# taz.de -- Proteste an Film- und Fernsehakademie: Protest und Haltung | |
> Studierende der Deutschen Film- und Fernsehakademie kämpfen um | |
> Mitbestimmung bei der Direktorenbesetzung. Für sie geht es um die Zukunft | |
> der Schule. | |
Bild: Die Kunst des Filmemachens: Die dffb hat einen Hang zu eigenwilligen, pol… | |
Das „Rathauskommando“ findet sich täglich vor dem Roten Rahaus ein, auch | |
bei Minusgraden: Eine Handvoll junger Leute mit Strickmützen und | |
Winterjacken hält selbst gemalte Transparente hoch: „Hey, Herr Böhning! Es | |
ist höchste Zeit. Beziehen Sie Stellung!“ | |
Seit Anfang Januar protestieren Studierende der [1][Deutschen Film- und | |
Fernsehakademie Berlin] (dffb) vor dem Dienstsitz von Björn Böhning, Chef | |
der Senatskanzlei und Vorsitzender des Kuratoriums der dffb. Sie fordern | |
einen neuen Direktor. Einen, mit dem sie gut leben können. Und das scheint | |
nicht derselbe zu sein, den eine extra eingesetzte Findungskommission | |
präferiert. In ihrem Blog [2][geben sich die Studierenden kämpferisch]: | |
„Wir wollen innovative Ausbildung anstatt stumpfer Produktion, | |
Mitbestimmung anstatt Zentralisierung. Wir werden alles dafür tun.“ | |
In der neunten Etage des Sony-Centers am Potsdamer Platz sitzt Katharina | |
Rivilis in der dffb-Filmkantine vor einem aufgeklappten Laptop. Mit einer | |
Hand schiebt die schmale 29-Jährige den kaum angetasteten Teller zur Seite, | |
mit der anderen drückt sie einen DVD-Rohling ins Laufwerk. „Ist gleich | |
fertig, kannst du mitnehmen!“, ruft sie einem Dozenten am Nachbartisch zu. | |
Die dffb ist klein: 34 Studierende werden jedes Jahr aufgenommen, um sich | |
in den Disziplinen Drehbuch, Regie, Kamera oder Produktion ausbilden zu | |
lassen. Hier kennen sich alle, das Verhältnis zu den DozentInnen, oft kaum | |
älter als die Studierenden, ist familiär. | |
„Wir sind keine 19-jährigen Abiturienten mehr, sondern erwachsene Menschen, | |
die selbstverantwortlich künstlerisch arbeiten wollen“, betont Rivilis. | |
Eigentlich studiert sie Regie im dritten Jahr. Aber seit einem halben Jahr | |
engagiert sie sich „fast Fulltime“ in der Studierendenvertretung der dffb. | |
Die Verhältnisse erforderten diesen Einsatz, ist sie überzeugt: Bereits zum | |
zweiten Mal in Folge, so ihre Sorge, wolle das Kuratorium der dffb einen | |
„Manager-Direktor“ durchdrücken. | |
## Konsequentes Vorgehen gegen Proteste | |
Einen wie Jan Schütte, der bis Herbst 2014 Direktor war. Der habe, so sagt | |
sie, die renommierte Institution, zu deren Absolventen Christian Petzold | |
und Wolfgang Petersen gehören, künstlerisch heruntergewirtschaftet. Noch so | |
einen hielte die dffb nicht aus: „Die Substanz, die Tradition unserer | |
Schule stehen auf dem Spiel“. | |
Tradition, das ist an der 1966 gegründeten Akademie eine ganz besondere | |
Geschichte: Schon in den Anfangsjahren befanden sich Studierende wie Helke | |
Sander, Harun Farocki und Holger Meins in Opposition zur Studienleitung. | |
Nach einer Schulbesetzung und dem Dreh unbotmäßiger Agitationsfilme flog | |
ein Großteil des Jahrgangs von der Schule. | |
Erbe dieser turbulenten Zeiten ist ein Hang zu eigenwilligen, politischen | |
Autorenfilmen – und ein bundesweit einmaliges Mitbestimmungsmodell: Im | |
Akademischen Rat werden Entscheidungen von Studenten, Dozenten und | |
Direktion gleichermaßen getroffen. Diese Drittelparität habe Jan Schütte | |
systematisch ausgehöhlt, den Akademischen Rat ganz abgeschafft. Ohne | |
Demokratie aber sei gute Arbeit schwer. | |
„Der Direktor ist an der dffb eine mächtige Figur“, erklärt Dara Belova, | |
die rauchend auf dem Balkon unter dem mächtigen Zeltdach des Sony-Centers | |
steht. „Ohne seinen Segen gibt es keine Abschlussfilme, keine Drehbücher, | |
alles geht über seinen Tisch.“ Belova ist eine, auf die ihre Hochschule | |
stolz sein kann: 2013 wurde ihr Kurzfilm „Komm und spiel“ in Cannes mit dem | |
Discovery Award ausgezeichnet. Doch auch sie sieht die dffb sehr kritisch. | |
