# taz.de -- Wettbewerbsfilm Berlinale 2015: Der Araber ballert gern doppelläuf… | |
> Angeblich hat Werner Herzog bei „Queen of the Desert“ Regie geführt. | |
> Anzumerken ist das diesem Kolonialschinken nicht. | |
Bild: Diese Wüste ist reine Poesie, man schwitzt nicht, man schwelgt. | |
Wenn man die Geschichte aus der Perspektive einer Frau erzählt, so geht | |
seit Jahren ein Rezept für Wettbewerbsfilme der Berlinale, kann man den | |
ganzen anderen Sums genauso erzählen wie früher: Kolonialbilder, | |
Eurozentrismus, edle Wilde, Helikopterlandschaftsbilder mit symphonischem | |
Schmus – geht alles, wenn der Abenteurer eine Abenteurerin ist. | |
Hier also Nicole Kidman als Gertrude Bell, die weibliche Version von | |
Lawrence von Arabien. Obwohl die Kidman den ihr zugedachten Job solide | |
erledigt, ist die beste Szene eine ohne sie. Churchill und diverse andere | |
britische Kolonialpolitiker teilen gerade das Osmanische Reich in | |
Einflusszonen auf und benennen dabei genau die Probleme der Region mit | |
genau den Vereinfachungen, die bis heute die Nachrichtensendungen prägen: | |
Sunniten, Schiiten, Alawiten, Drusen, Kurden – and everyone at each other’s | |
throat. | |
Von diesen Kämpfen sieht man allerdings nichts, noch erfährt man, warum es | |
sie gibt. Der Araber ballert gern doppelläufig in die Luft – das sehen wir | |
bei diversen Begegnungen mit Stämmen und Soldaten der Wüste. Auch | |
streichelt der Wüstensohn mit viel Liebe seine Zuchtfalken. Doch was treibt | |
ihn um? | |
Dabei ist es genau das, was circa zwanzigmal über die Bell gesagt wird: Sie | |
habe die Beduinen als Erste verstanden. Würdige Beduinen und sinistre | |
Stammeskrieger sind sich da völlig einig. Aber sie behält ihre Erkenntnisse | |
für sich. | |
## Die Wüste: reine Poesie | |
Stattdessen ist die hochgebildete Dame sehr von den exquisiten Zeilen der | |
großen Dichter affiziert, unentwegt rezitiert und übersetzt sie. Der Film | |
folgt ihr. Diese Wüste ist nicht heiß, unwegsam und gefährlich, sondern | |
reine Poesie. Man schwitzt nicht, man schwelgt. Selbst abgelegen | |
residierende Drusenscheichs wissen mit Rimbaud-Stellen zu glänzen. | |
Für die beiden tragischen Lieben der Bell hat die Direktion übrigens James | |
Franco und Damian Lewis („Homeland“) gewinnen können. Von dem Filmautor | |
Werner Herzog, der angeblich Regie geführt hat, ist in diesem erschreckend | |
konservativen Kolonialschinken aber so gut wie nichts zu erkennen. Leute, | |
die seinetwegen in diesen Film zu gehen planen, kann man nur warnen. | |
8 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Diedrich Diederichsen | |
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