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# taz.de -- Erfolgreicher Umweltprotest in Indien: Kupferhütte wird geschlossen
> In Indien ist eine Kupferhütte geschlossen worden, die laut Kritikern für
> viele Krankheiten sorgt. Erst kürzlich waren 13 Protestierende erschossen
> worden.
Bild: Demonstrativ verschlossen: Ein Polizist versiegelt das Tor der Vedanta-Ku…
Bombay taz | Die umstrittene südindische Kupferhütte des indo-britischen
Konzerns Vedanta Resources ist am Montag von den Behörden geschlossen
worden. Tamil Nadus Ministerpräsident Edappadi K. Palaniswami ordnete sogar
die permanente Schließung der zweitgrößten indischen Kupferhütte an.
Polizeibeamte versiegelten darauf unter dem Jubel von Anwohnern das
Werkstor; die Elektrizitätsversorgung wurde demonstrativ abgeklemmt.
Vedanta hatte die Kapazität der umstrittenen Fabrik eigentlich verdoppeln
wollen.
Der 22. Mai war der 100. Tag des jüngsten Protests. Erneut waren Tausende
Demonstranten in der Stadt Thoothukudi (vormals Tuticorin) an Indiens
Südspitze zusammengekommen, um die Regierung zu bewegen, endlich gegen
Vedantas Sterlite-Kupferhütte vorzugehen.
Doch die Polizei stoppte den massiven Protest mit Gewalt. Nachdem Steine
flogen, antworten die Beamten mit Tränengas. Später gab es Schüsse mit
scharfer Munition. 13 Menschen starben, mindestens 100 wurden verletzt.
„Es ist bekannt, dass die Landesregierung und die Bezirksverwaltung
Sterlite gegenüber loyal waren“, sagt der Umweltaktivist Nityanand
Jayaraman. Er engagiert sich seit 2003 in Thoothukudi. Das erkläre die
bisherige Zurückhaltung der Regierung gegenüber dem umstrittenen Konzern.
Dessen Gründer ist der indischstämmige Milliardär Anil Agarwal. Sein
Konzern produziert in Indien Aluminium, Kupfer, Zink und Blei, oft zulasten
der Umwelt und der Gesundheit der Anwohner. Vedanta war der erste
indischstämmige Konzern, der an der Londoner Börse gehandelt wurde.
## Verärgerung in der Bevölkerung
Agarwal gehört auch zu den Befürwortern der Kampagne „Make in India“ des
hindunationalistischen Ministerpräsidenten Narendra Modi. Diese nimmt
ausdrücklich Lockerungen im Umweltschutz und Einschränkungen der Rechte der
Anwohner gegen Investitionen in den Ressourcenabbau in Kauf.
Bereits am 24. März demonstrierten 100.000 Menschen gegen die beantragte
Erweiterung der Kupferhütte. Das überraschte die Regionalregierung. Sie
lehnte den Antrag Vedantas auf eine Lizenzerneuerung ab. „Doch sie war
schwach formuliert“, sagt Jayaraman. Nach dem großen Protest gingen die
Bauarbeiten für das neue Werk weiter. Die Verärgerung unter der Bevölkerung
wuchs. Sie fühlte sich betrogen. Letzte Woche zogen sie zum zweiten großen
Marsch, der dann tödlich endete. Oppositionspolitiker verlangten seitdem
eine Aufklärung des polizeilichen Vorgehens. „Statt Mittel wie Wasserwerfer
zu benutzen, um die Menschen zu stoppen, wurde auf sie geschossen“,
kritisiert der Congress-Politiker Ghulam Nabi Azad.
Dass bei Protesten gegen eine Privatfirma auf Demonstranten geschossen
wird, ist für den Lokalreporter Shabbir Ahmend „eine neue Dimension“.
Indiens wirtschaftliche Öffnung sei nicht das Problem, aber die fehlende
Regulierung. Offenbar zwangen aber jetzt die gewaltsamen Ereignisse die von
der Heftigkeit überraschte Regionalregierung zum Handeln.
Dabei hatten die Proteste gegen die Kupferhütte in Thoothukudi schon 1995
begonnen, als die Regierung die Errichtung ankündigte. Seitdem ist in
Thoothukudi, einer Industriestadt mit 350.000 Einwohnern, nach Meinung von
Umweltschützern die Krebsrate gestiegen. Ebenso die Todesfälle durch
Atemwegserkrankungen. Ursprünglich sollte das Werk 2010 schon geschlossen
werden, doch das Oberste Gericht entschied dagegen. Dies verhängte dann
aber im April 2013 eine Millionenstrafe gegen den Konzern.
## „Die Polizei hilft Umweltverschmutzern“
„Das Vorgehen ist typisch für große Unternehmen in Indien“, sagt Jayarama…
Unter Modis Regierung habe sich die Situation dann noch verschlimmert.
„Umwelt- und Arbeitsschutzgesetze wurden verwässert und versucht,
Umweltkämpfe zu kriminalisieren.“ Selbst eklatante Rechtsverstöße würden
ignoriert, und Protestierende werden entweder gekauft, bedroht oder
gewaltsam zum Schweigen gebracht. Er ist wenig optimistisch: „Es ist zur
Routine geworden, dass die Polizei den großen Umweltverschmutzern hilft.“
Vedanta wurde jetzt von der Entscheidung der Regierung überrascht.
Konzernchef Agarwal hatte nach den tödlichen Schüssen in der vergangenen
Woche in einem auf der Webseite des Konzerns veröffentlichten Video sein
Bedauern ausgedrückt, zugleich aber alle Vorwürfe zurückgewiesen und den
Willen verkündet, die Anlage weiter zu betreiben – natürlich wie bisher
ganz im Einklang mit den Gesetzen, wie er nicht müde wurde zu betonen.
Zuvor hatte die Firma bereits angekündigt, gegen alle einschränkenden
Maßnahmen juristisch vorzugehen.
29 May 2018
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Indien
Umweltschutz
kupfer
Umweltschutz
Narendra Modi
Indien
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