## Das Profil wird verwässert | |
„Wir brauchen jemanden, der selbst Filmemacher ist, der eine Haltung hat | |
und versteht, was unsere Filmakademie braucht.“ Das Kuratorium aber wolle | |
jemanden mit guten Branchenverbindungen, der die Lehre stärker an den | |
Bedürfnissen des Markts ausrichte. Ihre Studienkollegin Rivilis ergänzt: | |
„Wir glauben, dass uns wieder jemand vorgesetzt werden soll wie vor vier | |
Jahren, ohne die versprochene akademische Mitbestimmung. Aber diesmal sind | |
wir wachsam.“ | |
Auch der Filmemacher Max Linz, der letztes Jahr sein Regie-Studium an der | |
dffb beendete, findet, dass sich die Schule in eine bedenkliche Richtung | |
entwickelt. Bestehende Strukturen seien ausgehöhlt worden, ohne etwas Neues | |
zu schaffen: „Wie die Auflösung der studentischen Vertretung und die lange | |
Vakanz der Regiedozentur zeigen, waren die innerakademischen Strukturen | |
binnen kurzer Zeit dysfunktional.“ Das Profil der dffb, unter anderem | |
berühmt für die politisch engagierten Autorenfilme der „Berliner Schule“, | |
werde verwässert, befürchtet er. | |
Sein Abschlussfilm „Ich will mich nicht künstlich aufregen“ lief letztes | |
Jahr im Forum der Berlinale – einer von vielen Beiträgen, mit denen die | |
dffb regelmäßig auf Filmfestivals glänzt. Sein Film reflektiert die | |
Produktionsbedingungen auf dem deutschen Filmmarkt, den Linz als markthörig | |
und mutlos zeichnet. Doch gerade die Struktur der dffb mit einem mächtigen | |
„Aushängeschild-Direktor“ und einem intransparenten wirtschaftsnahen | |
Gremium sei wenig geeignet, Sichtweisen zu fördern, die diese Strukturen | |
aufbrächen. | |
Katalin Gödrös, eine von rund 250 DozentInnen an der dffb, will, dass | |
endlich Klarheit herrscht: „Die monatelange Interimsverwaltung und die | |
Unruhe überfordern alle Beteiligten.“ Wer ihre Favoritin für den vakanten | |
Posten ist, daraus macht sie keinen Hehl: „Man braucht jemanden, der auf | |
dem politischen Parkett tanzen kann, aber auch pädagogische Fähigkeiten hat | |
und die Hochschule kennt. Sophie Maintigneux traue ich das zu.“ | |
Gödrös sitzt in einer AG, die sich mit der Direktorensuche beschäftigt. In | |
der Senatskanzlei aber habe man die Vorschläge nicht anhören wollen. Seit | |
Dezember seien die dffb-Vertreter „von der Diskussion ausgeschlossen“. | |
## Das Interesse ist groß | |
Bereits 2010 sprachen sich dffb-Vertreter für die Kamerafrau und Dozentin | |
Sophie Maintigneux aus. Doch das Kuratorium der als GmbH organisierten | |
Hochschule, in dem unter anderem Vertreter des Medienboards, des ZDF und | |
von Sony sitzen, setzte Schütte durch. Seine Amtszeit war überschattet von | |
Streiks und Auseinandersetzungen. 2011, auf dem Höhepunkt der internen | |
Querelen, trat die Studierendenvertretung geschlossen zurück. Nach dem | |
Abgang des ungeliebten Direktors gab es die Chance für einen Neustart. | |
Doch ein Konsenskandidat sagte überraschend ab. Verblieben sind der | |
österreichische Filmemacher Julian Pölsler, den Teile der dffb nicht wollen | |
– und Sophie Maintignieux. Also wird weitergesucht: „Wir prüfen auch neu | |
eingehende Bewerbungen – das Interesse an dem Posten ist groß“, sagte | |
Senatskanzleichef und Kuratoriumsvorsitzender Böhning der taz. Bis März | |
könne es noch dauern, denn „Demokratie kostet eben Zeit“. | |
Den Vorwurf, er sei nicht dialogbereit, lässt der SPD-Politiker nicht | |
gelten. Er habe „im letzten Jahr unzählige lange Gespräche mit | |
dffb-Vertretern“ geführt. Man pflege auch weiterhin die „gute Kultur“, e… | |
Studierenden- und eine Dozentenvertretung der dffb in Findungskommission | |
oder Kuratorium einzuladen. Einen Anspruch darauf, ihren Favoriten | |
durchzusetzen, hätten die dffb-Vertreter aber nicht. Die Studierenden | |
wollen im Rahmen der Berlinale ihre Proteste fortsetzen. | |
8 Feb 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.dffb.de/html | |
[2] http://dffbjetzt.blogspot.de/2014/12/wir-laden-ein_16.html | |
## AUTOREN | |
Nina Apin | |
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