. Sünder wurden mit einer Strafe | |
| von happigen 2.000 Rupien (knapp 30 Euro) zur Rechenschaft gezogen. | |
| Ausgenommen von der Regel waren unter anderem allein fahrende Frauen. | |
| Das Experiment ist politisch hoch umstritten, aber ersten Auswertungen | |
| zufolge effektiv. Nach Einschätzung der Umweltorganisation Centre for | |
| Science and Environment (CSE) sind die Spitzenwerte bei der | |
| Luftverschmutzung deutlich zurückgegangen. So habe die Environment | |
| Pollution Control Authority (EPCA) im November 2015 einen Höchstwert von | |
| 606 des besonders schädlichen Feinstaubs PM 2,5 gemessen. Dieser Wert sei | |
| bis auf 391 zurückgegangen. Ein Grund zum Aufatmen ist das für die Bewohner | |
| von Delhi allerdings nicht, denn auch dieses Ergebnis ist zehn Mal höher | |
| als die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen | |
| Grenzwerte. Delhi gilt laut WHO als die am stärksten verschmutzte Stadt der | |
| Welt – noch vor Beijing. | |
| Dennoch hält die Stadtregierung von der Aam Admi Partei (AAP) das | |
| Experiment für einen Erfolg. „Der Bericht der EPCA zeigt deutlich, dass die | |
| Höchstwerte bei der Verschmutzung heruntergegangen sind und – besonders | |
| wichtig –, dass die Menschen zu radikalen Maßnahmen bereit sind“, sagt | |
| AAP-Mitglied Ashish Ketan von der Delhi Dialogue Commission. Seine | |
| Regierung werde die Resultate des Experiments genau analysieren und es | |
| vermutlich auch in Zukunft in den Wintermonaten als Notfallmaßnahme | |
| fortsetzen. | |
| Grünes Licht hierfür erhielt die Regierung von Ministerpräsident und | |
| Gandhianer Arvid Kejriwal vom Obersten Gericht. Das hatte Klagen gegen das | |
| Experiment mit der Begründung zurückgewiesen, dass die individuelle | |
| Bequemlichkeit zugunsten eines Gemeinschaftsguts eingeschränkt werden | |
| dürfe. | |
| Das Gericht hatte die Regierung bereits zuvor aufgefordert, aufgrund der | |
| extrem hohen Luftverschmutzung einen „umfassenden Maßnahmenplan“ | |
| vorzulegen. Wie eine gerade erschienene Studie der Hochschule IIT Kanpur | |
| zeigt, kann die Reduzierung des Autoverkehrs dabei aber nur ein erster | |
| Schritt sein. | |
| ## Vor allem Diesel ist Schuld | |
| Danach tragen Fahrzeuge etwa 20 Prozent zum Ausstoß des Feinstaubs PM 2,5 | |
| bei. Sie liegen damit deutlich hinter dem Straßenstaub mit 38 Prozent. Das | |
| private Verbrennen von Treibstoffen (etwa in Dieselgeneratoren oder | |
| Kohleöfen) trägt mit 12 Prozent, die Industrie mit 11 Prozent zur | |
| Luftverschmutzung bei. | |
| Vor allem die dieselbetriebenen Lastwagen haben einen großen Anteil an der | |
| Verschmutzung. Sie wurden aber von dem „Odd-Even“-Experiment bisher gar | |
| nicht erfasst. Der Straßenstaub wird unter anderem durch heftige | |
| Bautätigkeit und das Abbrennen von Feldern in den umliegenden ländlichen | |
| Regionen verursacht. Der Bericht empfiehlt daher eine regelmäßige Reinigung | |
| der Straßen mit Wasser und Staubsaugern sowie das Verbot von Kohleöfen zum | |
| Kochen. | |
| Ashish Ketan von der AAP gibt sich optimistisch. „Unser Plan sieht vor, | |
| keine Dieselfahrzeuge mehr für den Privatgebrauch zuzulassen. Dazu brauchen | |
| wir die Unterstützung aus den Bundesstaaten Uttar Pradesh, Hariyana und von | |
| der Zentralregierung, sonst melden die Leute dort ihre Autos an“, sagt er. | |
| „Aber wird glauben, dass wir diese Unterstützung bekommen können.“ | |
| 18 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Britta Petersen | |
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