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# taz.de -- Wettbewerb Berlinale 2015: Burn-out im Sonnenuntergang
> Terrence Malicks „Knight of Cups“ zeigt die Fragmente einer Lebenskrise
> und gibt viele Ratschläge, die vom Neuanfangen handeln.
Bild: Rick (Christian Bale) und Elizabeth (Natalie Portman).
Schöner wohnen heißt nicht unbedingt schöner leben. Fragen Sie mal Rick
(Christian Bale), der wohnt prima und hat trotzdem üble Laune. Der Film, in
dem Rick die Hauptfigur ist, möchte ihm eigentlich mit allen Mitteln
ästhetischer Evokation aus der Misere helfen. Naturschönheiten wohin man
blickt. Wüstenlandschaften, Sonnenuntergänge, Meeresbrandungen gleiten
vorbei, vernäht durch elegante Bewegungsschnitte. Der dazugeschaltete
Musikteppich legt elegische Hochstimmung und innere Einkehr nahe.
Junge Frauen und Hunde geben sich in großer Munterkeit
Swimmingpoolaktivitäten hin. Alles nur für Rick, der nicht sehen, der nicht
hören will. Aber das hält Terrence Malicks Wettbewerbsbeitrag „Knight of
Cups“ natürlich nicht vom Reden ab. Off-Stimmen erzählen unermüdlich
Geschichten von Rittern, Pilgerreisen und Perlen, die nicht verlieren
sollte, wer sein Leben nicht verschlafen will. Viele gute Ratschläge sind
darunter, die vom Neuanfangen und Momentgenießen handeln. Die erreichen
Rick aber nicht, sein Burn-out ist so total, dass der Film die anhängige
Symptomatik komplett mitübernimmt. So wenig Form-Inhalt-Schere war selten.
Ein Kern der Krise, soweit das per Ferndiagnose zu erkennen ist, sind neben
allgemeinem Überdruss zahlreiche Beziehungsprobleme. Ein gescheiterte Ehe,
eine unergiebige Affäre nach der anderen. Ständig junge Frauen, die sich
ungefragt ausziehen und durch Hotelzimmer gejagt werden wollen. Malick
filmt die meisten bevorzugt mit abgeschnittenem Kopf, das nennt man wohl
Einfühlung.
## Dem Neuanfanggesäusel überdrüssig
Cate Blanchett spielt Ricks Ehefrau. Sie lacht nur einmal, wenn sie mit
einem animierten Stoffhund interagiert. Kurz darauf rettet Blanchett noch
einer Biene das Leben, die in einem der geschätzt fünfzehn Pools des Films
zu ertrinken drohte.
Dann taucht Natalie Portman auf.Portman lässt Bale ausgiebig an ihren Zehen
saugen, fängt dann allerdings in der nächsten Szene an von einer möglichen
Abtreibung zu sprechen. Soviel zur Stimmungsaufhellung. Ähnlich wenig
hilfreich sind die Hollywood-Partys, die Rick besucht. Die wenigen
Smalltalk-Sprachfetzen, die zu ihm durchdringen, lassen alle Hoffnung auf
ein Gelingen im Sozialen schnell fahren.
Am konsequentesten an „Knight of Cups“ ist, dass er tatsächlich exakt so
aussieht und funktioniert, wie der Trailer. Nur eben auf zwei Stunden
gestreckt. Es könnte ewig weitergehen, ohne einen Unterschied zu machen.
Fragmente einer Krise als Serie, die bewusst nie erzählt, sondern immer
wieder mit den gleichen rhetorischen Mitteln heraufbeschworen wird. Als sei
Malick seiner Trademarkbilder, dem aufwallenden Kameragleiten, den
hyperfluiden Bewegungsmanöver, dem Natur- und Neuanfanggesäusel selbst
überdrüssig geworden. Mit „Knight of Cups“ läuft das Leerspielen dieser
filmischen Gesten zu Hochform auf.
9.2., 12 Uhr; 11. 2., 9.30 Uhr; 13. 2., 15 Uhr; Friedrichstadt-Palast
9 Feb 2015
## AUTOREN
Simon Rothöhler
## TAGS
Cate Blanchett
Natalie Portman
Christian Bale
Terrence Malick
Ryan Gosling
Terrence Malick
Film
Nachtleben
Militärdiktatur
Werner Herzog
Potsdamer Platz
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